Ständerbauweise

Ständerbauweise
Quedlinburg Ständerbau.JPG Ständerbau Qdl Detail.jpg
Ständerbau in Quedlinburg (Detailansicht Zapfenschloss)

Die Ständerbauweise ist eine Form des Fachwerkbaus, bei der Ständer durchgehend von der Schwelle bis zum Dach das tragende System eines Gebäudes bilden und gleichzeitig die Seitenwände darstellen.[1] Diesem statischen Prinzip wird die Gebäudegestaltung untergeordnet. Die Konstruktion besteht traditionell aus Holz, sie kann jedoch auch aus Stahl hergestellt werden. Zusammen mit anderen Bauweisen, wie etwa Blockbau, Rahmenbau, Skelettbau und Tafelbau, zählt der Ständerbau zu den grundlegenden Holzbausystemen.[2] Im Unterschied zur ähnlich aussehenden Skelettbauweise sind beim Ständerbau die Abstände zwischen den Ständern bedeutend geringer sowie die Geschossdeckenanschlüsse an die Ständer unterschiedlich ausgeführt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichtliche Entwicklung

Mittelalterliche Ständerbauweise im Vergleich zur Rähmbauweise

Die Ständerbauweise entwickelte sich im 13. Jahrhundert aus der primitiveren Pfostenbauweise.[3] Diese bereits seit der Jungsteinzeit bekannte Bauweise weist gegenüber der Ständerbauweise eine geringere Haltbarkeit auf, da die Pfosten in den Untergrund getrieben wurden und aus diesem Grund rasch abfaulten. Zudem war die Stabilität des statischen Systems der Pfostenhäuser aufgrund fehlender Aussteifung schlecht ausgeprägt. Diese Unzulänglichkeiten wurden durch die Ständerbauweise behoben.

Aufgrund der besseren statischen Voraussetzungen ermöglichte die Ständerbauweise im Mittelalter die Errichtung mehrerer Stockwerke bzw. Geschosse. Daher wird die Ständerbauweise auch als Geschossbauweise bezeichnet. Die von der Schwelle bis zum Dachgebälk durchlaufenden Ständer tragen die gesamten Lasten über mehrere Stockwerke ab. Gebäude mit mehreren Stockwerken wurden daraufhin als Langständerbau bezeichnet. Die auf einem gemauerten Sockel errichteten Ständer waren durch waagrechte Balken, die so genannten Ankerbalken, miteinander verbunden. Die Ankerbalken dienten gleichzeitig als Auflage für die Deckenkonstruktion der einzelnen Geschosse. Als Versteifung dienten Schwertungen, diagonal über mehrere Geschosse verlaufende Verstrebungen, die von Ständer zu Ständer reichen. Bekannte Gebäudetypen, die in Ständerbauweise errichtet wurden, sind die niederdeutschen Hallenhäuser. Je nach Anzahl der Ständer wurden sie als Zwei-, Drei-, oder Vierständerbau bezeichnet. Zudem gab es regionale Unterschiede bei der Ausführung der Ständerbauten. Als Beispiel kann hier der Ständerbohlenbau oder Bohlenständerbau genannt werden, der im süddeutschen und Schweizer Raum ausgeführt wurde.

Die Ständerbauweise in diesem Sinne war die ursprüngliche, im Mittelalter gebräuchliche Fachwerkbauweise. Sie wurde Ende des Mittelalters (ab dem 16. Jahrhundert) durch die Rähmbauweise abgelöst. Bei ihr werden Ständer verwendet, die nur die Länge eines Stockwerkes besitzen. Diese Konstruktion wird als Rähm- oder Stockwerksbauweise bezeichnet, da die auf der Schwelle stehenden Ständer oben mit einem Rähm abgeschlossen werden.

Bohlenständerhaus in Hedingen

Verbreitung

Schweiz

Im Spätmittelalter herrschten drei verschiedene Bautypen vor. Von Norden her reichte die Fachwerkbauweise bis in den Raum Winterthur. Im Schweizer Mittelland dominierte die Ständerbauweise, in den Voralpen und Alpen der Blockbau. Im Ständerbaugebiet gab es im Flachland die strohgedeckten Steildächer und in den Voralpen die schindelgedeckten, flachgiebeligen Tätschdächer. Die großen Städte bildeten die Ausnahme, da sie wegen der Brandgefahr bereits im 15. Jh. vorwiegend Steinbauten mit Ziegeldächern besaßen.

Mehrreihenständerbau Kehlhof Schwamendingen mit 7 Jochen, 1555-57 erbaut
Jakob Gujer Geburtshaus, Wertmatswil ZH: Mehrreihenständerbau von 1660

Mehrreihenständerbau

Beim Mehrreihenständerbau, der sich ab dem 16. Jahrhundert entwickelte, wurde die zum Dachbalken (Firstpfette) führende Mittelständerreihe (Hochstud) durch zwei innere Hochständerreihen ersetzt, die von der Schwelle bis zur Mittelpfette reichten. Im gleichen Zeitraum wurden die Schindel- und Strohdächer durch das steile Ziegeldach ersetzt. Mit diesem speziellen Bautyp konnten breitere und größere Gebäude errichtet und die Raumteilung (Grundriss) von zwei auf drei Räume (Stube, offene Herdstelle, Kammer) erhöht werden. Dieser Grundrissstandard hielt sich bis weit ins 19. Jahrhundert hinein. Die symmetrische Anordnung der inneren Ständerreihen führte dazu, dass Stube und Kammer die gleiche Raumbreite aufwiesen. Der mittlere Raum konnte durch den Abstand der beiden Innenständer variiert werden. In Längsrichtung konnte das Gerüstsystem flexibler gestaltet werden. Die längliche, durch Gebinde abgegrenzten Raumgevierte wurden Joche genannt. Das kleinstmögliche Mehrreihenständerhaus umfasste vier Gebinde mit drei Jochen, in denen Wohnteil, Tenn (immer in der Mitte) und Stall untergebracht wurden. Bei Bedarf konnten zusätzliche Joche angebaut werden.

Bohlenständerbau und Blockständerbau

Der Bohlenständerbau ist eine Wandbauweise, bei der waagrechte Bretter oder Bohlen zwischen die tragenden, lotrechten und mit einer Nut versehenen Ständer oder Stiele eingefügt werden.

Beim Blockständerbau werden als Wandausfachung 10-12 cm dicke Blockhölzer nahezu bündig oder bündig eingelassen. Damit erreicht die Wandfüllung im Gegensatz zum Bohlenständerbau annähernd die Stärke der Ständer. [4]

Die im Mittelalters sehr verbreiteten Bohlenständerhäuser waren billiger als Steinhäuser; sie konnten auch demontiert und an einem anderen Ort wieder aufgebaut werden. Als nachteilig erwies sich die erhöhte Brandgefahr, die von diesen Bauten ausging. Das abgebildete Bohlenständerhaus in Hedingen wurde im Jahre 1983 an seinem bisherigen Standort in einem Industriegebiet zerlegt, jeder Balken nummeriert, umgezogen und in einem Weiler neben einem Zeitgenossen, einem Blockständerbau aus dem Jahre 1804, wieder aufgebaut.

Moderne Ständerbauweise

Wohngebäude in Nordamerika in Holzständerbauweise

Die Bedeutung der Ständerbauweise bzw. Rähmbauweise ging in Mitteleuropa mit dem Beginn der Industrialisierung stark zurück. Dort wurden fortan auch Wohn- und Gewerbebauten sowie Ställe und Nebengebäude in Massivbauweise erstellt. Eine völlig andere Entwicklung nahm dagegen der Holzbau in Nordamerika. Die dortigen Siedler waren auf eine einfache Baukonstruktion aus leicht verfügbaren Rohstoffen angewiesen. Sie übernahmen die bekannte Ständerbauweise aus Europa und veränderten sie gemäß ihren Ansprüchen.[5] Auf diesem Weg entwickelte sich der so genannte balloon frame, eine auch als Holzständerbauart bezeichnete Baukonstruktion, die bis heute in den USA und Kanada anzutreffen ist und nach wie vor gebaut wird. Sie unterscheidet sich von der traditionellen europäischen Ständerbauart und hat eigenständige Merkmale entwickelt. Zudem werden die Ständerwände mittlerweile mit Dämmmaterialien ausgefacht und mit Holz- oder Gipskartonplatten beplankt, um den Anforderungen der Wärme- und Schalldämmung gerecht zu werden. Der Bau dieser Holzständerbauten kann dabei entweder mit Hilfe von Fertigteilen oder direkt auf der Baustelle erfolgen.

Siehe auch

Holzrahmenbau

Literatur

  • Manfred Gerner: Fachwerk, Entwicklung, Gefüge, Instandsetzung. Deutsche Verlags-Anstalt, München 1981, ISBN 3-421-02475-8.

Einzelnachweise

  1. Dietmar Grütze: Bau-Lexikon. Carl Hanser Verlag, München 2007, ISBN 3-446-40472-4, S. 256.
  2. Josef Kolb: Systembau mit Holz. Baufachverlag AG, Zürich 1992, ISBN 3-85565-226-0, S. 15.
  3. Sonja Steiner-Welz: Die deutsche Stadt. Reinhard Welz Vermittler Verlag, Mannheim, ISBN 3-8665-6538-0, S. 10.
  4. http://www.laendliche-baukultur.de/index.php?lexikon=b Lexikon der ländlichen Baukultur, Berlin Brandenburg
  5. Gunter Maurer; Jörg Nussberger: Wohnungen in Holzbauweise. Callwey Verlag, München 2002, ISBN 3-7667-1538-0, S. 14.

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Ständerbauweise – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen



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