Sturmhöhe

Sturmhöhe
Titelbild der britischen Ausgabe von 1926 mit Illustrationen von Percy Tarrant (1881 – 1930)

Sturmhöhe (Originaltitel: Wuthering Heights) ist ein Roman der englischen Schriftstellerin Emily Brontë (1818–1848). Der 1847 unter dem Pseudonym Ellis Bell veröffentlichte Roman wurde vom viktorianischen Publikum weitgehend abgelehnt, heute gilt er als ein Klassiker der britischen Romanliteratur des 19. Jahrhunderts. Er wurde in viele Sprachen übersetzt, allein 10-mal ins Deutsche, und immer wieder verfilmt.

Inhaltsverzeichnis

Handlung

Schauplätze des Romans sind der von der Familie Earnshaw bewirtschaftete Gutshof Wuthering Heights, der auf einer windgepeitschten Anhöhe im Hochmoor von Yorkshire liegt, und das feudalere, im fruchtbaren Tal gelegene Herrenhaus Thrushcross Grange, das der Familie Linton gehört. Die Geschichte dieser beiden Familien wird über drei Generationen hinweg erzählt.

Das Geschehen wird beherrscht von dem Findelkind Heathcliff, den der alte Earnshaw als etwa sechsjähriges Kind in den Straßen Liverpools aufgelesen hat, und den er zusammen mit seinen eigenen Kindern Hindley und Catherine (Cathy) aufzieht. Die Haushälterin Ellen Dean, genannt Nelly, wird für Heathcliff ein Mutterersatz. Nachdem sie den Jungen zunächst ablehnte, beginnt sie, sein fremdartiges Wesen zu akzeptieren und kümmert sich um ihn.

Nach dem Tode des alten Earnshaw wird Heathcliff von seinem Stiefbruder Hindley schikaniert, misshandelt und auf den Status eines ungebildeten Landarbeiters herabgewürdigt. Mit seiner Stiefschwester Cathy dagegen verbindet Heathcliff eine tiefe Freundschaft, sogar eine Seelenverwandtschaft. Cathy sieht den ihr charakterlich ähnlichen Heathcliff als eine Art „zweites Ich“: Beide sind wild, leidenschaftlich, willensstark und kompromisslos in ihren Ansprüchen und werden von Hindley tyrannisiert.

Als Hindleys Frau jung an Tuberkulose stirbt und ihn mit dem kleinen Sohn Hareton zurücklässt, verfällt Hindley der Trink- und Spielsucht. Er kümmert sich weder um sein Kind, noch um den Familienhaushalt.

Einige Jahre später macht der junge Edgar Linton, der künftige Erbe von Thrushcross Grange, der nun sechzehnjährigen Cathy einen Heiratsantrag. Cathy sieht die Heirat mit Edgar als Möglichkeit, ihren verwahrlosten familiären Verhältnissen zu entkommen. Als Heathcliff zufällig belauscht, wie Cathy zu Nelly sagt, eine Ehe mit Heathcliff würde sie gesellschaftlich völlig degradieren und sie ziehe den Luxus von Thrushcross Grange vor, obwohl ihr Edgar gleichgültig sei, läuft der gekränkte Junge davon und verlässt die Gegend. Der Verlust des geliebten Ziehbruders und engsten Vertrauten stürzt Cathy in eine tiefe Nervenkrise, die sich in einem lebensbedrohlichen Fieber auch körperlich auswirkt. Der besorgte Edgar Linton nimmt Cathy mit auf die "Grange". Einige Monate später heiraten sie.

Nach drei Jahren kehrt Heathcliff als gut aussehender und reicher junger Mann zurück und versucht, Catherine für sich zu gewinnen: Er dringt in die Ehe Catherines mit Edgar ein, ihre alte Liebe zu Heathcliff flammt wieder auf. Doch Catherine ist von ihrem Ehemann schwanger und damit selbst unter Missachtung der bürgerlichen Moral nicht zu einer Aufgabe ihrer Ehe bereit. Sie wünscht sich Heathcliff als Freund und Vertrauten, den auch Edgar akzeptieren soll. Erneut in seinem Verlangen, Cathy allein für sich zu gewinnen, frustriert, beginnt Heathcliff, sich an den Familien Earnshaw und Linton zu rächen. Zunächst heiratet er gegen Edgars Willen dessen Schwester Isabella Linton und misshandelt sie in der Ehe. An dem daraus folgenden Konflikt zwischen Edgar und Heathcliff zerbricht Catherine: Sie stirbt im Kindbett; ihre Tochter, die ebenfalls den Namen Catherine trägt, überlebt.

Der schwangeren Isabella gelingt schließlich die Flucht nach London, wo ihr Sohn zur Welt kommt: Linton, ein kränkliches Kind. Während dieser Zeit ruiniert Heathcliff den spiel- und trunksüchtigen Stiefbruder Hindley und bringt sich in den Besitz von Wuthering Heights. Hindleys kleinen Sohn Hareton hetzt er gegen den Vater auf. Nach dem frühen plötzlichen Tod Hindleys im Alkoholdelirium zieht Heathcliff Hareton aus Rache an Hindley in bäuerlichen, ungebildeten Verhältnissen auf. Doch während Heathcliff als Junge von Hindley brutal geschlagen wurde, misshandelt Heathcliff seinen Ziehsohn nicht, und der Junge entwickelt große Zuneigung zu seinem Pflegevater.

Nach dem Tode Isabellas nimmt Heathcliff seinen chronisch kranken und missmutigen Sohn Linton zu sich. Jahre später lockt er die nunmehr sechzehnjährige Catherine nach Wuthering Heights, um sie mit Linton zusammenzubringen. Schließlich, als ihr Vater Edgar an einer Lungenentzündung erkrankt, zwingt Heathcliff das Mädchen zur Ehe mit Linton. Edgar stirbt, ohne sein Testament, welches Linton als Erben vorsieht, zu Catherines Schutz noch ändern zu können. Kurze Zeit später stirbt auch Linton. Nach damaligem Erbrecht fällt der gesamte Besitz an den nächsten männlichen Verwandten, an Heathcliff.

Heathcliff ist nun Herr über beide Häuser. Aus Geiz vermietet er Thrushcross Grange, welches er eigentlich aus Rache abreißen lassen wollte, an einen Fremden: den jungen Lockwood. Als Lockwood bei seinem Begrüßungsbesuch eine Nacht auf Wuthering Heights verbringt, hat er eine mysteriöse Vision: der Geist Catherine (Cathy) Earnshaws erscheint ihm des Nachts am Fenster und fleht um Einlass. Heathcliff erleidet einen Schock durch Lockwoods Bericht, der eine plötzliche, drastische Wende in seiner Person hervorruft. Seine Energie ist verbraucht. Er kann oder will nicht mehr verhindern, dass Catherine sich um die Bildung Haretons bemüht und dass sich zwischen beiden eine Liebesbeziehung entwickelt. Schließlich kann Heathcliff vor Entkräftung nicht mehr essen, trinken und schlafen. Am Ende verfällt er einer nicht erklärten Verzückung und stirbt eines Nachts im Zustand der Ekstase. Das Fenster an seinem Bett steht offen.

Genealogie

Heathcliff sowie die Familien Earnshaw und Linton

        Wuthering Heights                   Thrushcross Grange

Mr. Earnshaw    ⚭   Mrs. Earnshaw        Mr. Linton    ⚭  Mrs. Linton
†Oktober 1777   │    †Frühjahr 1773       †Herbst 1780 │   †Herbst 1780
                ├─────────────┐                ┌───────┴──────┐
                │             │                │              │
Frances ⚭ Hindley        Catherine        ⚭ Edgar           Isabella    ⚭  Heathcliff
†1778   │  *Sommer 1757   *Sommer 1765     │ *1762           *1765       │   *1764
        │  †Sept. 1784    † 20. März 1784  │ †Sept. 1801     †Juli 1797  │   †April 1802
        │                                  │                             │
        Hareton         ⚭             Catherine          ⚭           Linton
        *1778         (1803)           *März 1784       (1801)        *September 1784
                                                                      †September 1801

Erzählstruktur

Erzähler

Das Geschehen wird im Wesentlichen von zwei Ich-Erzählern präsentiert. Der erste Erzähler ist Lockwood, der von Heathcliff Thrushcross Grange gepachtet hat. Er ist ein junger viktorianischer Gentleman, ein Einzelgänger und zugleich gebildeter Städter, der auf dem Lande Ruhe sucht. Er nimmt an dem Geschehen keinen persönlichen Anteil und beobachtet die Situation von außen, aber mit scharfem Blick, etwa wie ein Tourist die wilden Einheimischen, mit Ironie, aber auch Selbstironie. Lockwoods Darstellungsweise ähnelt einer Tagebuchaufzeichnung. Er setzt zweimal an, 1801 und 1802, am Beginn und am Schluss, und gibt dadurch dem Roman einen gewissen Rahmen.

Lockwoods Darstellung seiner eigenen Erlebnisse in Yorkshire ist eher eine Augenblicksaufnahme. Von seiner Wirtin in Thrushcross Grange, Ellen Dean, lässt er die dramatische Geschichte von Catherine und Heathcliff berichten. Nelly Dean ist von Anfang an Augenzeugin des Geschehens, als langjährige Haushälterin in beiden Familien hat sie Intimkenntnisse aller Beteiligten und ist zugleich für alle eine Vertrauensperson. Sie ist in das grausame Geschehen nicht persönlich verstrickt und versucht immer wieder durch Herumspionieren, Manipulation, gut gemeinte Intrigen und Ermahnungen auf die Personen und das Geschehen besänftigend und mildernd einzuwirken, allerdings vergebens. Zwischendurch lässt sie die meisten Hauptpersonen in Form einer Ich-Erzählung zu Wort kommen. Nelly wird damit scheinbar zu der Haupterzählerin, strenggenommen erhalten die Leser jedoch einen bereits von Lockwood bearbeiteten Bericht dessen, was ihm Mrs. Dean erzählte. Diese Verschiebung erlaubt einen noch größeren Abstand des Erzählers zum eigentlichen Geschehen.

Diese Erzählform mit zwei Ich-Erzählern und der Erzählung von Erzähltem wirkt wie ein doppeltes Fenster, durch das der Leser auf die manchmal schwer zu deutenden Ereignisse blickt. Die Autorin verschwindet dahinter völlig und überlässt den Leser sich selbst. Diese damals völlig ungewöhnliche, sehr moderne Romangestaltung war für ein viktorianisches Publikum sicherlich verwirrend. Emily Brontë gibt an keiner Stelle eine klare moralische Wertung ab, sondern bleibt ambivalent, sie überlässt die Meinungsbildung dem Leser. Die Autorin darf keineswegs mit der Erzählerin Nelly Dean gleichgesetzt werden, deren Deutungen und Bewertungen dem Leser meistens einleuchten, aber auch manchmal fragwürdig erscheinen, so wie auch ihre Versuche der Einflussnahme von der Wucht des dramatischen Geschehens völlig überrollt werden.

Aufbau

Der Roman setzt mit den Erlebnissen Lockwoods ein, als die Handlung kurz vor ihrem Abschluss steht. Der Leser erlebt mit Lockwood in Wuthering Heights überall eine Atmosphäre von Misstrauen, Spannung und Gereiztheit und fragt sich, wie es dazu kam, in welchem Verhältnis die Personen zueinander stehen und welches Ende zu erwarten ist.
Es folgt eine lange Rückschau durch die Erzählung Nelly Deans über die Ereignisse der Vergangenheit.
Als Lockwood am Schluss erneut in die Handlung eintritt, hat sich die Spannung gelöst, und Nelly Dean kann berichten, wie es doch noch zu einem Happy-End gekommen ist.

Trotz der verschachtelten Struktur gelingt es der Autorin, die innere Logik des Romans zu erhalten. Bis in scheinbare Nebensächlichkeiten ist das Erzählte in sich stimmig: Als Hindley in betrunkenem Zustand den kleinen Hareton fallen lässt, fängt Heathcliff den Jungen im Reflex auf. Später ist es Heathcliff, der Wuthering Heights ungewollt für Hareton bewahrt und den jungen Mann damit vor Armut rettet. (Ohne Heathcliffs Rache wäre Hindleys Besitz an fremde Gläubiger übergegangen). Mr. Lockwood erwähnt zu Anfang, dass die moorige Erde von Gimmerton die auf dem Friedhof vergrabenen Leichen "mumienhaft" erhalte. Am Ende des Romans öffnet Heathcliff Cathys Grab und berichtet Nelly Dean, dass Cathys Gesicht noch „immer ihr Gesicht“ sei.

Rezeption

Wuthering Heights (Sturmhöhe) ist eines der wohl umstrittensten Werke des 19. Jahrhunderts. Ein Kritikpunkt an dem Buch ist, dass man sich mit keinem der Charaktere wirklich identifizieren könne, da keine der handelnden Personen in irgendeiner Weise voll und ganz sympathisch sei, sie stießen eher ab, als dass sie anzögen. Außerdem könne man mit keinem Charakter wirklich mitfühlen, man empfinde zwar hin und wieder Mitleid, das aber durch die zu verurteilenden Taten wieder zunichte gemacht werde. Die verschachtelte Handlung wird als verwirrend kritisiert, die Sprache als gestelzt oder melodramatisch.

Gelobt wird die drastische, ungeschönte Darstellung des Bösen in der menschlichen Natur und die in sich äußerst geschickt entworfene Handlungsstruktur bis ins kleinste Detail. Lobende Kritiken sehen in Wuthering Heights ein Werk im Geiste Shakespeares: eine überrealistisch erhöhte und intensivierte Handlung mit mystischen Elementen und mit menschlich realistischen Charakteren, die in ihrem Tun bis ins Extreme gehen.

Die einzelnen Kritiken und Analysen fallen daher bis heute zwischen Extrempositionen: Wuthering Heights gilt einerseits als ein Meisterwerk und Kulturgut des Viktorianischen Zeitalters, andererseits als in seinem Wert überschätztes Kuriosum der Romanliteratur.

Interpretation

Allgemeines

Der Roman gilt heute als ein klassisches Werk der englischen Romanliteratur. Seit seinem ersten Erscheinen 1848 hat der Roman recht unterschiedliche Deutungen erfahren. Er steht weder in der Tradition des historischen Romans Walter Scotts, noch der des streng realistischen und gesellschaftlichen Romans etwa Jane Austens, sondern ist ein Werk ganz eigener Art. Nicht nur die modern anmutende und an Joseph Conrad erinnernde Erzähltechnik weisen auf das 20. Jahrhundert voraus.

Die gegensätzlichen Deutungen konzentrieren sich meistens auf die Hauptfigur des Romans: Heathcliff. Die ersten Kritiker haben in ihm lange ein Monster oder einen satanischen Charakter sehen wollen, und dies scheint durch seine Handlungen gerechtfertigt. Eine andere, sozialkritische Deutung sieht in Heathcliff, dem Findelkind aus den Slums Liverpools, einen Rächer der Unterprivilegierten und einen sozialen Rebellen gegen die kapitalistische Gesellschaft und die Unterdrückung des Arbeiters durch die herrschende Klasse, der dann selber auch in die Rolle des Unterdrückers schlüpft. Als innerlich zerrissener und intelligenter Antiheld, der persönliche Ziele über allgemeine Moralvorstellungen stellt, gilt Heathcliff gemeinhin als klassisches Beispiel des Byron'schen Helden in der englischen Literatur.

Naturmystische Interpretation

Heathcliffs Charakter und Handlungen sind geprägt durch Gegensätzlichkeiten und Widersprüche. Er ist ein Findelkind und Fremdling unbekannter Herkunft aus den Slums Liverpools (vielleicht ein zurückgelassenes Zigeunerkind, vielleicht der ausgesetzte Sohn einer Prostituierten, vielleicht ein Kind irischer Emigranten, dessen Eltern vor der Abfahrt nach Amerika verstarben), zugleich erscheint er aber auch wie ein natürliches Element der wilden Moorlandschaft des entlegenen Yorkshire (Heathcliff bedeutet Heidklippe). Im 20. Jahrhundert entstand so eine vorherrschende Lesart des Romans, die in Heathcliff nicht nur ein Individuum, sondern zugleich die Verkörperung elementarer Naturgewalten sieht, ebenso wie Wuthering Heights, mit dem Heathcliff in dem Roman eine Einheit bildet.

So erlebt ihn Lockwood bei seinem Besuch in Wuthering Heights, als Heathcliffs Hundemeute sich auf ihn stürzt. Nelly Dean sagt von Heathcliff, er sei als Kind fromm wie ein Lamm gewesen, die Schikanierung durch Hindley ertrug er stoisch, aber der erwachsene und gewandelte Heathcliff zeigt sich erschreckend brutal und gefühllos auch gegen den eigenen Sohn und die Verwandtschaft, die er quält, nötigt, betrügt und zum Teil in den Tod treibt. Dabei erscheint er in der Schilderung Nelly Deans, die für ihn eine gewisse Sympathie zeigt, nicht nur als Täter und Peiniger, sondern in zunehmendem Maße als Opfer und Gejagter einer unsichtbaren Macht. Er verwandelt sich im Verlauf der Geschichte mehrmals, am überraschendsten am Schluss, wo er, wie es scheint, im Zustand der Ekstase in den Tod geht.

Cathy sagt als junges Mädchen zu Nelly Dean: „Ich bin Heathcliff“. Zwischen ihr und Heathcliff, so glauben beide, besteht eine unzerstörbare Einheit, und in dieser Einheit liegt vielleicht der Schlüssel zum Verständnis des Romans. Diese Beziehung wird nicht als eine sexuelle dargestellt, sie ist erwachsen aus der Seelenverwandtschaft der wilden Kinder im gemeinsamen Erleben der ungebändigten Natur von Wuthering Heights, dem gemeinsamen Kampf gegen die Unterdrückung durch Hindley und der Verachtung der verfeinerten Lebensform auf Thrushcross Grange. Durch ihre Heirat mit Edgar und die abfälligen Worte über Heathcliff hat Cathy Verrat begangen und dieses Band zerrissen, damit gleichsam ein ewiges Naturgesetz verletzt.

Die schreckliche Rache Heathcliffs an den Familien Earnshaw und Linton nach dem Tode Cathys ist deshalb nicht einfach die persönliche Rache eines Gekränkten, sondern ein Unheil, das durch die Verletzung der natürlichen Ordnung entsteht. Heathcliff erscheint zum Ende immer mehr als der Gehetzte und Gejagte, die verstorbene Cathy bestimmt als für ihn spürbare, jedoch unsichtbare Geistererscheinung sein Handeln mit. So erzählt er Nelly Dean (Kap. 29), dass diese Erscheinungen nicht seiner Phantasie entspringen, sondern – im Sinne der fiktiven Realität des Romans – „real“ sind. Bezeugt werden die Erlebnisse durch den Rationalisten Lockwood (Kap. 3).
Dass Cathys Geist einem Fremden erschien, der sie sogar sehen konnte, erschüttert Heathcliffs bislang unbeugsamen Geist und bricht seinen Rachewillen.
Das Eindringen der Verstorbenen in die Welt der Lebenden ist sowohl ein Motiv des im England des frühen 19. Jahrhunderts beliebten Schauerromans (the Gothic novel), als auch ein typisches Element der Dramen Shakespeares. Zugleich weisen die mystischen Elemente in diesem Werk voraus auf den Magischen Realismus des 20. Jahrhunderts.

Die Wandlung Heathcliffs vor seinem Tode passt zu dieser Deutung. Die Liebe zwischen Hareton und der jungen Catherine erinnert Heathcliff und den Leser an seine Beziehung zu Cathy: sie lässt die harmonische Einheit, die durch den Verrat Cathys zerstört worden war, erneut aufleben und besänftigt gewissermaßen die Rachegeister. Möglich ist die Interpretation, dass es so auch zu einer Versöhnung mit dem Geist der verstorbenen Cathy kommt. Das offene Fenster an seinem Bett und Heathcliffs triumphierender, glückseliger Gesichtsausdruck im Tod weisen darauf hin, dass er schließlich Cathys Geist erblickte, als sie seine Seele ins Jenseits holte. Zusammen mit Edgar findet Heathcliff seine letzte Ruhestätte im Grab neben Cathy. Die Toten, sagt Nelly Dean im Roman, sind zur Ruhe gekommen.

Ergänzende Interpretationsansätze

Moderne Interpretationen ergänzen diese naturmystische Lesart durch psychologische Ausdeutung der inneren Konflikte und Entwicklungen der Charaktere.
Vor allem Heathcliff wird so nicht als eine bloße Verkörperung der Naturgewalten gesehen, sondern auch als ein durch sein Schicksal traumatisierter und seine seelische Veranlagung geprägter Mensch, der seine psychischen Defizite in asozialem Verhalten auslebt, weil ihm sein verschlossener, harter Charakter nicht erlaubt, seine Wunden zu zeigen und in zwischenmenschlichen Kontakten Hilfe zu finden.
So erscheint Heathcliff als noch verletzlicher Junge am menschlichsten: in einer Szene klagt er Nelly Dean seinen Kummer, nur ein armes, schmuddeliges Findelkind zu sein; in einer anderen gesteht er Nelly, nicht essen zu können, weil ihm von Hindleys brutalen Schlägen vor Schmerzen übel ist.
Als Erwachsener hat Heathcliff scheinbar diese menschliche Seite abgelegt. Er zeigt mitunter animalische Verhaltensmuster: er knurrt, tobt und brüllt vor Wut, fletscht sogar die Zähne. Nelly beschreibt den Unterschied zwischen Edgars und Heathcliffs Trauer um die tote Cathy auch als Unterschied zwischen einem gesitteten und einem verwilderten Menschen: während Edgar sich in sein Haus zurückzieht und den Verlust still verarbeitet, schlägt Heathcliff draußen im Garten seinen Kopf gegen einen Baum und heult vor Verzweiflung und Schmerz „wie ein verwundetes Tier“.
Zugleich ist Heathcliffs unzivilisierter und amoralischer Geist auch seine enigmatische Stärke: er nutzt seine körperliche Überlegenheit und seine Willenskraft aus, sich im Zuge der Rache zumindest sadistische Befriedigung zu verschaffen, wenn schon seine manische Liebe zu Cathy nicht befriedigt wurde.
Heathcliff muss jedoch damit nicht wie in der viktorianischen Kritik als Dämon oder Teufel gesehen werden, er ist zunächst ein egozentrischer, seelisch kranker Mensch, dem jegliche Einsicht in die Gefühlswelt anderer, selbst seiner geliebten Cathy, fehlt.

Weitere Interpretation sieht zudem eine Ähnlichkeit zwischen Heathcliff und Shakespeares Charakter Macbeth: beide Männer entwickeln sich im Laufe der Handlung zu scheinbar unmenschlich grausamen Menschenschindern, beide hängen in manischer Liebe an einer idealisierten Frau, der sie geradezu hörig sind, beide werden wiederholt durch rätselhafte Visionen geplagt und können schließlich nicht mehr schlafen, beide erfahren am Ende ihres Lebens eine ekstatische Erlösung.

Historischer Hintergrund

Das Geschehen im zweiten Teil des Romans wird verständlicher, wenn man den rechtsgeschichtlichen Hintergrund hinzuzieht, der Heathcliffs Wirken ermöglicht. Im 19. Jahrhundert herrschte in Großbritannien ein ausschließlich männliches Erb- und Eigentumsrecht, welches nur in Ausnahmefällen durch besondere Vertrags- oder Testamentsregelungen ausgesetzt werden konnte. Im Todesfall ging sämtliches Eigentum grundsätzlich an den nächsten männlichen Verwandten über, in der Regel an den ältesten Sohn. War dieser noch minderjährig, konnte die Mutter bis zur Volljährigkeit das Besitzrecht bekommen. Hatte ein Erblasser nur Töchter, ging das Erbe nicht an die Töchter, sondern an einen Neffen oder sogar an einen weiter entfernten männlichen Erben. Häufig hinterließ der Verstorbene deshalb im Testament bindende Verfügungen, sodass die Annahme des Erbes mit jährlichen Rentenzahlungen an die Töchter und die Ehefrau verbunden war.

Falls eine Frau in Ausnahmefällen über Eigentum verfügte, ging dieses in der Regel bei Heirat an den Ehemann über.

Dementsprechend wird im Roman dargestellt, wie sich Heathcliff durch Heirat (erst er selbst mit Isabella, dann sein Sohn mit Catherine) in die Verwandtschaft und damit Erbfolge der Lintons einbringt.

Deutsche Ausgaben (Auswahl)

Der Roman Wuthering Heights wurde mehrfach, zum ersten Mal von einem unbekannten Übersetzer 1851 unter dem Titel Wutheringhöhe, ins Deutsche übertragen. Weitere deutsche Übersetzungen stammen von:

  • Gisela Etzel (1908 Der Sturmheidhof, auch Sturmhöhe),
  • Grete Rambach (1938 Die Sturmhöhe),
  • Gladys von Sondheimer (1947 Stürmische Hügel, auch Sturmhöhe),
  • Alfred Wolfenstein (1950, Umwitterte Höhen),
  • Martha Fabian (1951 Catherine Linton: Liebe und Hass auf Wuthering Heights),
  • Karl Gassen (Sturmumwetterte Höhen),
  • J. B. Schiff (Stürmische Höhen),
  • Michaela Meßner (Sturmhöhe),
  • Johannes F. A. Boeckel (Sturmhöhe),
  • Siegfried Lang (Sturmhöhe),
  • Ingrid Rein (Sturmhöhe).
Top Withens bei Stanbury, Gemeinde Haworth

Reale Vorlagen

  • Das Dorf Gimmerton, in dessen Umgebung der Roman spielt, basiert auf der kleinen Ortschaft Stanbury bei Haworth, West Yorkshire, hier finden sich die von Biographen angenommenen geographischen Vorbilder für Thrushcross Grange, das Gut Ponden Hall, und Wuthering Heights, Top Withens, der höchste Hügel der Umgebung mit einem heute zerstörten Farmhaus.
  • Die Landschaftspunkte Peniston Hill und Peniston Crag aus dem Roman existieren tatsächlich und liegen zwischen Haworth und Stanbury.
  • Die Felsformation mit der Feenhöhle, die Catherine mit Nelly besuchen möchte, ist der ausgehöhlte Felsvorsprung Ponden Kirk bei Stanbury.
  • Eine Inspiration für den erwachsenen Heathcliff war Jack Sharp, dessen Geschichte Emily während ihrer Anstellung als Lehrerin in Law Hill erfuhr. Sharp war der Adoptivsohn einer wohlhabenden Wollmacherfamilie, dem es durch Intrigen gelang, das Familienerbe an sich zu bringen und der Erbauer von Law Hill, das ähnlich wie Wuthering Heights auf einem Hügel steht.[1]

Kunst und Musik (Auswahl)

Illustrationen

Der Roman wurde mehrfach von verschiedenen Künstlern illustriert. Die bekanntesten Illustrationsreihen:

  • 1924 Der britische Maler Percy Tarrant (1881 – 1930) fertigt für den Verlag George G. Harrap 16 farbige „Einschaltbilder“ an.
  • 1931 Die Künstlerin Clare Leighton (1899 – 1989) erstellt eine Reihe von Holzschnitten zum Roman.
  • 1935 werden die Illustrationen des Malers Balthus veröffentlicht, die 1932–1935 entstanden.
  • 1943 entsteht eine weitere Reihe von Holzschnitten, diesmal durch den deutsch-amerikanischen Künstler Fritz Eichenberg (1901 – 1990) im Auftrag des US-amerikanischen Verlags Random House.

Musik

  • Bernard Herrmann komponierte zwischen 1943 und 1951 die Oper Wuthering Heights.
  • Carlisle Floyd schrieb eine gleichnamige Oper 1958.
  • Das 1977 erschienene Album Wind And Wuthering der damals noch dem Progressive Rock verschriebenen Band Genesis wurde in Musik und Cover-Gestaltung von dem Roman inspiriert. Ein zweiteiliger Instrumentalsong des Albums ist nach den letzten Worten des englischen Originaltexts benannt: "Unquiet Slumbers For The Sleepers...In That Quiet Earth".
  • Die britische Musikerin Kate Bush vertonte 1978 auf ihrem Debütalbum The Kick Inside die Geschichte von Cathy und Heathcliff und landete mit Wuthering Heights einen weltweiten Hit, von dem heute zahlreiche Coverversionen existieren; die neueste Coverversion stammt von der neuseeländischen Sängerin Hayley Westenra.
  • Der Titelsong des Zodiac Mindwarp-Albums One More Knife (1994) bezieht sich ebenfalls auf den Roman, Heathcliff wird namentlich erwähnt. Im Booklet der CD findet sich eine Widmung an Emily Brontë.
  • Der Komponist Jim Steinman ließ sich, eigenen Angaben nach, von dem Buch zu seinem Hit „Its all coming back to me now“ inspirieren. Der Song wurde unter anderem von Céline Dion und Meat Loaf interpretiert.
  • Cliff Richard brachte 1995 ein Album mit dem Titel „Songs from Heathcliff“ heraus. Die Songs waren die Grundlage für sein Musical „Heathcliff“ (Uraufführung 1996 im Hammersmith Apollo), das auf der ersten Hälfte des Romans basiert.

Verfilmungen

    • Anmerkung: Die meisten der Verfilmungen beschränken sich auf die erste Hälfte des Romans bis zu Cathy Earnshaws Tod. Die Verfilmungen von 1920, 1978, 1992, 1998 und 2009 umfassen die gesamte Romanhandlung, wobei die BBC-Mini-Serie von 1978 besonders werkgetreu produziert wurde.

Adaptionen

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Inspirations for Wuthering Heights Reale Romanhintergründe (eng.)

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