Strömungsgetriebe

Strömungsgetriebe
Hydrodynamische Getriebekomponente (halblinks) als Teil eines Arbeitsmaschinenantriebsstrangs für eine Baumaschine

Strömungsgetriebe sind hydraulische Getriebe, die zur gestuften oder stufenlosen Drehzahl-Drehmomentenwandlung eingesetzt werden.

Hydrodynamische hydraulische Getriebe arbeiten mit niedrigem Druck und hoher Ölmenge und erlauben eine kompakte Bauform. Hydrostatische hydraulische Getriebe arbeiten mit sehr hohen Öldrücken und niedriger Ölmenge und erlauben eine räumliche Trennung von Eingang und Ausgang.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Um die Jahrhundertwende stand man im Schiffsbau vor dem Problem, bei hohen Leistungen die Drehzahl der Dampfturbine auf eine günstige Drehzahl der Schiffsschraube zu untersetzen. Eine Kreiselpumpe saugte aus einem Reservoir Flüssigkeit an, beschleunigte sie und gab sie über ein Rohrsystem an die Turbine weiter. In der Turbine wurde die Strömungsenergie der Flüssigkeit in mechanische Drehbewegung umgesetzt. Die aus der Turbine austretende Flüssigkeit floss wieder in das Reservoir zurück. Die getrennte Anordnung von Pumpe und Turbine brachte sehr lange Förderwege und damit verbunden beträchtliche Verluste durch Reibung der Flüssigkeit an den Rohrwänden, Eigenreibung der Flüssigkeit sowie Ein- und Austrittsverluste mit sich. Durch Zusammenfassen aller Komponenten konnte der Großteil dieser Verluste vermieden werden.

Hydrostatische Getriebe

Als hydrostatische Getriebe bezeichnet man in der Technik die Verbindung einer Hydraulikpumpe mit einem oder mehreren Hydraulikmotoren. Solche Getriebe können einen bis zu mehrere Meter großen Abstand zwischen Pumpen- und Motorteil haben, weil durch die auftretenden hohen Drücke kein Strömungsabriss (wie beim hydrodynamischen Getriebe) erfolgen kann. Durch stufenloses Ändern des Ölflusses zwischen Hydraulikpumpe und Hydraulikmotor, z.B. durch Förder- bzw. Schluckvolumenänderung, lässt sich die Übersetzung stufenlos einstellen.

Bei hydrostatischen Getrieben sind der Pumpen- und Motoranteil meist bis auf Kleinigkeiten gleich aufgebaut: Axial zur Antriebswelle der Pumpe ist das Pumpengehäuse angeordnet. Im Inneren befindet sich ein Ring mit kreisförmig angeordneten Zylinderbohrungen, in die in gleicher Anordnung Fingerkolben eingesetzt sind. Diese Kolben sind axial mit einer sich mit dem Gehäuse mitdrehenden Gleitscheibe verbunden, wobei sich bei verstellbaren Maschinen der Winkel der Scheibe im Verhältnis zum Ring mit den Kolben (Schrägscheibenmaschine) oder der Winkel des Ringes im Verhältnis zur Scheibe (Schrägachsenmaschine) verändern lässt. Allgemein werden solche Maschinen als Fingerkolbenpumpe bzw. -motor (auch Axialkolbenpumpe/-motor) bezeichnet.

Solange der Winkel zwischen Scheibe und dem Ring mit den Kolben 0° beträgt, findet keine Förderung statt. Knickt man die Kolbenseite oder die Scheibe (je nach Bauart) zur Seite aus, so treten die Kolben während der Drehbewegung ausgelöst durch die Schrägstellung der Scheibe bzw. des Ringes mit den Kolben auf der Knickinnenseite tiefer in das Pumpengehäuse ein und auf der anderen Seite aus. Damit ergibt sich eine Druck- und eine Sogseite, welche durch eine Art Zylinderkopf voneinander getrennt werden. Somit beginnt die Pumpe bei Drehung zu fördern. Die Pumpe ist durch Druckleitungen mit dem ähnlich aufgebauten Hydraulikmotor verbunden, der die hydraulische Energie (Druck, Volumenstrom) wieder in eine mechanische Energie (also eine Drehbewegung) umwandelt. Durch Änderung von Knickwinkel und Knickrichtung an der Pumpe können Fördermenge und Förderrichtung und somit Übersetzung und Fahrtrichtung gesteuert werden.

Hydrodynamische Getriebe

Strömungskupplung

Drehmomentwandler (Schnittmodell) Porsche-Museum Stuttgart

Hydrodynamische Getriebe funktionieren nur in enger räumlicher Verbindung von Pumpe und Turbine. Das Pumpenrad sitzt direkt auf der Welle und wird von der Turbine umschlossen. Die Pumpe saugt das Öl an der Welle an und wirft es nach außen direkt in die Turbinenschaufeln. Für eine Strömungskupplung sind die Genannten bereits sämtliche erforderlichen Teile. Das Öl wird durch das Pumpenrad angesaugt und nach außen beschleunigt. Der Impuls wird auf das Turbinenrad übertragen, danach prallt das Öl gegen das Gehäuse und läuft wieder nach innen zum Pumpenrad oder in den Ölsumpf.

Die Strömungskupplung führt keine Drehmomentenwandlung durch, sie kuppelt nur. Es tritt ein Schlupf von bis zu zehn Prozent auf, der energetisch in Wärme umgewandelt wird.

Drehmomentwandler

Hauptartikel: Drehmomentwandler

Um eine Drehmomentenwandlung zu erreichen, wird in das Gehäuse ein Leitapparat integriert. Er besteht im Wesentlichen aus Rippen zum Auffangen des aus der Turbine austretenden Öls. Das Öl aus der Turbine besitzt eine radiale Bewegungskomponente durch die Massenträgheit und eine tangentiale Bewegungskomponente durch die Drehzahl der Turbine. Der Leitapparat lenkt die tangentiale Komponente um und beschleunigt das Öl in Richtung Pumpe. Das Öl tritt mit einer Restbewegungsenergie wieder in die Pumpe ein. Mit dieser Anordnung kann eine Drehzahl-Drehmomentenwandlung bis maximal 1:5 erreicht werden. Der Wirkungsgrad fällt mit ab- bzw. zunehmendem Drehzahlverhältnis stark ab, weswegen in Fahrzeuggetrieben meistens Wandlerüberbrückungskupplungen eingesetzt werden, die den Schlupf ausschalten und so den Wirkungsgrad stark verbessern.

Anwendungen

Straßenfahrzeuge

Strömungsgetriebe werden bei Straßenfahrzeugen vor allem im Bereich der automatischen Getriebe und im Nutzfahrzeugbereich eingesetzt.

Hydrostatische Kraftübertragungen

Hydrostatische Kraftübertragungen werden vor allem für Hilfsantriebe mit kleiner Leistung oder als Fahrantriebe bei Baumaschinen (z.B. Bagger), Flurförderzeugen und Landmaschinen (z.B. Mähdrescher) verwendet. Pumpe und Hydraulikmotoren können hier getrennt an günstiger Stelle angeordnet werden. Ein Nachteil ist der schlechte Wirkungsgrad, weshalb sie bei modernen Traktoren kaum verbreitet sind. Ausnahmen sind Leistungsverzweigte Getriebe, bei denen nur ein Teil der Antriebsleistung hydrostatisch übertragen wird.

Hydrodynamische Kraftübertragungen

Hydrodynamische Kraftübertragungen sind bei Automatikgetrieben anzutreffen, und ersetzen dort die Kupplung (Strömungskupplung) oder das gesamte Getriebe (Drehmomentwandler). Es gibt auch Mischbauformen zwischen mechanischer und hydrodynamischer Getriebebauart, wie z.B. das Differenzialwandlergetriebe (DIWA) des Herstellers Voith, bei dem die Motorleistung gleichzeitig zum Teil mechanisch und zum Teil hydrodynamisch übertragen wird, wobei der Anteil der beiden Übertragungsarten mit der Drehzahl variiert. (Beim Anfahren hoher Anteil der hydrodynamischen Übertragung, mit steigender Leistung steigender Anteil der mechanischen Kraftübertragung).

Retarder

Bei Omnibussen und anderen schweren Nutzfahrzeugen wird häufig ein Retarder als nahezu verschleißfreie Bremse eingebaut, um den Verschleiß der Reibungsbremsen zu vermindern und die Sicherheit durch ein zweites, unabhängiges Bremssystem zu erhöhen. Ein Retarder ist eine Sonderbauform der Strömungskupplung, bei der das Turbinenrad feststehend ist. Die gesamte Bewegungsenergie des Pumpenrades wird in Wärme umgewandelt und an das Hydraulikmedium (bei Fahrzeugen meist Öl) abgegeben, welches gekühlt werden muss.

Schienenfahrzeuge

Antrieb

Hydrodynamische Kraftübertragung ist bei leistungsstarken Diesellokomotiven neben der dieselelektrischen Kraftübertragung eine von zwei möglichen Kraftübertragungsmethoden, da rein mechanische (Schalt-) Getriebe für die Übertragung so hoher Antriebsleistungen nicht verfügbar sind. Die hydrodynamische Kraftübertragung bietet gegenüber der dieselelektrischen Variante den Vorteil einer Gewichtsersparnis, der durch ein geringeres Beschleunigungsvermögen erkauft wird. Ein Beispiel für eine Lokomotive mit hydraulischer Kraftübertragung ist die Baureihe 218 der Deutschen Bahn AG.

Bremse

Im Bereich der Schienenfahrzeugtechnik ist für den Retarder die Bezeichnung hydrodynamische Bremse (auch H-Bremse) gebräuchlich. Die Funktionsweise entspricht dem auch in Straßenfahrzeugen eingesetzten Retarder, die Bauteile müssen aber entsprechend leistungsfähiger ausgeführt sein, um die benötigten Bremskräfte aufbringen zu können; bei der Konstruktion der Kühlanlangen von mit einer hydrodynamischen Bremse ausgerüsteten Triebfahrzeugen muss die große abzuführende Wärmemenge berücksichtigt werden. Bekannte Fahrzeuge mit hydrodynamischer Bremse sind z.B. die Lokomotiven der Baureihe 218 oder die Triebwagen der Baureihe 612 der Deutschen Bahn AG.

Industrie

In der Industrie werden Strömungskupplungen als Anfahrhilfe, als Regelkupplung zur stufenlosen Drehzahlregelung und als Bremse (Retarder) eingesetzt. Als Betriebsmedium kommt meistens Mineralöl oder Wasser zum Einsatz.

Antrieb

Zum sanften Beschleunigen großer Massen wie etwa Brechwerke werden Turbokupplungen mit konstanter Füllung eingesetzt. Durch die sich langsam aufbauende Kreislaufströmung zwischen Pumpen- und Turbinenrad infolge des sich beschleunigenden Betriebsmittels nach dem Starten der Antriebsmaschine wird dieselbe sanft auf Nenndrehzahl beschleunigt. Es besteht jedoch immer ein Schlupf zwischen Antriebs- und Arbeitsmaschine. Wird eine stufenlose Drehzahlverstellung während des Betriebs gewünscht, kommt eine Turbokupplung mit variabler Füllmenge (Turboregelkupplung) zum Einsatz. Hier kann die Kupplungsfüllung zum Beispiel durch ein Schöpfrohr verändert und damit die Drehmomentübertragung bzw. die Drehzahl gesteuert werden. Für schnelllaufende Arbeitsmaschinen wie Verdichter oder Speisewasserpumpen werden Getrieberegelkupplungen, Turbokupplungen mit vor- oder nachgeschaltetem Getriebe im gleichen Gehäuse, verwendet. Mit Getrieberegelkupplungen ist eine stufenlose Drehzahlregelung an Antriebsmaschinen mit einer Leistung bis zu 50 MW möglich.

Bremse

Industrie-Retarder mit variabler Füllmenge werden zum Beispiel als Prüfstandbremsen eingesetzt.

Siehe auch

Literatur

Roloff/Matek Maschinenelemente ISBN 978-3-8348-0689-5

Weblinks


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