Streisand-Effekt

Streisand-Effekt

Als Streisand-Effekt wird bezeichnet, wenn durch den Versuch, eine Information zu unterdrücken, genau das Gegenteil erreicht wird, nämlich die Information besonders bekannt gemacht wird. Seinen Namen verdankt der Effekt Barbra Streisand, die den Fotografen Kenneth Adelman und die Website Pictopia.com 2003 erfolglos auf 50 Millionen US-Dollar verklagte, weil eine Luftaufnahme ihres Hauses zwischen 12.000 anderen Fotos von der Küste Kaliforniens auf besagter Website zu finden war. Damit stellte sie aber erst die Verbindung zwischen sich und dem abgebildeten Gebäude her, woraufhin sich das Foto nach dem Schneeballprinzip im Internet verbreitete. Adelman behauptete, er habe das Anwesen am Strand fotografiert, um Küstenerosionen für das California Coastal Records Project zu dokumentieren. Der Journalist Paul Rogers bemerkte später, dass das Bild von Streisands Haus im Internet sehr beliebt war.

Inhaltsverzeichnis

Motivation

Grund für das Entfernen von Informationen kann eine angenommene Verletzung von Persönlichkeitsrechten sein. Beispielsweise wird dabei der Zugriff auf ein Foto, eine Datei oder auch auf eine vollständige Website beziehungsweise dessen Bereitstellung durch vorläufigen Rechtsschutz untersagt. Anstatt dass die Information unterdrückt wird, breitet sie sich oft durch so genannte Spiegelungen im Internet oder Verbreitung in Filesharing-Netzen aus.[1][2] Der Effekt ist verwandt mit der Beobachtung John Gilmores, dass „das Internet die Unterdrückung von Inhalten als Störung interpretiert und eine Ausweich-Route benutzt“[3], und vergleichbar mit einem regenerativen Organismus. Der Effekt entsteht aber nicht automatisch, sondern ist eine gezielte und bewusste Handlung vieler Individuen, aus Neugier oder Überzeugung, etwa zur aktiven Bekämpfung von Zensur.

Gegen negative Firmenmeldungen im Internet bieten Dienstleister mittlerweile an, Hinweise über nachteilige Aussagen frühzeitig an Firmen weiterzugeben, um so die unkontrollierte Verbreitung zu verhindern.[4]

Beispiele

Weltweites Internet

Internet-Nutzer verbreiteten dieses Bild als Free Speech Flag (Flagge der Freien Rede) in Blogs, als Avatare in Foren und auf privaten Websites. Die RGB-Kodierung der fünf Farben repräsentiert jeweils drei Bytes des HD-DVD-Schlüssels, das sechzehnte Byte sind die Zeichen „C0“ (Hexadezimal) in der unteren rechten Ecke.[5]
  • Der Versuch, den geheimen HD-DVD-Schlüssel von Digg und anderen Webseiten zu verbannen, schlug fehl. Anstatt der Löschung wurde durch massive Proteste erreicht, dass der Code auf einer riesigen Zahl von Webseiten verbreitet und in Liedern, Bildern, Gedichten und vielen weiteren Medien codiert wurde.[6]
  • Nachdem der thailändische König Bhumibol Adulyadej in einem Video auf YouTube beleidigt wurde, sperrte die thailändische Regierung aufgrund von Majestätsbeleidigung den Zugriff auf die Seite. Das führte aber nur dazu, dass weitere, teilweise beleidigendere Videos entstanden und das Thema eine große Aufmerksamkeit erreichte.[7]
  • Scientologys Versuch, ein Video von Tom Cruise über Scientology aus dem Internet zu verbannen, führte zur Bildung der Protest-Bewegung Projekt Chanology, die seit Februar 2008 monatlich noch bis heute andauernde reale Demonstrationen ausführen.[8]
  • Im Februar 2008 versuchte die Schweizer Bank Julius Bär die Veröffentlichung interner, von ihr als Fälschung bezeichneter Dokumente auf der Whistleblower-Webseite WikiLeaks gerichtlich entfernen zu lassen. Das führte zunächst zu einer Dekonnektierung der Domain von WikiLeaks per gerichtlicher einstweiliger Verfügung. Jedoch wurden die Dokumente durch weltweite Spiegelungen und andere Webseiten weiter verbreitet. Die Veröffentlichung des Vorgangs in den Medien sorgte für internationale Aufmerksamkeit und die Unterstützung von WikiLeaks durch Bürgerrechtsorganisationen. Die Aufhebung der Verfügung im weiteren Verlauf wurde auch mit ihrer Erfolglosigkeit begründet.[9]

Deutschsprachiges Internet

  • Die Eltern des verstorbenen Hackers Tron versuchten gerichtlich die Nennung seines Klarnamens bei der Wikipedia zu verbieten, scheiterten aber letztendlich vor Gericht. Durch eine einstweilige Verfügung wurde die Weiterleitung von Wikipedia.de auf de.wikipedia.org unterbunden, was ein großes Medienecho hervorrief.[10]
  • Der deutsche Comedian, der die Figur Atze Schröder spielt, ließ die Veröffentlichung seines bürgerlichen Namens im Weser-Kurier vom 20. Dezember 2006 per Urteil durch das Landgericht Berlin untersagen.[11] Zuvor hatte der Klarname nur wenige interessiert, nach Bekanntwerden der Klage gingen das Pseudonym und der bürgerliche Name durch zahlreiche Blogs. Bis 2007 war das Pseudonym Atze Schröder auch als Marke auf den bürgerlichen Namen des Comedians eingetragen.
  • Am 13. November 2008 erreichte der Linkspartei-Politiker Lutz Heilmann durch eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Lübeck, dass die automatische Weiterleitung von wikipedia.de auf die weiterhin erreichbare Internet-Adresse de.wikipedia.org aufgrund von dort zeitweise aufgestellten Tatsachenbehauptungen abgeschaltet werden musste. Heilmann begründete diesen Schritt damit, dass Wikimedia Deutschland ihm keine Gegendarstellung gegen diese Behauptungen ermöglicht habe.[12] Erst durch diese einstweilige Verfügung kam der Artikel mit den umstrittenen Informationen zu einer erhöhten Aufmerksamkeit,[13] verschiedene Medien berichteten über die Hintergründe.[14]
  • Am 3. Februar 2009 erreichte den Blogger Markus Beckedahl, Betreiber der Seite Netzpolitik.org, eine Abmahnung bezüglich der Veröffentlichung eines internen Memos zur Mitarbeiter-Rasterfahndung der Deutschen Bahn.[15] Durch Bekanntwerden der Abmahnung erhielt das veröffentlichte Memo erhöhte Aufmerksamkeit und tauchte kurz darauf in P2P-Netzwerken und auf wikileaks.org[16] auf. Auch klassische Medien berichteten seitdem über den Fall und verbreiteten das Memo weiter.[17]
  • Am 17. August 2010 untersagte die Stadt Duisburg mit einer einstweiligen Verfügung dem Duisburger Lokalblog „xtranews”[18] die Veröffentlichung von angeblich städtischen Unterlagen. Die Unterlagen gaben Hinweise über die Ratsbeschlüsse zur Loveparade 2010 und enthielten Pläne, Präsentationen, Polizeiberichte oder Zeugenaussagen und weitere Details zur Veranstaltung und deren Planung. Die Begründung der Klage war das Urheberrecht, wobei noch zu klären ist, ob die Stadt Duisburg überhaupt die Urheberrechte an diesen Dokumenten hat. Binnen weniger Stunden haben User aus Protest gegen diese Klage die Dokumente auf verschiedenen Servern weltweit abgelegt. Maßgeblich war der Nachrichtendienst Twitter als Übertragungsmedium.[19] Der Oberbürgermeister Adolf Sauerland, der eigentlich selbst für die Aufklärung des Loveparade-Unglücks eine lückenlose Berichterstattung forderte, ist mit seiner Klage so noch weiter in den Fokus der Öffentlichkeit gelangt.[20]

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Canton, David. „TODAY’S BUSINESS LAW: Attempt to suppress can backfire“, London Free Press, 5. November 2005. Zugriff am 21. Juli 2007. The „Streisand effect is what happens when someone tries to suppress something and the opposite occurs. The act of suppressing it raises the profile, making it much more well known than it ever would have been.“
  2. Mugrabi, Sunshine. „YouTube–Censored? Offending Paula Abdul clips are abruptly taken down.“, Red Herring, 22. Januar 2007. Zugriff am 21 Juli 2007. „Another unintended consequence of this move could be that it extends the kerfuffle over Ms. Abdul’s behavior rather than quelling it. Mr. Nguyen called this the “Barbra Streisand effect,” referring to that actress’s insistence that paparazzi photos of her mansion not be used.“
  3. “The Net interprets censorship as damage and routes around it.” Zitiert nach: Philip Elmer-Dewitt: First Nation in Cyberspace“. Time International, 6. Dezember 1993, No. 49.
  4. Stefan Schultz: Kommunikationsstratege Martin Grothe. Krisen-Navigator fürs Web der Gerüchte. Spiegel online, 13. September 2009, abgerufen am 3. August 2010.
  5. John Marcotte (1. Mai 2007): Free Speech Flag. Badmouth.net. Abgerufen am 3. Mai 2007.
  6. http://en.wikipedia.org/wiki/AACS_encryption_key_controversy#Impact
  7. „NETZWELT-TICKER – Thailand blockiert Youtube“ http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,475887,00.html
  8. Internet-Bewegung gegen Scientology geht auf die Straße
  9. heise online „WikiLeaks erhält Domain zurück.“
  10. http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,394374,00.html
  11. Pressemitteilung 14/2007 des Kammergerichts zum Urteil des Landgerichts Berlin vom 14. März 2007 (Az. 27 O 72/07, Az. 10 U 92/07).
  12. Keine weiteren juristischen Schritte gegen Wikipedia. In: Pressemitteilung Die Linke. 16. November 2008, abgerufen am 17. November 2008.
  13. Wikipedia Artikelstatistik: Lutz Heilmann. Abgerufen am 18. November 2008.
  14. Wikipedia-Sperrung: Lutz Heilmann und der „Streisand-Effekt“. In: Focus. 17. November 2008, abgerufen am 18. November 2008.
  15. Abmahnung an Netzpolitik.org. Abgerufen am 3. Februar 2009.
  16. Bahnmemo bei wikileaks.org. Abgerufen am 3. Februar 2009.
  17. Spiegel: Blogger-David trotzt Bahn-Goliath. Abgerufen am 4. Februar 2009.
  18. Sauerlands Streisand-Effekt auf on3radio, Abgerufen am 18. August 2010
  19. Simone Wagner: Der Bürgermeister und der Streisand-Effekt, Medienpräsenzanalyse bei politreport.de, 19. August 2010. (Aktuell nicht erreichbar)
  20. "Wenn die Zensur reichlich alt aussieht" - Online-Artikel der FAZ von Constanze Kurz vom 20. August 2010

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