Straßenbahn Kaliningrad

Straßenbahn Kaliningrad
Eine Straßenbahn vor dem Kaliningrader Stadtverwaltungshaus, April 2007

Die Straßenbahn in Kaliningrad, dem früheren Königsberg, ist die am westlichsten gelegene Straßenbahn Russlands und die einzige Straßenbahn in der Oblast Kaliningrad, dem Nordteil des früheren Ostpreußen. Es handelt sich um die älteste elektrische Straßenbahn auf dem heutigen Territorium Russlands (die Bahn besteht seit 1895). Die Straßenbahn in Kaliningrad ist neben der in Pjatigorsk die einzige in Russland in Meterspur.

Über Jahrzehnte in der deutschen und russischen Geschichte der Stadt war die Straßenbahn ein wichtiger Bestandteil des städtischen Nahverkehrs, doch in den letzten Jahren verliert sie an Bedeutung, da die Stadtverwaltung Kaliningrad Linientaxis bevorzugen will und bestrebt ist, Linien stillzulegen, um diese durch Trolleybusse zu ersetzen.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Vorgänger der elektrischen Straßenbahn in Königsberg war eine Pferdebahn, deren erste Linie 1881 eröffnet wurde. Die Pferdebahn entwickelte sich schnell, ihr Netz wurde bald erweitert. Dieses wurde von mehreren Aktiengesellschaften erbaut und betrieben. 1895 gab es in Königsberg bereits fünf Pferdebahn-Linien:

  • Vorstadt — Steindammer Tor;
  • Kronenstraße — Hintertragheim (heutzutage Prospekt Kalinina — ul. Sergeewa)
  • Königstor — Ostbahnhof (heutzutage ul. Gagarina — ul. Polotskaja);
  • Steindammer Tor — Hinterrossgarten (heutzutage Platz des Sieges — ul. Klinitscheskaja);
  • Poststraße — Julchental (heutzutage ul. Schewtschenko — Zentraler Kultur- und Erholungspark)

Die Eröffnung der elektrischen Straßenbahn in Königsberg fand am 31. Mai 1895 statt. Ihre erste Linie ging vom Pillauer Bahnhof (schon zu deutscher Zeit abgerissen, befand sich an der Liezentgrabenstr. / ul. Mariupolskaja) bis zum damaligen Neuen Markt (am heutigen Moskowskij Prospekt in Höhe der bislang nicht fertiggestellten neuen Pregelbrücke).

Zunächst entwickelte sich auch nach Eröffnung der elektrischen Straßenbahn das Pferdebahnnetz weiter. Noch im Jahr 1900 wurden zwei neue Linien in Betrieb genommen: Ostbahnhof — Kalthof und Stadtzentrum — Hufen.

Doch im Juni 1901 wurde die Pferdebahn eingestellt, mit Ausnahme einiger Linien auf den Hufen. Die Strecken wurden von der Stadtverwaltung aufgekauft. Das letzte Mal fuhren Pferdebahnen am 30. Oktober 1901 über die Straßen Königsbergs. Die Pferdebahn hatte eine Spurweite von 1435 mm, im Verlauf der Elektrifizierung wurde sie auf 1000 mm umgestellt.

1899 gab es in der Stadt schon vier elektrische Straßenbahnlinien, 1902 waren es acht, 1904 elf, und 1937 hatte die Anzahl der Straßenbahnlinien fünfzehn erreicht. Jede Linie hatte eine eigene Erkennungsfarbe. Die Betriebszeit der Straßenbahnen ging von 6.20 Uhr morgens bis 23.30 Uhr abends.

Im Januar 1945 wurde der Straßenbahnverkehr in Königsberg aufgrund der Kriegsereignisse eingestellt. Die Bombenangriffe und der Sturm auf die Stadt hatten der Straßenbahn große Schäden zugefügt: Vier der fünf Depots, sowie ein Großteil des Rollmaterials wurden zerstört.

Doch den neuen sowjetischen Machthabern war an einer schnellen Wiederaufnahme des Straßenbahnbetriebes gelegen. Am 7. November 1946 wurde der Verkehr wieder aufgenommen. Eingesetzt wurden 129 wiederhergestellte Straßenbahnen (zum Vergleich: 1939 waren in Königsberg 251 Straßenbahnen im Einsatz).

Die aus deutscher Zeit stammenden Straßenbahntrassen wurden – mit einigen Modifikationen – im Wesentlichen bis in die jüngste Vergangenheit weiter genutzt, wenn auch die einzelnen Linienführungen verändert wurden.

Lediglich im früheren Stadtzentrum, das während des Zweiten Weltkrieges vollständig zerstört wurde, sind einige Trassen aufgehoben bzw. verlegt worden. Ersatzlos beseitigt wurden die Gleise in der Poststraße, über den früheren Paradeplatz, in der Münz- und Burgstraße, in der Straße Mitteltragheim sowie auf der Ost-West-Verbindung vom Sackheimer Tor über die Altstädtische Langgasse zum Holländerbaum (Straßenzug des heutigen Moskauer Prospekts). Die Straßenbahntrasse vom Rossgärter Tor zur Königstraße (heute ul. Frunse) wurde 1974 von den Straßen Vorder- und Hinterrossgarten in die östlich davon neu geschaffene Straße des 9. April (entspricht in etwa dem Verlauf von Altrossgärter Predigerstr., Kalthöfischer und Jägerhofstraße) verlegt. Zudem erfolgte eine Trassenveränderung auf der Pregelinsel Lomse (heute Oktoberinsel): Hier führen die Gleise heute über den früheren Weidendamm und den ehem. Viehmarkt zum Hauptbahnhof, während diese Verbindung früher über die Kaiserbrücke und die Jahrmarktstraße erfolgte. Weitere Trassenkorrekturen wurden durch die Verschwenkung der Straße Steindamm (heute nördlicher Abschnitt des Lenin-Prospekts) im Bereich des ehem. Schlosses und den Neubau der Hochbrücke über die Insel Kneiphof erforderlich.

Nennenswerte Ausbauten des Straßenbahnnetzes erfolgten nach dem Krieg nur wenige. Als wichtigste sind zu nennen: Die Verbindung der früheren Endhaltestellen Ponarth Ost und Ponarth West (inzwischen wieder stillgelegt), der Anschluss der früheren Schichau- und heutigen Jantar-Werft an das Straßenbahnnetz sowie die Verlängerung der Strecken durch die Cranzer Allee (inzwischen demontiert) und der Herzog-Albrecht-Allee im früheren Stadtteil Maraunenhof.

Gegenwart

Im Unterschied zu anderen Städten Russlands hat die Straßenbahn in Kaliningrad die russische Wirtschaftskrise der 1990er Jahre ohne Verluste überstanden. Es kam zu keiner Streckenstilllegung, und obwohl der Fuhrpark nicht erneuert wurde, fand zumindest eine Generalüberholung des alten Rollmaterials statt. Doch seit Beginn des ersten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts beginnt man, die Straßenbahn in Kaliningrad planmäßig von den Straßen zu entfernen. Gleichzeitig wird aber auf einigen Abschnitten das Schienennetz saniert. Der Generalplan Kaliningrads sieht die Entwicklung der Straßenbahn für die Zukunft vor. So ist die Zukunft der Kaliningrader Straßenbahn mehrdeutig. Mit der Ausdünnung des Liniennetzes wurde 1999 begonnen. Inzwischen (Stand Mai 2009) sind vier der bisherigen Linien komplett eingestellt, und fast alle verbliebenen Linien haben eine neue Fahrtroute erhalten, da Teile ihrer bisherigen Trassen abgebaut wurden.

Demontiert wurden die Straßenbahnschienen von der Alexander-Newski-Straße (ehem. Cranzer Allee, Linie 8), Gorki-Straße (ehem. Samitter Allee, Linien 6 und 10) und der Juri-Gagarin-Str. (ehem. Labiauer Str., bis 2008 von den Linien 4 und 9 befahren). Entfernt wurden zudem die Trassen auf dem nördlichen Teil des Sowjetski-Prospekts und der Marschall-Borsow-Str. (ehem. Stresemannstr. und Schleiermacherstr, Linie 5), zwischen der alten Endhaltestelle im früheren Stadtteil Juditten und Oktjabrskaja (früher Ratshof, Linie 1) sowie die erst nach dem Krieg verlegte Strecke zwischen Ponarth Ost und Ponarth West (Linien 2, 3 und 7). Seit 2010 wurde der Straßenbahnverkehr zwischen dem Südbahnhof, Ponarth und der Jantar-Werft komplett eingestellt. Zudem verkehren keine Straßenbahnen mehr über den Lenin-Prospekt. Häufigster Grund ist eine Erweiterung der vorhandenen Fahrstreifen für den Autoverkehr.

Liniennetz

Stillgelegte Linien (in Klammern die Ortsangaben aus deutscher Zeit):

  • Nr. 3 (stillgelegt 2004): „Jantar“-Werft – Oktjabrskaja (früher: Schichau-Werft – Ratshof)
  • Nr. 4 (stillgelegt 2008): Oktjabrskaja – Orudijnaja (Ratshof – Devau)
  • Nr. 6 (stillgelegt 2006): ul. Bassejnaja – ul. Selenaja (Kunstakademie – Grünhoffer Weg)
  • Nr. 7 (stillgelegt 1999): „Jantar“-Werft – Fleischkombinat (Schichau-Werft – Schlachthof Rosenau)
  • Nr. 8 (stillgelegt 2005/2010): Kino "Rodina" – ul. Telmana (Ponarth Ost – Maraunenhof)
  • Nr. 9 (stillgelegt 2008/2010): „Jantar“-Werft – Orudijnaja (Schichau-Werft – Devau)
  • Nr. 10 (stillgelegt 2000): ul. Selenaja – Südbahnhof (Grünhoffer Weg – Hauptbahnhof)

Linien in Betrieb (in Klammern die Ortsangaben aus deutscher Zeit):

  • Nr. 1: Oktjabrskaja – ul. Telmana (früher: Ratshof – Maraunenhof)
  • Nr. 2: Südbahnhof – ul. Bassejnaja (Hauptbahnhof – Kunstakademie)
  • Nr. 5: ul. Bassejnaja – Fleischkombinat (Hammer Teich – Schlachthof Rosenau)

Fahrzeugpark

Im früheren Königsberg kamen Straßenbahnwagen aus lokaler Produktion zum Einsatz, sie wurden von der ortsansässigen Waggonfabrik Steinfurt geliefert. Die Motoren mit einer Leistung von 60 kW und die elektrische Ausrüstung stammten von der Firma Siemens. Diese Wagen wurden zunächst auch noch nach dem Zweiten Weltkrieg verwendet, wurden aber bald durch Straßenbahnen aus DDR-Produktionen ersetzt. Später wurden in Kaliningrad, wie fast überall im ehem. Ostblock, Straßenbahnen der Firma ČKD Tatra eingesetzt. Auch heute besteht der Fuhrpark ausschließlich aus Fabrikaten dieses tschechoslowakischen Herstellers (KT4SU, KT4D, T4SU, T4D). 1995 wurden zwei schon damals 32 Jahre alte Straßenbahnen aus Mannheim aufgekauft; sie wurden aber nur bis 1999 eingesetzt, da für sie keine Ersatzteile mehr zu erhalten waren.

Die Erneuerung des Fuhrparks der Kaliningrader Straßenbahn wird beeinträchtigt durch die schmale Spurweite der Gleise und die enge Abmessung der Wagenkästen (die maximale Breite der Straßenbahn beträgt 2,20 m, in anderen Städten Russlands 2,50 m). In Russland werden Straßenbahnen für diese Spur und in solchen Abmessungen nicht hergestellt, und die Straßenbahnen anderer europäischer Produzenten sind für Russland zu teuer.

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