Straffreiheitsgesetz

Straffreiheitsgesetz

Bei einem Straffreiheitsgesetz handelt es sich um ein Gesetz, das aus rechtspolitischen oder aus anderen Gründen einen allgemeinen Straferlass für bestimmte Delikte vorsieht. Oftmals wird ein Straffreiheitsgesetz erlassen, wenn gewisse Straftatbestände aufgehoben werden. Es kann eine Amnestie, eine Abolition und die Nichtverfolgung von Straftaten, die bisher noch nicht Gegenstand eines Strafverfahrens waren, umfassen. Das letzte Straffreiheitsgesetz erging in der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1970 mit der Änderung des Demonstrationsstrafrechts. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts hat in der Bundesrepublik der Bund die Gesetzgebungskompetenz zum Erlass von Straffreiheitsgesetzen.[1]

Inhaltsverzeichnis

Straffreiheitsgesetze in Deutschland

Nationalsozialismus

  • Verordnung des Reichspräsidenten über die Gewährung von Straffreiheit vom 21. März 1933 (RGBl. I S. 134)[2]
Es gewährte zum Beispiel den Fememördern aus der Zeit der Weimarer Republik die Straffreiheit und die Rückkehr ins Deutsche Reich. Das Landgericht Offenburg wendete diese Verordnung nach Kriegsende, am 10. September 1946, an und lehnte die Eröffnung der Hauptverhandlung gegen Heinrich Tillessen, den Mörder Erzbergers, ab.
Die Verordnung wurde formalrechtlich aufgehoben durch Art. I. Nr. 6 des Gesetzes Nr. 55 des Alliierten Kontrollrats für Deutschland vom 20. Juni 1947 (ABl. S. 284)[3], da sie im Kontrollratsgesetz Nr. 1 betreffend die Aufhebung von NS-Recht nicht aufgeführt war.

Deutsche Demokratische Republik

  • Gesetz über die Gewährung von Straffreiheit vom 11. November 1949 (GBl. I S. 60)

Bundesrepublik

  • Straffreiheitsgesetz vom 31. Dezember 1949 (BGBl. 1950 S. 37)
Es amnestiert alle vor dem 15. September des Jahres 1949 begangenen Taten, die mit Gefängnis bis zu sechs Monaten beziehungsweise bis zu einem Jahr auf Bewährung bestraft werden können.[4]
  • Straffreiheitsgesetz vom 17. Juli 1954 („Gesetz über den Erlaß von Strafen und Geldbußen und die Niederschlagung von Strafverfahren und Bußgeldverfahren”, BGBl. I S. 203)
Unter Konrad Adenauer für minder NS-belastete
  • Straffreiheitsgesetz vom 9. Juli 1968 (BGBl. I S. 773)[5]

Straffreiheitsgesetz vom 20. Mai 1970 (BGBl. I S. 509)[6]

Unter diese, von der SPD im Wahlkampf versprochene, Amnestie fallen Tausende, die für 'Demonstrationsdelikte' mit bis zu neun Monaten Haft verurteilt worden waren. Parallel erfolgte eine Liberalisierung des Demonstrationsrechtes durch das dritte Strafrechtsreformgesetz. Laut SPIEGEL „wurden rund 5000 Strafverfahren hinfällig, vor allem gegen Apo-Demonstranten und Studenten”, u. a. Günter Amendt, der allerdings die Fortsetzung eines gegen ihn laufenden und aufgrund der Amnestie ausgesetzten Verfahrens beantragte.[7]

Einzelnachweise

  1. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22. April 1953 zum Straffreiheitsgesetz vom 31. Dezember 1949 (BVerfGE 2, 213 - Straffreiheitsgesetz)
  2. Straffreiheitsverordnung vom 21. März 1933
  3. Gesetz Nr. 55
  4. Hierzu Norbert Frei: Vergangenheitspolitik. Die Anfänge der Bundesrepublik und die NS-Vergangenheit, München 1996, S. 29–53, ISBN 3-406-41310-2.
  5. Aufgehoben m. W. v. 15. Dezember 2010 (Art. 50 Nr. 1 G vom 8. Dezember 2010, BGBl. I S. 1864, 1871)
  6. Aufgehoben m. W. v. 15. Dezember 2010 (Art. 50 Nr. 2 G vom 8. Dezember 2010, BGBl. I S. 1864, 1871 f.)
  7. Einer für alle. In: Der Spiegel. Nr. 4, 1971, S. 36 (18. Januar 1971, online).

Weblinks

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