Stille Hilfe

Stille Hilfe

Die Stille Hilfe für Kriegsgefangene und Internierte ist eine 1951 von Helene Elisabeth Prinzessin von Isenburg (1900–1974) gegründete Hilfsorganisation für Kriegsgefangene und Internierte, die vor allem durch ihre Unterstützung von NS-Tätern in die Kritik geriet.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Schon ab 1946 unterstützten Helfer, die später in der „Stillen Hilfe“ auch öffentlich aktiv wurden, die Flucht von gesuchten NS-Tätern über die von den Alliierten als Rattenlinie bezeichnete Fluchtroute vor allem nach Südamerika. So konnten z. B. Adolf Eichmann, Johann von Leers, Walter Rauff und Josef Mengele nach Argentinien entkommen. Dabei arbeiteten die Helfer eng mit der Organisation „Odessa“ (Organisation der ehemaligen SS-Angehörigen), deren Existenz bislang allerdings nicht eindeutig belegt werden konnte, und Bischof Alois Hudal in Rom zusammen. 1949 gründeten Weihbischof Johannes Neuhäusler und Altlandesbischof Theophil Wurm die „Christliche Gefangenenhilfe“.

Gründung

Nachdem die wesentlichen Exponenten des späteren Vereins bereits längst ein aktives Netz gebildet hatten, sollte ein gemeinnütziger Verein gegründet werden, in erster Linie um die Spendenakquise zu erleichtern.

Am 7. Oktober 1951 fand in München die Gründungsversammlung statt und am 15. November 1951 wurde der Verein in das Vereinsregister der oberbayerischen Stadt Wolfratshausen eingetragen. Zur ersten Präsidentin wurde Helene Elisabeth Prinzessin von Isenburg gewählt, die durch ihre guten Kontakte zum Hochadel und zu konservativen großbürgerlichen Kreisen sowie zur Katholischen Kirche zur Integrationsfigur wurde. Dem Gründungsvorstand gehörten darüber hinaus exponierte Kirchenrepräsentanten an wie der evangelische württembergische Altbischof Theophil Wurm und der katholische Münchener Weihbischof Johannes Neuhäusler, aber auch hochrangige frühere Funktionäre des NS-Staats wie der ehemalige SS-Standartenführer und Abteilungsleiter im Reichssicherheitshauptamt (RSHA), Wilhelm Spengler, und SS-Obersturmbannführer Heinrich Malz, der im RSHA persönlicher Referent von Ernst Kaltenbrunner war.

Zielsetzung und Tätigkeit bis Mitte der 50er Jahre

Helene Elisabeth von Isenburg erklärte ihre Zielsetzung so: „Bei Beginn ihres Wirkens nahm sich die ‚Stille Hilfe‘ vor allem der Not der Kriegsgefangenen und der völlig rechtlosen Internierten an. Später galt ihre Fürsorge den im Rahmen der Kriegsfolgeprozesse Angeklagten und Inhaftierten, sei es in den Gefängnissen der Sieger oder in deutschen Justizvollzugsanstalten.“

Von Beginn an wurden die Kriegsverbrecherprozesse und die Folgeprozesse als „Siegerjustiz“ kritisiert, um so die Öffentlichkeit zu mobilisieren und die Angeklagten und Verurteilten vor dem Vollzug der Todesstrafe zu bewahren.

In Pressekampagnen, persönlichen Schreiben, Petitionen, Vorsprachen, offenen Briefen u. v. m. wurden die NS-Verbrecher in der Regel als schuldlose Opfer, reine Befehlsempfänger und untadelige und oftmals auch tief gläubige Menschen dargestellt, die bitteres Unrecht durch die „Siegerjustiz“ erleiden müssten.

Weil sich Helene Elisabeth von Isenburg vor allem für die im alliierten Kriegsverbrechergefängnis Landsberg einsitzenden zum Tode verurteilten NS-Täter einsetzte, wurde sie als „Mutter der Landsberger“ nicht nur tituliert, sondern sie bezeichnete sich auch selbst so, um damit die "Stille Hilfe" in erster Linie als karitativen Verein erscheinen zu lassen.

Die juristische Hilfe für inhaftierte NS-Täter organisierte in der Anfangszeit vor allem der Rechtsanwalt Rudolf Aschenauer (1913-1983), der auch Gnadengesuche und Revisionen formulierte und einreichte. Der Verein zahlte darüber hinaus Urlaubs-, Entlassungs- und Weihnachtsgeld an die Gefangenen und unterstützte auch deren Familien. Dabei beschränkte sich die Tätigkeit der "Stillen Hilfe" nicht nur auf „Humanitäres“, sondern sie verfolgte auch eine vergangenheitsideologische und revisionistische Zielsetzung.

Prinzessin Isenburg gelang es, konservative Kreise einzubeziehen und hochrangige Kirchenvertreter als moralische Autoritäten für sich zu gewinnen: Theophil Wurm und Johannes Neuhäusler (1888–1973). Besonders Neuhäusler, der unter den Nazis nicht nur Gestapohaft erleiden musste, sondern auch im KZ Dachau als Sonderhäftling eingesperrt war, war für die „Stille Hilfe“ von größtem öffentlichkeitswirksamem Wert. Die Motive der Bischöfe lagen wohl weniger in einer bewussten ideologischen Identifikation mit den NS-Tätern, sondern eher im Bemühen um die Aussöhnung mit der Vergangenheit und um den Neuanfang der Nachkriegsgesellschaft in Deutschland. Neuhäusler z. B. erklärte, er wolle „Schlechtes mit Gutem vergelten“.

Die weiteren Verbindungen der Prinzessin Isenburg und des Rechtsanwalts Aschenauer gingen vor allem zu SS-Ehemaligenorganisationen und zum Gauleiterkreis um Werner Naumann, die sich teilweise bereits in den alliierten Kriegsgefangenenlagern bilden konnten. Prinzessin Isenburg schaltete für ihre Aktionen eine ganze Reihe von Organisationen und Vereinigungen ein wie z. B. die „Arbeitsgemeinschaft zur Rettung der Landsberger Häftlinge“, die im Wesentlichen von den Kirchen finanziert wurden.

Tätigkeit bis heute

Nachdem sich die Kirchen mit dem Ende der großen Kriegsverbrecherprozesse und der Entlassung des letzten in Landsberg einsitzenden NS-Täters im Jahr 1958 weitgehend aus der "Stillen Hilfe" zurückgezogen hatten, orientierte sich die Organisation fast ausschließlich an der „altrechten“ Szene.

In den folgenden Jahrzehnten wirkte die Stille Hilfe eher im Verborgenen in einem engen Netz mit revisionistischen Organisationen und prominenten Protagonisten der „Auschwitz-Lüge“ wie Thies Christophersen und Manfred Roeder und arbeitete mit einschlägigen Organisationen und Persönlichkeiten (z. B. Florentine Rost van Tonningen, Leon Degrelle) im Ausland zusammen. Gleichzeitig unterhielt die Stille Hilfe Kontakte zu konservativen Politikern wie Franz-Josef Strauß, Theodor Oberländer, Jörg Haider und vermutlich auch Alfred Dregger, wobei es hier keine eindeutigen Beweise gibt.

Durch eine nicht geringe Zahl an Erbschaften und durch regelmäßige Spenden verfügt der Verein seit Gründung und bis heute über beträchtliche Geldmittel. Da der Verein seine Jahresabschlüsse nicht veröffentlicht, kann man den Geldzufluss nur schätzen: Allein an Spenden (ohne Erbschaften) dürften zumindest bis Ende der 90er Jahre jährlich 60.000 bis 80.000 € eingegangen sein.

Die „Stille Hilfe“ unterstützte die Verurteilten im Düsseldorfer Majdanek-Prozess, z. B. die ehemalige KZ-Wächterin Hildegard Lächert („blutige Brigitte“) und später z. B. Klaus Barbie, Erich Priebke und Josef Schwammberger, von 1942 bis 1944 Kommandant der polnischen Arbeitslager Przemysl und Rozwadow. Ob die Stille Hilfe an der Befreiung Herbert Kapplers aus einem Gefängnis in Rom im Jahr 1977 beteiligt war, ist nicht geklärt.

Vorsitzende nach Prinzessin von Isenburg (bis 1959) waren bis 1992 die ehemaligen BDM-Führerinnen Gertrude Herr und Adelheid Klug. Geführt wird die "Stille Hilfe" seit 1992 von Horst Janzen, zuvor Kassenprüfer des Vereins und beim Düsseldorfer Majdanek-Prozess als Betreuer und Beobachter im Auftrag der „Stillen Hilfe“. Der „altrechte“ Verein hat heute ca. 40 Mitglieder mit abnehmender Tendenz. Gleichzeitig wurden aber die Kontakte zur „Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene“ (HNG) intensiviert, so dass Kontinuität gesichert sein dürfte.

Sitz war seit 1976 Bremen-Osterholz, seit 1989 Rotenburg (Wümme), seit 1992 Wuppertal. 1993/1994 kam es zu einer politischen Debatte im Bundestag über die Gemeinnützigkeit des revisionistischen rechtsradikalen Vereins und zu einer Prüfung durch die Finanzbehörden. Der Bundesfinanzhof entschied im November 1999, dass der „Stillen Hilfe“ die Gemeinnützigkeit abzuerkennen ist.

Seit Jahren hat die „Stille Hilfe“ ein prominentes Aushängeschild: Gudrun Burwitz, die Tochter Heinrich Himmlers ist ein Idol der „Stillen Hilfe“ und in deren Umkreis. Bei einschlägigen Versammlungen wie dem Ulrichsbergtreffen in Österreich trat sie als Star und Autorität zugleich auf. Gudrun Burwitz, geboren am 8. August 1929, engagierte sich in den letzten Jahren intensiv für NS-Täter.

Das zeigte sich besonders im Fall Anton Malloth. Malloth, der rund 40 Jahre in Meran unbehelligt gelebt hatte, wurde 1988 von Italien nach Deutschland ausgewiesen, jedoch für seine Taten als Aufseher in der Kleinen Festung Theresienstadt erst im Jahr 2001 vom Landgericht München zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft München das Verfahren von der Staatsanwaltschaft Dortmund übernommen, die das Verfahren jahrelang verschleppt hatte. In der Zeit von 1988 bis 2000 lebte Malloth in Pullach am Südrand Münchens. Gudrun Burwitz hatte ihm dort im Auftrag der „Stillen Hilfe“ ein Zimmer in einem Seniorenheim mit gehobenem Niveau besorgt, das auf einem Grundstück erbaut ist, das zur NS-Zeit dem „Stellvertreter des Führers“, Rudolf Heß, gehört hatte. Als Ende der 90er Jahre publik wurde, dass die Sozialhilfeverwaltung (und damit die deutschen Steuerzahler) zu einem großen Teil die beträchtlichen laufenden Kosten für den Seniorenheimaufenthalt Malloths übernommen hatte, gab es in der Medienöffentlichkeit erhebliche Kritik – auch an der Beteiligung der Himmler-Tochter Gudrun Burwitz.

Literatur

  • Oliver Schröm, Andrea Röpke: Stille Hilfe für braune Kameraden, Christoph Links Verlag, 2002, ISBN 386153231X
  • Franziska Hundseder: Rechte machen Kasse, Droemer Knaur Verlag, 1995, ISBN 3426800470
  • Ernst Klee: Was sie taten - Was sie wurden, Fischer Taschenbuch (4364), 12. Auflage 1998, ISBN 3596243645
  • Ernst Klee: Persilscheine und falsche Pässe, Fischer Taschenbuch (10956), 5. Aufl. 1991, ISBN 3596109566

Weblinks


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