Stilicho

Stilicho
Stilicho (rechts) mit Frau Serena und Sohn Eucherius[1]

Flavius Stilicho (* um 360; † 22. August 408 in Ravenna) war ein römischer Heermeister (magister utriusque militiae) und Politiker.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Aufstieg

Stilicho wurde als Sohn eines Vandalen und einer Römerin geboren. Bereits sein Vater hatte unter Valens im römischen Heer gedient und das römische Bürgerrecht erworben. Stilicho trat in das römische Heer ein und machte in verschiedenen Funktionen im römischen Staatsdienst unter Kaiser Theodosius I. schnell Karriere. Im Jahr 383 führte er eine römische Gesandtschaft an den Hof des persischen Großkönigs Schapur III. Aufgrund seiner guten Dienste erhielt Stilicho den Titel eines comes und stieg innerhalb von zwei Jahren zum magister militum auf. 384 durfte er Serena, die Nichte und Pflegetochter des Kaisers, heiraten, mit der er drei Kinder hatte, Eucherius, Maria und Thermantia.

Als der weströmischen Kaiser Valentinian II. 392 unter fragwürdigen Umständen starb und Theodosius die Ernennung eines Nachfolgers verzögerte, ließ dessen fränkischer Heermeister Arbogast den Hofbeamten Eugenius durch das Heer zum Augustus ausrufen. Theodosius war nicht bereit, den Gegenkaiser anzuerkennen, sondern sandte ihm ein Heer entgegen, zu dem auch ein Kontingent westgotischer Auxiliartruppen unter Alarich gehörte, das Arbogast und Eugenius 394 in der Schlacht am Frigidus besiegte. Stilicho gehörte zu den Feldherren.

Nach der Schlacht am Frigidus befanden sich beiden Reichsteile zum letzten Mal in einer Hand. Theodosius ernannte den 10-jährigen Honorius zum Augustus des römischen Westreichs und setzte seinen jungen magister militum Stilicho auch zum Heermeister des geschlagenen Heeres des Westreiches ein. Seine Wahl fiel wohl deshalb auf Stilicho, weil dieser ihm erstens durch Heirat verwandt war und zweitens keinerlei Verbindungen zur fränkischen Führungsschicht des Westheeres besaß. Honorius wurde an den kaiserlichen Hof nach Mailand gebracht, um durch die Anwesenheit eines Mitglieds der Kaiserfamilie einem erneuten Putsch vorzubeugen. Als Theodosius am Tag der Ankunft seines Sohnes überraschend starb, war die neue Verwaltung noch nicht konstituiert. Stilicho musste also schnell handeln und die Regentschaft auch ohne Zustimmung des nunmehrigen Augustus senior und Kaisers des römischen Ostreichs Arcadius und dessen Reichsverwesers Rufinus an sich nehmen, um zu verhindern, dass das Heer einen eigenen Kandidaten aufstellte. Gegenüber dem Ostreich berief er sich dabei auf Theodosius’ letzten Willen. Es ist allerdings umstritten, ob Theodosius wirklich Stilicho mit der Vormundschaft über beide Söhne betraute, wie Claudian behauptete.[2] Bei der Leichenrede, in der der Bischof Ambrosius das Heer zur Treue gegen den Kindkaiser aufrief, ist Stilichos Name jedenfalls nicht genannt.[3]

Regent des Westreiches

Nach Theodosius’ Tod im Jahr 395 wurde Stilicho Vormund und Reichsverweser für dessen damals elfjährigen Sohn Honorius, dem nach der Reichsteilung die westliche Reichshälfte zufiel. Auch Theodosius' Tochter Galla Placidia stand unter seiner Obhut.

395-398 - Siege

Nach Übernahme der Macht im Westreich befriedete Stilicho die römische Rheingrenze und entließ das verbündete Westgotenheer unter Alarich nach Niedermösien. Dort erhoben die Westgoten Alarich zu ihrem König und wandten sich gegen ihre ehemaligen Verbündeten. Stilicho sah sich gezwungen, seine beiden Heeren gegen die aufständischen Westgoten in Mösien und Makedonien einzusetzen. Arcadius war jedoch nicht gewillt, Stilicho als Regenten des Westens anzuerkennen, vielmehr sah er es als Bedrohung an, als Stilicho im Herbst 395 im Kampf gegen Alarichs Goten, die Konstantinopel belagerten, mit den vereinigten Heeren im Illyricum einrückte, und forderte die Rückgabe des Ostheeres und Stilichos Abzug aus Illyrien. Die Goten nutzten das Machtvakuum und verwüsteten Griechenland. Rufinus wurde im Auftrag von Stilicho von Gainas, dem Anführer der entlassenen Truppen, ermordet.[4] Laut Claudian, von dem ein Schmähgedicht gegen Rufinus stammt, war der Mord dagegen eine Reaktion der Truppen darauf, dass Rufinus selbst die Goten ins Land gerufen habe.[5] Am Hof in Konstantinopel übernahm Eutropios dessen Macht und Besitz.

Im folgenden Jahr führte Stilicho eine Expedition gegen aufständische Stämme am Rhein. Mit mit den Römern verbündete Stämme wie die christianisierten Markomannen schloss er Bündnisverträge und rekrutierte Soldaten zur Sicherung der von allen Seiten gefährdeten Grenze. 397 führte er einen zweiten Feldzug gegen die Westgoten in Illyrien, ließ sie aber auf das Gebiet des Ostreiches entkommen, was Zweifel daran aufkommen lässt, ob es ihm wirklich um Unterstützung des Ostreiches ging.[6] Arcadius und Eutropius mussten sich mit den Goten verbünden und Alarich als magister militum von Illyrien in die römische Militärhierarchie aufnehmen. Gleichzeitig erklärten sie Stilicho zum Feind und Eutropius überredete den römischen Statthalter Gildo in Africa zum Abfall vom Westreich, vermutlich um die vom nordafrikanischen Getreide abhängigen stadtrömischen Bevölkerung zum Aufstand gegen Stilicho zu bewegen.[7] Stilicho ließ den Aufstand 398 niederwerfen. Bei der Vermittlung mit dem Ostreich spielte der römische Senator Symmachus eine wichtige Rolle.

398-401 - Ruhe vor dem Sturm

Nachdem Stilicho 398 eine Revolte der Pikten in Britannien niedergeschlagen hatte,[8] verliefen die folgenden frei Jahre recht friedlich. In dieser Zeit erließ die Regierung unter Stilicho etliche Gesetze, die im Codex Theodosianus verzeichnet sind. Um die römische Senatsaristokratie vor allem finanziell in den Staat zu reintegrieren, knüpfte er dabei an Tradition der Republik an und steigerte so das Ansehen der Stadt Rom, die schon seit 286 nicht mehr Hauptstadt des Reiches war. Die Korruption und die Macht der Hofbeamten schränkte er ein. Außerdem erlaubte in Rom die Ausübung unter Honorius′ Vorgängern bereits verbotener heidnischer Kulte. Vor allem ließ er den Victoriaaltar, den Gratian 382 aus der Kurie hatte entfernen lassen, wieder aufrichten.[9] In den Provinzen dagegen wurden das Heidentum und christliche Gruppen wie die Donatisten verfolgt. Auch die Armee wurde reformiert. Die Initiative zu diesen Gesetzen und ihre Durchsetzung scheint allein auf Stilicho zurückzugehen, der sich damit als einziger Vertreter des kaiserlichen Willens zeigt.[10]

400 wurde Stilicho in Rom zum Consul ernannt und hatte damit den Höhepunkt seiner Macht erreicht. Seine Gegner im Ostreich, Eutropius, war 399 gestürzt von Gainas worden, was zu einer zwischenzeitlichen Wiederannäherung an Konstantinopel führte. Stilicho verheiratete 398 seine noch minderjährige Tochter Maria mit Kaiser Honorius. 405, im Jahr von Stilichos zweitem Consulat, wurde Eucherius mit Galla Placidia verlobt.

401-406 - Destabilisierung von Reich und Gesellschaft

Weshalb die Westgoten 401 Illyrien verließen und nach Italien zogen, ist nicht ganz geklärt. Janßen lehnt die These ab, sie seien von der Regierung in Konstantinopel dazu angestachelt wurden.[11] Vielmehr hätten sie Eutropius′ Sturz ihres Fürsprechers in Konstantinopel beraubt. Zudem schürte Gainas, der selbst Gote war, mit seinem fanatischen Arianismus den Widerwillen der orthodoxen Konstantinopolitaner gegen die Verbündeten. Jedenfalls wehrte Stilicho den Einfall in Norditalien am Ostermontag 402 in der Schlacht bei Pollentia erfolgreich ab, auch wenn Alarich mit seinen Reitern entkommen konnte. Stilicho setzte den Flüchtenden nach und besiegte sie im Hochsommer desselben Jahres in der Schlacht bei Verona ein weiteres Mal, ließ aber wieder Alarich entkommen. Dass Stilicho die Westgoten nach Noricum abziehen ließ, erweckte besonders im Ostreich Misstrauen. Alarich ließ sich wieder in Illyrien nieder, dessen Besitz nach wie vor zwischen dem West- und Ostreich umstritten war. Der Hof siedelte von Mailand ins sichere Ravenna über.

In Italien hatte der Goteneinfall zu neuem Streit zwischen Christen und Heiden geführt, der sich besonders an einer Weissagung der Sibyllinischen Bücher festmachten, wonach die Feinde nur zu einem bestimmten Ort vordringen würden. Die Heiden sahen nun in Stilichos Sieg über die Goten 402 die Erfüllung dieser Prophetie, was die Christen mit Sorge über eine Zunahme heidnischer Praktiken erfüllte. 404 erschütterte der Streit um die sehr reiche und sehr fromme Senatorentochter Melania das Verhältnis zwischen Christen und Heiden. Die junge, nicht geschäftsfähige Frau und ihr ebenfalls erst minderjähriger Ehemann wollten mit dem biblischen Gebot (Mt 19,21 LUT) ernstmachen und verkauften den riesigen Familienbesitz und ließen die Sklaven frei. Gegen die Versuche ihrer Verwandten, sie zu hindern, wandten Melania sich an Stilichos Frau Serena, eine fromme Christin, die den Kaiser bat, zugunsten von Melania einzugreifen. Tatsächlich erließ Honorius in Stilichos Abwesenheit ein Dekret, das den gesetzlichen Schutz für das minderjährige Paar aufhob.[12] Damit vollzog sich eine Spaltung zwischen dem christlichen Kaiserhof und dem wenigstens noch teilweise heidnischen Senat, der die in den vorangegangenen Jahren von Stilicho erwirkten Kompromisse zerstörte. In der Folge wurden nur noch Christen für Hofämter ernannt. Für Stilicho bedeutete Honorius′ eigenmächtiges Handeln, dass seine Regentschaft nicht mehr unumstritten war.

Dass Honorius und Serena 404 gegen Arcadius und dessen Frau Eudoxia Stellung für den in Ungnade gefallenen Erzbischof von Konstantinopel Johannes Chrysostomos nahmen, führte zur Verschlechterung des Verhältnisses zwischen West- und Ostrom. In diesem Zusammenhang kam auch die ungeklärte Lage in Illyrien wieder zur Sprache, denn vermutlich im selben Jahr fielen hunnische Truppen unter Uldin, dem Großvater Attilas, in Thrakien ein.[13] Stilicho fürchtete, vom Ostreich keine Unterstützung zur Sicherung der gefährdeten Grenzregion zu erhalten und forderte auch den östlichen Teil des umstrittenen Gebiets für das Westreich. Dabei ging es vor allem darum, dass diese Region eine bedeutende Rolle bei der Rekrutierung von Truppen spielte; Stilicho wollte offenbar durch die Einbeziehung dieses Raumes in das Westreich dessen Wehrkraft gegen die Alanen und andere Stämme zu stärken. Möglicherweise um dieses Ziel durchzusetzen, suchte er die militärische Unterstützung der Westgoten und schloss dafür 405 einen Vertrag mit Alarich, in dem er ihm Unterstützung und den Rang eines Magister militum von Illyrien zusprach. Auch mit Uldin schloss er einen Vertrag. Um die Annexion des Ostens vom Illyrien zu legitimieren, wies er nicht nur auf dessen Vernachlässigung durch das Ostreich hin, sondern förderte auch den kirchenpolitischen Streit um Chrysostomos, der nach Eudoxias Tod eskaliert war.

Ehe es zu einer Lösung im Balkan kam, fiel 406 überraschend ein gotischer Stammesverband, dem sich wohl auch andere Gruppen angeschlossen hatten, unter dem Ostgoten Radagaisus in Norditalien ein. Während sich das Heer der Invasoren auf der Suche nach Proviant aufsplitterte, sammelte und rekrutierte Stilicho seine Truppen. Im August 406 gelang es ihm mit Hilfe der hunnischen Reiterei, die Goten in der Schlacht bei Faesulae zu schlagen. 12000 der geschlagenen Krieger wurden der römischen Armee einverleibt, die übrigen in die Sklaverei verkauft, was den Preis für Sklaven kurzfristig erheblich verfallen ließ.[14] Für diesen Sieg wurde Stilicho mit dem letzten in Rom gefeierten Triumph geehrt.

Ähnlich wie nach dem Sieg über Alarich vier Jahre zuvor wurde auch dieser Sieg religiös gedeutet. Wie damals erbaten heidnische Senatoren Einsicht in die Sibyllinischen Bücher, die Stilicho ihnen nun, da sich der Kaiser so deutlich auf Seiten der Christen gestellt hatte, jedoch verweigerte. Stattdessen ließ er sie als dem Christentum feindlich verbrennen.[15] Zur Finanzierung der Kriege ließ er Götterstatuen und die letzten verbliebenen Tempelschätze einschmelzen. Das trug ihm den Hass vieler römischer Senatoren ein. Den Christen dagegen erschien Stilicho als Werkzeug des göttlichen Beistandes für den Kaiser.[16]

Niedergang nach dem Rheinübergang der Germanen

Den wenige Monate später stattfindenden Einfall mehrerer germanischer Stämme an der römischen Rheingrenze in der Neujahrsnacht 406/407 konnte Stilicho nicht verhindern. Um Gallien zu halten, musste er Truppen aus anderen Regionen abziehen. Anfang 407 erhoben die Legionen im durch die Katastrophe vom Rest des Reiches abgetrennten Britannien den Gegenkaiser Konstantin. Dieser überschritt den Ärmelkanal und setzte sich in Gallien fest, wo sich ihm übriggebliebenen römischen Truppen anschlossen, die sich von Stilicho im Stich gelassen fühlten. Es gelang ihm ein Sieg über germanische Invasoren und die Reorganisation der Rheingrenze, die offizielle Anerkennung als Mitkaiser durch Honorius blieb ihm aber versagt. Stattdessen sandte der Kaiser Stilicho, der sich endlich auf die Annexion Illyriens vorbereitete, nach Gallien. Doch ihm und seinem Feldherrn Sarus gelang es im Herbst 407 nicht, Konstantin davon abzuhalten, das bis dahin loyal zu Honorius stehende Hispanien zu erobern.

Zwischen 404 und 407 war Stilichos älteste Tochter Maria, die mit Honorius verheiratet gewesen war, kinderlos gestorben. Serena drängte auf eine neue Ehe mit der jüngeren Tochter Thermantia, wohl auch um die Gerüchte, dass Honorius dank eines Gifts von seinen Schwiegereltern impotent geworden sei, zu widerlegen. Dass Stilicho trotz des Wunsches des Kaiser versuchte, die Hochzeit aufzuschieben, deutet möglicherweise auf die Absicht hin, seinen Sohn Eucherius auf den Thron zu heben.[17]

Im Frühjahr 408 erhoben sich die Goten erneut. Alarich verzichtete jedoch darauf, den Vertrag durch Vorrücken auf italienisches Gebiet zu brechen, sondern schickte einen Boten zu Stilicho, um den ausbleibenden Sold, der ihm für den Einfall im zum Ostreich gehörigen Epirus versprochen waren, zu erpressen. In dieser Situation überzeugte Stilicho den Senat unter Androhung von Gewalt, Alarich die entsprechende Geldmenge zur Verfügung zu stellen.

Kaum hatte Stilicho diese Frage an Honorius und Serena vorbei geklärt, als die Botschaft von Arcadius′ Tod eintraf. Die nur mit Schwierigkeiten aufrecht erhaltene Stabilität des Ostreichs war erneut in Gefahr. Honorius, als ältester Kaiser für seinen Kollegen verantwortlich, beauftragte Stilicho, den siebenjährigen neuen Kaiser des Ostreichs Theodosius II. in seine Obhut zu nehmen. Im August 408 begab Stilicho sich zu den Truppen in Ticinum, um sich auf die Reise nach Konstantinopel vorzubereiten. Am 13. August 408 traf Honorius ebenfalls dort ein, um den Truppen Mut für den Feldzug gegen den Usurpator Konstantin zuzusprechen. Dabei kam es angeregt von durch Olympius ausgestreute Gerüchte von einem angeblich von Stilicho geplanten Staatsstreich zu einer Meuterei, bei der fast alle anderen anwesenden hohen Amtsträger umkamen. Dem Kaiser wurde das Blutbad als Reaktion auf Stilichos Verschwörung dargestellt. So erhielt Stilicho vom weströmischen Kaiserhof keine Unterstützung, da man ihn des Paktierens mit dem Westgoten Alarich und damit des Hochverrats verdächtigte. Man fürchtete auch, er erstrebe für seinen Sohn, den mit der Kaisertochter und -schwester Galla Placidia verlobten Eucherius, die Kaiserkrone des Ostreiches. Stilicho zog sich nach Ravenna zurück und suchte Asyl in einer Kirche. Doch Soldaten, die ihn in Honorius′ Auftrag festnehmen sollten, folgten ihm und seinem Sohn. Während es Eucherius gelang, vorerst zu entkommen, wurde Stilicho am 22. August 408 durch Heraclianus das Todesurteil vorgetragen und sofort vollstreckt.[18] Im Anschluss kam es zu Ausschreitungen gegen Stilichos Anhänger die in Italien lebenden Familien germanischer Söldner, die sich bis Anfang 409 hinzogen. Auch Eucherius und die mit Kaiser Honorius verheiratete Thermantia wurden umgebracht. Serena wurde als eins der letzten Opfer vom römischen Senat wegen Hochverrats zum Tode verurteilt. Das Gemetzel an den verbündeten Germanen hatte zur Folge, dass viele von ihnen 410 zu den Westgoten überliefen, die das nach Stilichos Tod militärisch geschwächte Italien überfielen und Rom plünderten. Über die Hintergründe dieser Tat geben die Quellen wenig Aufschluss. Zosimos stellt den Intriganten Olympius als treibende Kraft und Profiteur sowohl des Massakers als auch der Verleumdung des Stilicho dar. Es werden aber vermutlich außer Stilichos Mörder Heraclianus auch weitere Offiziere beteiligt gewesen sein.[19]

Beurteilung

Der Senator Symmachus und Hofdichter Claudian priesen Stilicho zu Lebzeiten als denjenigen, der die niederliegende römische Zivilisation gerettet und wiederhergestellt habe.[20] Beide erlebten jedoch vermutlich nicht mehr Stilichos Niedergang nach 404.

Nach seinem Fall folgten die römischen Historiker und Schriftsteller überwiegend den Gerüchten über seinen angeblichen Verrat. Besonders heidnische Historiker beurteilten Stilicho sehr negativ. So bezeichnete ihn Rutilius Namatianus, ein Beamter am kaiserlichen Hof, 416 als Verräter am römischen Volk und dessen (heidnischen) Traditionen mit Berufung auf die Verbrennung der sibyllinischen Bücher. Orosius, ein christlicher Priester und ebenfalls ein Zeitgenosse, glaubte auch, dass Stilicho seinen Sohn zum Kaiser machen wollte, hielt ihn aber zusätzlich für einen Christenverfolger.[21] Sozomenos widmete ihm in seiner Kirchengeschichte nur einen kurzen Abschnitt, in dem er ihn des Hochverrats mit Alarich anklagte.[22] Zosimos, die ausführlichste Quelle, bezichtigte in seiner fast hundert Jahre später verfassten Neuen Geschichte Stilicho (und Rufinus) einerseits, sich auf Kosten der Einwohner zu bereichern und über die Köpfe der jungen Kaiser hinweg zu regieren.[23] Auf der anderen Seite würdigte er Stilichos Leistung und schrieb ihm selbstloses Wirken zugunsten des Reiches zu. Die Ansicht, dass Stilicho einen Staatsstreich beabsichtigte, teilte er nicht.

In Folge dessen wurde Stilicho oft eher negativ gesehen wurde, während heute die Ansicht überwiegt, es habe sich bei ihm um einen loyalen Diener von Kaiser und Reich gehandelt.[24] Sein Tod stellte für das weströmische Reich einen herben Verlust dar. Stilicho hatte das Amt des Heermeisters politisch derart aufgewertet, dass fortan die zukünftigen weströmischen Heermeister am Kaiserhof in Ravenna eine zentrale Rolle spielten und somit die jeweilige Besetzung dieses Postens entscheidend für die kaiserliche Politik war.

Literatur

  • Thomas S. Burns: Barbarians within the gates of Rome. A study of Roman military policy and the barbarians, ca. 375–425 AD. Bloomington 1994.
  • John B. Bury: History of the Later Roman Empire. From the death of Theodosius I. to the death of Justinian. Bd. 1, New York 1958 (Nachdruck der Ausgabe von 1923).
  • Alan Cameron: Claudian. Poetry and Propaganda at the Court of Honorius. Oxford 1970.
  • Tido Janßen: Stilicho. Das weströmische Reich vom Tode des Theodosius bis zur Ermordung Stilichos (395–408). Marburg 2004.

Weblinks

 Commons: Stilicho – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Laut Rainer Warland: Ein Bildnis Stilichos? Das Diptychon von Monza; im Katalog zur Landesausstellung Baden-Württemberg Erben des Imperiums in Nordafrika. Das Königreich der Vandalen, S. 98, ist es fraglich, dass das Diptychon wirklich Stilicho und seine Familie darstellt.
  2. Janßen: Stilicho, S. 29-33
  3. Vgl. Ambrosius, de obitu Theodosii 5
  4. So u.a. Zosimos 5, 7, 4-6
  5. Janßen: Stilicho, S.57
  6. Janßen: Stilicho, S. 68
  7. Janßen: Stilicho, S. 78
  8. Claudian, Eutropium, 1, 392-393; de consulatu Stilichonis, 1, 250-255; de bello Gothico, 436-438
  9. Otto Seeck: Geschichte des Untergangs der antiken Welt. Band 5, S. 329
  10. Janßen: Stilicho, S. 107-124. 154
  11. Janßen: Stilicho, S. 130
  12. Janßen: Stilicho, S. 161
  13. So Janßen, Stilicho, S. 174
  14. Orosius, Historiarum adversum paganos VII. 37, 13-15
  15. Rutilius Namatianus: De redito suo 2, 41
  16. Paulinus von Nola, carmen 21
  17. Janßen, Stilicho, S. 223
  18. Zosimos 5,32 ff.; Chronica minora, Band 1, S. 300
  19. Janßen, Stilicho, S. 241-251
  20. Claudian: de bello Gothico 38-51
  21. Orosius VII. 38, 1+3
  22. Sozomenos, Historia Ecclesiastica VIII, 25
  23. Zosimos, Neue Geschichte 5,1
  24. Susanne Erbelding und Katarina Horst: Das Imperium schlägt nicht zurück; im Katalog zur Landesausstellung Baden-Württemberg Erben des Imperiums in Nordafrika. Das Königreich der Vandalen, S. 98

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