Stiftung Sächsische Gedenkstätten

Stiftung Sächsische Gedenkstätten

Die Stiftung Sächsische Gedenkstätten zur Erinnerung an die Opfer politischer Gewaltherrschaft ist eine vom Freistaat Sachsen errichtete Stiftung des öffentlichen Rechts, die mehrere Gedenkstätten zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus und des Kommunismus unterhält oder deren Unterhalt unterstützt. Um diese Stiftung gibt es einen Konflikt der Opfergruppen.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung der Stiftung

Die Erinnerungskultur des SED-Regimes in der DDR war weitgehend beschränkt auf kommunistische Opfer des Nationalsozialismus und somit bei weitem nicht ausreichend, um alle Opfergruppen zu berücksichtigen. Die „fehlenden“ Opfer wurden nach der Wiedervereinigung Deutschlands von entsprechenden Opferverbänden, von neu entstandenen lokalen Vereinen und von engagierten Einzelpersonen gewürdigt, die sich ehrenamtlich mit der Vergangenheit vor Ort auseinandersetzten und an die Geschehnisse erinnerten.

Am Anfang der 90er Jahre regten diese Bürgerinitiativen, einzelne Parlamentarier, aber auch die neuen Verbände der Opfer der kommunistischen Diktatur in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und in der DDR die Bildung eines Dachverbandes aller Gedenkstätten Sachsens an, um deren Finanzierung zu gewährleisten und ihre Arbeit auf eine tragfähige Grundlage zu stellen. Am 15. Februar 1994 beschloss die Sächsische Landesregierung die Gründung der „Stiftung Sächsische Gedenkstätten zur Erinnerung an die Opfer politischer Gewaltherrschaft“. Sie erhielt ihre gesetzliche Grundlage durch das Sächsische Gedenkstättenstiftungsgesetz (SächsGedenkStG) vom 28. Februar 2003.[1]

Infolge des Beschlusses stellten bedeutende Verbände von Opfern der NS-Diktatur ihre Mitarbeit in den Gremien der Stiftung ein. Dies sind der Zentralrat der Juden in Deutschland, das Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma, der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, die Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz und das Dr.-Margarete-Blank-Haus Panitzsch e.V. Die Kritik richtet sich unter anderem gegen die Beschreibung des Stiftungszwecks im sächsischen Gedenkstättengesetz. Dessen Paragraph 2 unterscheidet nicht zwischen der nationalsozialistischen und der stalinistischen Diktatur. Damit würden NS-Verbrechen mit kommunistischen Verbrechen in der SBZ und der DDR gleichgesetzt und dadurch relativiert. Während das Gesetz die Bildung verschiedener thematischer Arbeitskreise vorsah, fordern die Kritiker zwei getrennte Beiräte, die jeweils vor und nach 1945 zum Inhalt haben sollten.[2] Zurzeit gibt es in der Stiftung nur einen Beirat für Vertreter der Opfer der NS-Diktatur und der Opfer aus der SBZ/DDR-Zeit. Die Kontroverse um die Stiftung Sächsische Gedenkstätten steht im Zusammenhang mit den Diskussionen um eine Veränderung der Gedenkstättenkonzeption des Bundes.

Zweck und Aufgaben der Stiftung

Zweck der Stiftung ist nach § 2 Absatz 1 SächsGedenkStG, diejenigen Stätten im Freistaat Sachsen zu erschließen, zu fördern und zu betreuen, die an politische Gewaltverbrechen von überregionaler Tragweite, von besonderer historischer Bedeutung, an politische Verfolgung, an Staatsterror und staatlich organisierte Morde erinnern. Die Stiftung hat die Opfer politischer Gewaltherrschaft und den Widerstand gegen die Diktaturen zu würdigen sowie die Strukturen und Methoden der jeweiligen Herrschaftssysteme für die Öffentlichkeit zu dokumentieren.[1]

Die Aufgaben der Stiftung sind folgende:

  • Erschließung und Bewahrung der materiellen Hinterlassenschaften und Zeugnisse des Unrechts an den authentischen Orten ( z. B. Gegenstände und Dokumente),
  • eine würdige memoriale Gestaltung der Gedenkorte,
  • die wissenschaftlich begründete Gestaltung von Dauer- und Wechselausstellungen in den Gedenkstätten,
  • die Bereitstellung pädagogischer Angebote und Informationen für die Besucher der Gedenkstätten, insbesondere für Jugendliche,
  • die Verankerung der historischen Bedeutung der Gedenkstätten im öffentlichen Bewusstsein mittels Veranstaltungen, Veröffentlichungen und anderen Formen der Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit,
  • enge Zusammenarbeit mit Opferverbänden und Aufarbeitungsinitiativen,
  • angewandte wissenschaftliche Forschung und Dokumentation.

Finanzierung

Die Stiftung wird durch Mittel aus den Haushalten des Freistaates Sachsens sowie des Bundesbeauftragten für Kultur und Medien finanziert. Hinzu kommen noch Drittmittel und eigene Einnahmen. Insgesamt standen 2007 ca. 2,6 Mio. Euro zur Verfügung.

Organe der Stiftung

Stiftungsrat

Der Stiftungsrat hat die Lenkungs- und Entscheidungsgewalt (einfache Mehrheit) sowie die Kontrolle über die gesamte Stiftung inne und ist damit die oberste Dienstbehörde.

Die 15 ehrenamtlichen Mitglieder setzen sich zusammen aus der Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst Eva-Maria Stange als Vorsitzender, der Sozialministerin Helma Orosz, dem Justizminister Geert Mackenroth, dem Direktor des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung Clemens Vollnhals, dem Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes Michael Beleites, dem Direktor der Landeszentrale für politische Bildung Wolf-Dieter Legall, einem Vertreter des Bundes, Vertretern aus dem Kreis der sächsischen Opferverbände sowie der Gedenkstätten- und Aufarbeitungsinitiativen, aus den Kirchen und der jüdischen Religionsgemeinschaft und aus den kommunalen Landesverbänden.

Geschäftsführer

Der für fünf Jahre vom Stiftungsrat gewählte Geschäftsführer übernimmt die Gesamtleitung der Stiftung und die Koordinierung der Arbeit an den jeweiligen Arbeitsstellen. Er führt die laufenden Geschäfte und setzt die Beschlüsse des Stiftungsrates um. Zudem ist er verantwortlich für Publikationen und „Ausführungen wissenschaftlicher und gedenkstättenfachlicher Entscheidungen der Stiftungsgremien“ ( § 8 Absatz 3 SächsGedenkStG).

Das Amt wird zurzeit kommissarisch von Klaus-Dieter Müller ausgeübt.

Stiftungsbeirat und Wissenschaftlicher Beirat

Der Stiftungsbeirat besteht aus maximal 20 Mitgliedern, die nicht bereits in einem anderen Organ der Stiftung tätig sind und von den „Interessenvertretungen (Komitees und Verbände, Gedenkstätten- und Aufarbeitungsinitiativen) sowie Kirchen, Religionsgemeinschaften und kommunalen Träger von Gedenkstätten“ (§ 9 Absatz 2 SächsGedenkStG) entsandt werden.

Der Wissenschaftliche Beirat setzt sich aus 5 sachkundigen Experten zusammen. Er begutachtet die Konzeptionen (Projekte, Ausstellungen usw.) der Gedenkstätten und gibt Empfehlungen und Anregungen für die Arbeit.

Gedenkstätten und weitere Projekte

Die Stiftung unterhält folgende Gedenkstätten:

  • Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein: In dieser ehemaligen Heilanstalt, fielen 1940/41 ca. 15 000 vor allem geistig behinderte Menschen der nationalsozialistischen „Euthanasie“ zum Opfer.
  • Gedenkstätte Ehrenhain Zeithain: Zehntausende (überwiegend sowjetische) Kriegsgefangene kamen zwischen 1941 und 1945 im damaligen Kriegsgefangenenlager Ehrenhain Zeithain ums Leben.
  • Gedenkstätte Münchner Platz Dresden: Die Gedenkstätte erinnert an die Justizopfer des NS-Staates, der sowjetischen Militäradministration und der frühen DDR-Strafjustiz. Hier wurden nicht nur Todesurteile ausgesprochen, sondern auch ca. 1.300 vollstreckt. Der Justizkomplex ist seit 1957 Teil der TU Dresden.
  • Dokumentations- und Informationszentrum Torgau (DIZ Torgau): Mit den Militärgefängnissen „Fort Zinna“ und Brückenkopf und dem Reichskriegsgericht galt Torgau während des Zweiten Weltkrieges als Zentrale der Wehrmachtjustiz. Nach Kriegsende richtete die sowjetische Geheimpolizei NKWD in Torgau zwei Speziallager ein. „Fort Zinna“ wurde 1950 an die Volkspolizei der DDR übergeben und beherbergt heute eine Justizvollzugsanstalt. Im DIZ wird den Opfern der NS-Justiz, der sowjetischen Militärtribunale und der DDR-Justiz gedacht.
  • Gedenkstätte Bautzen: Die Gedenkstätte Bautzen erinnert an die Opfer der beiden Haftanstalten Bautzen I und Bautzen II. Erstere, auch „Gelbes Elend“ genannt, wurde als einstige Landesgefangenenanstalt im Nationalsozialismus als Zuchthaus, von den sowjetischen Besatzern als Speziallager und in der DDR-Zeit als Strafvollzugsanstalt genutzt. Bautzen II galt von 1956-1989 als gefürchtetes Gefängnis für „Staatsverbrecher“ mit besonderen Zugriffsrechten des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS).

Dokumentationsstelle Widerstands- und Repressionsgeschichte

Die „Dokumentationsstelle Widerstands- und Repressionsgeschichte in der NS-Zeit und der SBZ/DDR“ wurde 1999 mit dem Ziel eingerichtet, die von der Stiftung unterhaltenen Gedenkstätten durch Aktenerschließung und die Einrichtung eines biographischen Archivs zu Widerstand und Repression während der NS-Zeit, der sowjetischen Besatzung und der DDR auf dem Gebiet des heutigen Freistaates Sachsen wissenschaftlich zu unterstützen. Die Ergebnisse kommen nicht nur in Ausstellungen zum Tragen, sondern auch bei privaten Anfragen von Opfern politischer Gewaltherrschaft bzw. von deren Angehörigen.

Zudem führt die Dokumentationsstelle das Forschungsprojekt: „Sowjetische und Deutsche Kriegsgefangene und Internierte. Forschungen zur Kriegs- und Nachkriegszeit“ durch.

Projektförderung und institutionelle Förderung

Das Museum in der „Runden Ecke“ in Leipzig (getragen vom Bürgerkomitee Leipzig e.V.) und die Gedenkstätte Bautzner Straße in Dresden (getragen von „Erkenntnis durch Erinnerung e. V.“) beschäftigen sich ausschließlich mit der DDR-Vergangenheit. Sie gehören nicht zu der Stiftung Sächsische Gedenkstätten, werden von der Stiftung jedoch finanziell unterstützt.

Eine institutionelle Grundsicherung erhalten die Vereine Archiv Leipziger Bürgerbewegung Leipzig e. V., die Umweltbibliothek Großhennersdorf e. V. sowie das Martin-Luther-King-Zentrum in Werdau und die Initiativgruppe Geschlossener Jugendwerkhof Torgau e.V.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. a b Sächsisches Gedenkstättenstiftungsgesetz vom 28. Februar 2003
  2. Martin Jander: Gedenkstätten-Konzept der Union: Waagschalen-Mentalität, haGalil vom 20. Juni 2004

Weblinks


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