Stephen Joseph Harper

Stephen Joseph Harper
Stephen Harper

Stephen Joseph Harper PC (* 30. April 1959 in Toronto) ist kanadischer Politiker. Seit dem 6. Februar 2006 ist er der 22. Premierminister Kanadas und führt eine Minderheitsregierung an. Harper war eines der Gründungsmitglieder der Reformpartei. Ab 1993 war er Abgeordneter des Wahlkreises Calgary West im Unterhaus. Nach internen Auseinandersetzungen trat Harper 1997 aus der Reformpartei aus und gab sein Parlamentsmandat auf. Fünf Jahre später wurde er zum Vorsitzenden der Kanadischen Allianz gewählt und vertritt seither den Wahlkreis Calgary Southwest. 2003 vereinbarte er mit dem Vorsitzenden der Progressiv-konservativen Partei die Fusion beider Parteien und wurde im März 2004 zum Vorsitzenden der neu gegründeten Konservativen Partei gewählt.

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund und frühe politische Karriere

Harper ist der älteste von drei Söhnen von Margaret (geb. Johnston) und Joseph Harper, einem Buchhalter bei Imperial Oil. Er wuchs in Toronto und Etobicoke in der Provinz Ontario auf. 1978 schrieb er sich an der University of Toronto ein, unterbrach aber nach nur zwei Monaten sein Studium und zog nach Calgary in der Provinz Alberta, um bei Imperial Oil zu arbeiten. 1981 nahm er sein Wirtschaftsstudium an der University of Calgary wieder auf. Er schloss 1985 als Bachelor ab und erwarb 1991 den Master of Arts. Später war er oft Gastdozent an seiner früheren Universität. 1993 heiratete Harper Laureen Teskey, das Paar hat zwei Kinder.

Bereits zu Universitätszeiten engagierte sich Harper in der Progressiv-konservativen Partei und war 1985 Assistent des Unterhausabgeordneten Jim Hawkes. Enttäuscht über die seiner Ansicht nach unverantwortliche Finanzpolitik des damaligen Premierministers Brian Mulroney, trat er 1986 aus der Partei aus. Auf Einladung von Preston Manning beteiligte er sich am Gründungskongress der Reformpartei. Dabei handelte es sich um einen Zusammenschluss verschiedener Interessengruppen aus Westkanada, die unzufrieden mit der mangelnden Berücksichtigung westkanadischer Interessen waren.

1988 trat Harper im Wahlkreis Calgary West gegen seinen früheren Arbeitgeber Hawkes an, unterlag aber deutlich. Die Reformpartei gewann keinen einzigen Sitz. Kurz danach gewann jedoch Deborah Grey eine Nachwahl und Harper war bis 1993 ihr Berater und Redenschreiber. Bis Oktober 1992 war er auch Hauptverantwortlicher für das Parteiprogramm der Reformpartei, zerstritt sich dann aber mit dem Parteivorsitzenden Preston Manning wegen unterschiedlicher Ansichten zum Charlottetown Accord (Harper lehnte diesen grundsätzlich ab, während Manning kompromissbereit war).

Unterhausabgeordneter und Lobbyist

Bei den Unterhauswahlen 1993 trat Harper erneut gegen Hawkes an und gewann mit großem Vorsprung. Die Reformpartei profitierte vom totalen Einbruch der Progressiv-Konservativen und wurde drittstärkste Kraft. Während seiner ersten Amtszeit als Unterhausabgeordneter beschäftigte sich Harper hauptsächlich mit Finanzfragen und Verfassungsreformen. Zwar gehörte er nicht dem radikalen Flügel der Reformpartei an, vertrat jedoch in einzelnen Bereichen sozialkonservative Ansichten.

Harper versuchte, den wachsenden Einfluss des populistischen Flügels auf den Kurs der Reformpartei zu verringern und kritisierte öffentlich Mitglieder der eigenen Partei. Da der Vorsitzende Preston Manning nicht gewillt war, in diese Angelegenheit einzugreifen, verließ Harper die Partei. Er gab am 14. Januar 1997 seinen Parlamentssitz auf. Noch am selben Tag wurde er zum Vizepräsidenten der National Citizens Coalition gewählt, wenige Monate später war er Präsident dieser konservativen Lobbygruppe. Unter anderem trat er für die Privatisierung der kanadischen Gesundheitsfürsorge und für einen konservativen Kurswandel in der Gesellschaftspolitik ein.

Vorsitzender der Kanadischen Allianz und der Konservativen Partei

Nachdem Jean Charest 1998 sich von der Bundespolitik zurückgezogen hatte, erwog Harper, um den Vorsitz der Progressiv-konservativen Partei zu kandidieren, entschied sich aber letztlich dagegen. 2000 entstand als Nachfolgerin der Reformpartei die Kanadische Allianz, die weniger populistisch ausgerichtet war. Doch der neuen Partei gelang es bei den Unterhauswahlen 2000 nicht, ihren Einfluss über Westkanada hinaus auszudehnen, sodass die Liberale Partei weiterhin an der Macht blieb.

Harper war sich bewusst, dass nur die Vereinigung aller konservativen Kräfte einen Machtwechsel hervorrufen könnte. Um dieses Ziel zu erreichen, trat er der Kanadischen Allianz bei und kandidierte um den Parteivorsitz. Am 20. März 2002 setzte er sich gegen den Amtsinhaber Stockwell Day durch. Drei Monate später gewann er im Wahlkreis Calgary Southwest eine Nachwahl, zog wieder ins Unterhaus ein und wurde Oppositionsführer.

Es folgten geheime Verhandlungen mit der Führung der Progressiv-Konservativen über einen Zusammenschluss. Stephen Harper und Peter MacKay, die beiden Parteivorsitzenden, gaben am 16. Oktober 2003 die bevorstehende Fusion bekannt. Am 5. Dezember stimmten die Mitglieder der Allianz mit 96 % und am 6. Dezember jene der Progressiv-Konservativen mit 90 % für den Zusammenschluss. Zwei Tage später wurde die neu gebildeten Konservativen Partei offiziell registriert. Erstmals seit 16 Jahren war es damit gelungen, die konservativen Kräfte im kanadischen Parteienspektrum unter einem Dach zu bündeln.

Am 20. März 2004 kandidierte Harper für das Amt des Vorsitzenden der Konservativen Partei und setzte sich gleich im ersten Wahlgang mit großem Vorsprung durch. Bei den nachfolgenden Unterhauswahlen am 28. Juni 2004 wurden die Konservativen zweitstärkste Partei, die regierenden Liberalen von Premierminister Paul Martin waren zur Bildung einer Minderheitsregierung gezwungen (mit Harper als Oppositionsführer). Ein erfolgreiches Misstrauensvotum gegen die durch Skandale geschwächte liberale Minderheitsregierung im November 2005 führte zu vorgezogenen Neuwahlen.

Harper galt bisher als harter Ideologe, der auch manchen Sympathisanten der Konservativen zu weit rechts stand. Im Wahlkampf des Jahres 2006 bemühte er sich verstärkt, ein anderes Bild von sich in der Öffentlichkeit zu zeichnen. Der begeisterte Eishockeyfan, der sogar ein Buch über die Geschichte des Sports veröffentlicht hatte, zeigte sich ähnlich wie der US-amerikanische Präsident George W. Bush als „mitfühlender Konservativer“ (compassionate conservative). Er setzte sich für die Stärkung des öffentlichen Gesundheitssystems ein und forderte die steuerliche Entlastung breiter Bevölkerungsschichten. Viele seiner Wahlversprechen – Betonung der Familienwerte und mehr Verbrechensbekämpfung durch strengere Polizeigesetze – sowie sein Wahlkampfstil erinnerten an Auftritte der Republikaner in den USA. Seine politischen Gegner warfen ihm eine unkritische Anbiederung an die US-Regierung vor.

Premierminister

Bei den Unterhauswahlen am 23. Januar 2006 gingen die Konservativen wieder als stärkste Kraft hervor, verpassten die absolute Mehrheit der Sitze jedoch deutlich. Harper erhielt den Auftrag zur Bildung einer Minderheitsregierung und wurde am 6. Februar 2006 als neuer Premierminister vereidigt. Seither muss er gegen eine Mehrheit aus Liberalen, Neuen Demokraten und dem separatistischen Bloc Québécois regieren.

Außenpolitisch rückte Harper Kanada wieder näher zu den USA. Sein Vorgänger Paul Martin hatte in einigen wichtigen Fragen (Ablehnung des Irakkriegs, Zustimmung zum Kyoto-Protokoll, Legalisierung leichter Drogen) die Abgrenzung zu Washington gesucht und damit das traditionell enge Verhältnis zu Washington belastet. Harper stärkte das Militärbudget und baute die Beteiligung der Armee bei den Friedensmissionen in Haiti und Afghanistan aus. In Bezug auf den Irak verkündete er, dass er keine Notwendigkeit sehe, kanadische Truppen in das Land zu entsenden.

Weltweites Aufsehen erregte am 11. Juni 2008 seine Entschuldigung bei den First Nations Kanadas für eine seit 1870 systematisch betriebene Politik der Zwangsassimilierung in Residential Schools. Die Anpassung der Kinder an die Zivilisation im modernen, weißen Kanada ging Hand in Hand mit der Unterdrückung ihrer kulturellen, sprachlichen und ethnischen Identität. Die Rede Harpers im kanadischen Parlament, der unter anderem der Stammesführer Phil Fontaine beiwohnte, bezeichneten Kommentatoren als „historische Geste“.[1]

Da im August 2008 die Oppositionsparteien mit der Stellung der Vertrauensfrage gedroht hatten und ihre Unterstützung bei Gesetzgebungsverfahren verweigerten[2], kündigte Harper am 7. September vorgezogene Neuwahlen für den 14. Oktober 2008 an.[3] Diese hat er zwar gewonnen, verfehlte aber die absolute Mehrheit.[4]

Harper setzte seine Minderheitsregierung fort, sah sich aber schon nach wenigen Wochen angesichts der Finanzkrise massiver Kritik an seinem wirtschaftspolitischen Kurs ausgesetzt. Die Oppositionsparteien kündigten für den 8. Dezember 2008 ein Misstrauensvotum gegen Harper an. Bei erfolgreichem Ausgang hätten die Liberalen und die Neuen Demokraten mit Duldung des Bloc Québécois eine Koalitionsregierung gebildet. Harper beantragte daraufhin bei Generalgouverneurin Michaëlle Jean die Aussetzung der Parlamentsarbeit bis zum 26. Januar 2009, um bis dahin ein Konjunkturprogramm auszuarbeiten. Vier Tage vor dem geplanten Misstrauensvotum genehmigte Jean Harpers Antrag. Oppositionsvertreter sahen in diesem Schritt nur eine Verzögerung des Scheiterns der konservativen Minderheitsregierung.[5]

Einzelnachweise

  1. Kanada weint nach der historischen Geste Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13. Juni 2008
  2. Focus: Regierungschef zieht Neuwahlen in Betracht vom 27. August 2008.
  3. Tages-Anzeiger: Stephen Harper beendet Knatsch in Kanadas Parlament vom 7. September 2008.
  4. Konservative bei Wahl in Kanada offenbar stärkste Kraft, AFP 15. Oktober 2008.
  5. Süddeutsche Zeitung: Harper wehrt sich gegen Sturz - Kanadas Premier schickt Parlament in Zwangsurlaub, 5. Dezember 2008.

Weblinks


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