Stephanie von Belgien

Stephanie von Belgien
Prinzessin Stephanie, Fotografie

Stephanie Clotilde Luise Hermine Marie Charlotte von Belgien (* 21. Mai 1864 in Laeken bei Brüssel; † 23. August 1945 in Pannonhalma) war als Gattin von Kronprinz Rudolf Kronprinzessin von Österreich-Ungarn. Sie war in der Doppelmonarchie (1867–1918) die einzige Trägerin dieses Titels.

Inhaltsverzeichnis

Jugend

Prinzessin Stephanie wurde als zweite Tochter von König Leopold II. von Belgien und seiner Ehefrau Marie Henriette von Österreich geboren. Ihre Geschwister waren Louise (1858–1924), Clementine (1872–1955) und der schon als Kind verstorbene Kronprinz Leopold (1859–1869).

Stephanie hatte wie ihre Geschwister eine schwere Kindheit, da die Mutter keinerlei Interesse an den Kindern ihres ungeliebten Mannes zeigte und auch der Vater, der nur an seinen Geschäften interessiert war, keine Zeit mit den Mädchen verbrachte. Die Erziehung der Geschwister zielte auf deren Abhärtung ab. Die wegen ihres treulosen Ehemannes ständig frustrierte Mutter hatte die drei Töchter mit drakonischer Strenge erzogen und nicht einmal davor zurückgeschreckt, ihre Töchter persönlich mit der Rute zu züchtigen[1].

Verheiratung

Stephanies Verheiratung wurde von den Höfen in Wien und Brüssel geplant. Für den Wiener Kaiserhof kam als zukünftige Gattin Rudolfs nur eine katholische Prinzessin in Frage, die nicht älter als 20 Jahre sein sollte. Der exquisite Geschmack des wählerischen Kronprinzen war allgemein bekannt, und so waren alle, die ihn kannten, verwundert, dass er sich schließlich aus dynastischen Erwägungen bereit erklärte, die eher hausbackene Stephanie zu heiraten, die keine Spur von Charme oder Witz zeigte und in der Konversation ungeübt war.

Kronprinzessin

Stephanie und Rudolf bei ihrer Verlobung
Stephanie mit ihrer einzigen Tochter Elisabeth Marie

Die 17-jährige Stephanie und Rudolf heirateten am 10. Mai 1881 in Wien. Die Ehe der beiden galt in den ersten Jahren als glücklich. Die unerfahrene und unaufgeklärte Stephanie erkannte, dass ihr Mann durchaus liebenswürdig war. Nach der Hochzeit verbrachte das junge Paar zunächst einige Zeit auf Reisen und lebte dann in Prag. In dieser Zeit widmete sich Rudolf voller Elan seinen wissenschaftlichen Forschungen und die beiden führten ein ruhiges Leben.

Die Geburt der Tochter Elisabeth Marie, genannt Erzsi (die Koseform von Elisabeth auf Ungarisch, Erzsébet) – sie ging später als „rote Erzherzogin“ in die Geschichte ein, weil sie einen Sozialdemokraten heiratete – im Jahr 1883 war für Rudolf eine große Enttäuschung, war er doch in eine Dauerkrise mit seinem Vater, Kaiser Franz Joseph I., verwickelt, die die Geburt eines Thronfolgers hätte entschärfen können.

Der erhoffte Thronfolger blieb weiterhin aus, was vermutlich darauf zurückzuführen ist, dass Rudolf nun viele Affären hatte und sich bei einer seiner Liebschaften mit einer Geschlechtskrankheit infizierte, seine Frau ansteckte und sie dadurch unfruchtbar machte. Schließlich zerbrach die Ehe daran, dass die beiden sich mehr und mehr auseinandergelebt hatten.

Stephanie ließ ihrem Mann gegenüber erkennen, dass sie seine Freunde, allen voran den Zeitungsverleger Moritz Szeps, nicht ausstehen konnte. Ihrer Meinung nach vergiftete dieser ihren Mann mit seinen liberalen Ideen. Im Gegenzug verstand Rudolf die erzkonservative, dünkelhafte Einstellung seiner Gattin nicht, die er für völlig unzeitgemäß hielt[2].

Am Wiener Hof war Stephanie nie beliebt. Sie trug dort den Spitznamen „kühle Blonde“. Ihre Schwiegermutter Kaiserin Elisabeth nannte sie, da sie nicht so grazil wirkte wie die Kaiserin selbst, „Trampeltier“.

Als sie im Frühsommer 1887 mit ihrem Gatten eine Reise durch das Kronland Galizien unternahm, lernte die nunmehr 23-jährige Kronprinzessin den 15 Jahre älteren, seit sieben Jahren verwitweten polnischen Grafen Artur Potocki kennen. Sie verliebte sich in den Vater zweier Töchter, versuchte aber, die Beziehung unter allen Umständen geheim zu halten. Allerdings sagte sie die Reise zur Feier des Goldenen Regierungsjubiläums von Königin Victoria von Großbritannien ab und ließ Rudolf allein reisen. Schon bald wurde in Wien gemunkelt, sie habe geheime Treffen mit einem polnischen Adeligen. Allerdings kannte nur ihre Schwester Louise in Wien, mit Prinz Philipp von Sachsen-Coburg und Gotha verheiratet, die Einzelheiten dieser Beziehung und organisierte auch immer wieder intime Zusammenkünfte des Liebespaares. In ihren Briefen nannte die Kronprinzessin Stephanie Artur Potocki Hamlet und sich selbst Ophelia[3].

Durch Rudolfs Selbstmord am 30. Januar 1889 in Mayerling wurde Stephanie im Alter von 25 Jahren Witwe. Der Kronprinz schrieb in seinem Abschiedsbrief an Stephanie: Liebe Stephanie! Du bist von meiner Gegenwart und Plage befreit; werde glücklich auf Deine Art. Sei gut für die arme Kleine, die das einzige ist, was von mir übrig bleibt.[4]. Seine und Stephanies Tochter Erzsi wurde nun von ihrem Großvater, Kaiser Franz Joseph, in seine Obhut übernommen.

Witwe

Stephanies Beziehung zu Potocki ging weiter, jedoch stellte sich heraus, dass dieser unheilbar krank war. Nach seiner zweiten Zungenoperation erholte er sich in der Kuranstalt Eder in Döbling am Rand von Wien. Das letzte Treffen der beiden fand im Jänner 1890 statt, doch konnte Potocki kaum mehr sprechen und starb am 26. März 1890[5].

Um sich vom Schock des Suizids Rudolfs zu erholen und um dem Wiener Hof, der ihr Mitschuld an der Katastrophe gab, zu entfliehen, begann die Kronprinzessin-Witwe, wie sie nun offiziell bezeichnet wurde, wie ihre Schwiegermutter Kaiserin Elisabeth mit rastlosem Umherreisen. Sie verbrachte viel Zeit mit ihren Schwestern Louise und Clementine und vermied es nach Möglichkeit, sich in Wien aufzuhalten. Am Hof hatte sie nach Rudolfs Tod kaum noch Repräsentationspflichten zu erfüllen.

Später versuchten ihr Vater König Leopold und Kaiser Franz Joseph vergeblich, Stephanie mit dem österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand zu verheiraten, um so seine nicht standesgemäße Ehe mit Sophie Chotek von Chotkowa zu verhindern.

Die zweite Ehe

Stephanie und Graf Lónyay

Stephanie verliebte sich in den ungarischen Grafen (seit 1917 Fürst) Elemér Lónyay von Nagy-Lónya und Vásáros-Namény, nachdem sie fast zehn Jahre um Potocki getrauert hatte. Sie verzichtete auf ihren bisherigen Titel, schied aus dem Kaiserhaus aus und heiratete Lónyay nach elf Jahren Witwenschaft am 22. März 1900.

Die Hochzeit der 36-Jährigen fand auf Schloss Miramar bei Triest statt, wo ihre Tante Charlotte von Belgien mit ihrem Gatten, Erzherzog Ferdinand Maximilian von Österreich, Bruder von Franz Joseph, gelebt hatte, bevor Maximilian den Kaiserthron von Mexiko bestieg. Franz Joseph hatte Stephanie bei der Abreise nach Triest zum Zug begleitet.

Die zweite Heirat, die für ein ehemaliges Mitglied des belgischen Königshauses, dann des österreichischen Kaiserhauses nicht standesgemäß war, führte zum endgültigen Bruch Stephanies mit ihrem Vater, dem König der Belgier. Doch wurde genau diese Ehe Stephanies glücklichster Lebensabschnitt, den sie nie bereute. 1917 wurden Graf und Gräfin Lonyay vom letzten österreichischen Kaiser Karl I. zu Fürsten erhoben[6].

Das Paar lebte bis 1906 in der Villa Zichy in Kalksburg, dem heutigen 23. Wiener Gemeindebezirk Liesing. Schloss Oroszvár, von den beiden 1906 angekauft, liegt nahe von Pressburg in den Auen am südlichen Donauufer (seit 1947 slowakisch: Rusovce, heute Außenbezirk der slowakischen Hauptstadt). Stephanie legte um ihr Schloss viele Gärten und Beete an, sie liebte die Natur und bewunderte selbst gern ihre schönen Parkanlagen, in denen sich mehr als 30 Glashäuser befanden. Oft wurde auch gejagt, Franz Ferdinand und seine Frau Sophie Herzogin von Hohenberg waren gern gesehene Gäste auf dem Lónyayschen Besitz, da auch diese beiden nicht standesgemäß verheiratet waren. Stephanie hielt aber auch mit Franz Joseph I. weiterhin Kontakt: Pressemeldungen zufolge hat sie ihn am 8. September 1914 zu einer längeren Privataudienz in Schönbrunn besucht[7]. Auf der Schleife ihres Kranzes für den verstorbenen Kaiser standen 1916 die Worte „Von Deiner ewig dankbaren - Dich treu liebenden Stephanie.“ [8]

Familienzwist

Als ihre Mutter 1902 in Spa starb, reiste Stephanie zur Beerdigung nach Brüssel. Doch als sie am Sarg Abschied nehmen wollte, verjagte ihr Vater sie aus der Kapelle. Das Erbe ihrer Mutter betrug nur 50.000 Franc, was vor allem die Gläubiger von Stephanies hoch verschuldeter Schwester Louise nicht glauben konnten, – hatte der König doch Milliarden im Belgischen Kongo (anfangs sein Privatbesitz) verdient. Stephanie zog mit den Gläubigern Louises gegen ihren Vater vor Gericht, verlor jedoch den Prozess.

Mit ihrer Tochter Elisabeth Marie hatte Stephanie nach ihrer erneuten Eheschließung fast keinen Kontakt mehr. Da sie aus dem Kaiserhaus ausgeschieden war, musste Stephanie ihr Kind in Wien zurücklassen. Auch war ihr Verhältnis zur Tochter getrübt: Erzsi gab ihrer Mutter die Mitschuld an der „Tragödie von Mayerling“.

Späte Jahre

1935 veröffentlichte Stephanie unter dem Titel Ich sollte Kaiserin werden ihre Memoiren. Dies führte in Österreich zu einem Skandal, das Buch verkaufte sich dennoch sehr gut und wurde in mehrere Sprachen übersetzt.

Nach der Flucht des Fürstenpaares Lónyay vor der Roten Armee in das Benediktinerkloster Pannonhalma in Ungarn am Ende des Zweiten Weltkriegs starb Stephanie dort, 81-jährig, am 23. August 1945. Ihr Mann starb am 29. Juli 1946 in Budapest. Beide sind in der Krypta der Stiftskirche der Benediktinerabtei beigesetzt.

Nachkommen

Sonstiges

Prinzessin Stephanie von Belgien

Die Stephanienwarte auf der Platte in Graz Mariatrost wurde nach Zustimmung ihres Gatten Rudolf nach ihr benannt. Weiters wurden die Kronprinzessin-Stephanie-Warte in Karlsbad, ebenso die Stefaniewarte auf dem Kahlenberg in Wien und der Konzertsaal im Grazer Congress, der Stephaniensaal, nach ihr benannt.

Für den Besuch der Kronprinzessin Stephanie im Jahre 1888 wurden die bis dahin schwer zugänglichen Plitvicer Seen in Kroatien erschlossen und erste Stege über das Wasser gebaut. Auch heute noch trägt einer der berühmtesten Wege durch den Nationalpark den Namen „Stephanies Weg“ (kroat. Štefanijin put).

Zu Ehren ihrer Hochzeit mit Rudolf wurde 1881 von Johann Palisa der Asteroid Stephania benannt.

Zwischen 1884 und 1886 wurde zu Ehren der Kronprinzessin Stephanie in Wien die Stephaniebrücke errichtet, Architekt war Otto Hieser. 1919 wurde die Brücke in Salztorbrücke unbenannt.

Literatur

  • Stephanie von Lónyay: Ich sollte Kaiserin werden. Lebenserinnerungen der letzten Kronprinzessin von Österreich-Ungarn. Koehler und Amelang, Leipzig 1935[9], die Verbreitung wurde aber durch die Tochter gerichtlich untersagt
  • Irmgard Schiel: Stephanie - Kronprinzessin im Schatten von Mayerling. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1978
  • Helga Thoma: Ungeliebte Königin. Piper, München 2000

Einzelnachweise

  1. Sigrid-Maria Größing: Rudolf. Herzensbrecher, Freigeist, Psychopath, Salzburg 2006.
  2. Sigrid-Maria Größing: Rudolf. Herzensbrecher, Freigeist, Psychopath, Salzburg 2006.
  3. Jean-Paul Bled: Kronprinz Rudolf, Wien 2006, S.126
  4. Robert Seydel: Die Seitensprünge der Habsburger, S. 109, Ueberrreuterverlag, Wien, 2005. Vgl. Abschiedsbrief auf Wikimedia Commons
  5. Robert Seydel: Die Seitensprünge der Habsburger, S. 139-141, Ueberreuterverlag Wien, 2005
  6. Robert Seydel: Die Seitensprünge der Habsburger, Seite 141, Ueberreuterverlag, Wien, 2005
  7. Tageszeitung Reichspost, Wien, 9. September 1914, S. 4
  8. Neue Freie Presse, Tageszeitung, Wien, 23. November 1916, S. 6
  9. Katalogzettel Österreichische Nationalbibliothek

Weblinks

 Commons: Stephanie von Belgien – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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