Steinkonservierung

Steinkonservierung

Unter dem Begriff Steinkonservierung werden Maßnahmen verstanden, die dem Zweck dienen, den Zustand eines verwitterten Denkmalgesteins zu bewahren, zu erhalten bzw. konservieren. Da die Verwitterung fast immer das Ergebnis der chemischen und/oder physikalischen Wechselwirkung von Wasser mit den gesteinsbildenden Mineralen bzw. deren Gefüge ist, besteht ein Ansatz der Steinkonservierung darin, Wasser vom Stein fernzuhalten und gegebenenfalls aufgelöstes bzw. verloren gegangenes Bindemittel zu ersetzen.

Die Steinkonservierung besitzt eine lange Tradition. Die verwendeten Mittel und Applikationstechniken haben sich im Laufe der Zeit in Anlehnung an den aktuellen Stand von Forschung und Entwicklung verändert, aber das Ziel, die Bewahrung und der Schutz von Kulturgut aus Naturwerksteinen, ist das gleiche geblieben. Stets muss bedacht werden, dass jede Konservierungsmaßnahme an porösen Stoffen als nicht reversibel einzustufen sind.

Inhaltsverzeichnis

Kieselsäureester-Festigung

Gegenwärtig wird insbesondere die Festigung verwitterter Gesteinsoberflächen mit Kieselsäureester praktiziert. Der Kieselsäureester wird mit einer Injektionsspritze, einem Pinsel oder einer Kompresse auf die Gesteinsoberfläche gebracht, dringt in das oberflächennahe Porengefüge des Steins ein und hydrolysiert dort unter Reaktion mit der Feuchte im Gestein zu amorpher Kieselsäure. Dieses Kieselgel ersetzt als dünner Film im Porenraum die durch Verwitterung verloren gegangene Bindung und festigt dadurch absandende und leicht abschuppende Gesteinsoberflächen sedimentärer Gesteine. Tiefergehende Schäden wie Rissbildungen oder sich von der Oberfläche ablösende Schalen können durch dieses Verfahren nicht repariert werden. Dazu sind aufwendigere Maßnahmen wie das Verfüllen der Risse bzw. das Hinterfüllen der Schalen mit materialangepassten Mörteln erforderlich. Das Bindemittel dieser Mörtel ist häufig auch Kieselsäureester oder ein Kieselsol.

Problematisch bei der Kieselsäureesterfestigung sind die Eindringtiefe des Festigungsmittels und das Erreichen eines ausgeglichenen Festigkeitsprofils. Das Problem ist durch die in situ möglichen Applikationstechniken bedingt, bei der das Festigungsmittel ausschließlich kapillar aufgesaugt wird. Bei sehr feinporigen Gesteinen mit einem mittleren Porenradius < 1 µm beträgt die Eindringtiefe nur wenige Millimeter, während sie bei großporigen Gesteinen (> 5 µm) einige Zentimeter betragen kann. Reicht die verwitterte Zone tiefer in den Stein als die Eindringfront des Kieselsäureesters, dann entsteht eine harte, äußere Schale auf einer schwach verfestigten Zone, die dann zur Sollbruchstelle wird.

Acrylharzvolltränkung

Für abbaubare Objekte wird seit mehr als 30 Jahren das Verfahren der Acrylharz-Volltränkung angewendet, bei dem die problematische Schalenbildung nicht auftritt. In großen Autoklaven wird mit Unterstützung von Vakuum und Druck monomeres Methylmethacrylat (MMA) in das zuvor vollständig ausgetrocknete Porensystems eingebracht. Nach vollständiger Durchdringung wird das MMA durch Wärmezufuhr polymerisiert, so dass in dem Porensystem PMMA (Acrylglas, Plexiglas) entsteht. Durch Haftvermittler wird eine gute Verhaftung mit der Porenwandung erreicht, so dass eine hohe -über den gesamten Querschnitt des Gesteins- gleichmäßige Festigkeit erzielt wird, und die Wasseraufnahme vollständig unterbunden ist. Nach anfänglich aufgetretenen Problemen, die u. a. auf nicht ausreichende, vorherige Trocknung zurückzuführen waren, hat sich das Verfahren inzwischen für zahlreiche, keinesfalls aber alle Gesteinsarten, die Feuchtigkeit aufnehmen und damit witterungsanfällig sind, bewährt. Das Verfahren wurde aufgrund des starken Eingriffs in die Gesteinsubstanz in der Anfangsphase ausschließlich als ultima ratio bei anders nicht mehr zu rettenden Objekten eingesetzt. Diese Einschränkung ist inzwischen weitgehend aufgehoben. Eine besondere Bedeutung kommt dem Verfahren bei statisch gefährdeten Objekten zu (z.B. Treppenanlage des Wendelsteins in Torgau). Geringfeste Natursteine mit hohem Porenvolumen, beispielsweise Weiberner Tuff, sind aufgrund einer hohen Wahrscheinlichkeit von Folgeschäden in Form von Rissbildungen für eine Acrylharzvolltränkung nicht geeignet. Eine prophylaktische Anwendung dieses Verfahrens sollte unterbleiben.

Vollkonservierung mit funktionellen Silanen

Als Ergänzung zur vorher beschriebenen Acrylharzvolltränkung gibt es ein neueres Verfahren der Vollkonservierung strukturgeschädigter Objekte mit einem mineralischen Festigungsmittel. Die "Vollkonservierung mit funktionellen Silanen" kann nur an abbaubaren und mobilen Sandsteinobjekten durchgeführt werden, da auch hier große druck- und vakuumfähige Autoklaven benötigt werden. Mit dem Konzept der Vollkonservierung wird einer Grenzflächenbildung zwischen gefestigten und ungefestigten Bereichen entgegengewirkt. Da das Festigungsmittel aus einer Mischung funktioneller Organoalkoxysilane besteht, die an silikatischen Oberflächen chemisch anbinden kann, eignet es sich zur Festigung von Sandsteinen, nicht aber zur Festigung von calcitischen Gesteinen wie z.B. Marmor. Das Festigungsmittel wird monomer in den Stein eingebracht und im Porenraum durch Hydrolyse und Polykondensation zu einem stabilen Polysiloxanfilm auspolymerisiert. Es wird dabei lediglich die innere Oberfläche der Gesteinsporen beschichtet. Der Porenraum an sich bleibt offen.

Die Abfolge der Vollkonservierung mit funktionellen Silanen:

  • Konditionierung des Steins: Der Stein wird konditioniert werden um den Porenraum für die Aufnahme des Festigungsmittels vorzubereiten. Er muss jedoch nicht vollständig getrocknet werden da das Festigungsmittel Feuchtigkeit zum Reagieren benötigt.
  • Tränkung: Der konditionierte Stein wird in einer Tränkwanne gelagert. Die Tränkwanne wird im Druck/Vakuum- Autoklaven mit dem Tränkmedium geflutet und unter Vakuum gesetzt. Luft entweicht aus dem Stein. Es folgt eine Druckphase die das Tränkmedium in den Stein transportiert. Nach mehreren Druck/Vakuum- Phasen wird der Stein aus dem Tränkmedium entnommen.
  • Ausreaktion: Die Ausreaktion findet unter kontrolliertem feucht-warmen Klima statt. Zusätzlich wird der Umgebungsdruck dem Reaktionsverlauf angepasst. Die vollständige Reaktion dauert, je nach Art und Format des Substrats 14 Tage bis 3 Wochen.
  • Restaurierung: Alle konventionellen restauratorischen Maßnahmen können ohne Einschränkungen an den gefestigten Stücken durchgeführt werden.
  • Reversibilität und Wiederbehandlung: Grundsätzlich ist keine Konservierungsmaßnahme vollständig reversibel. Von höherer Bedeutung ist heute die "Wiederbehandelbarkeit"[1]. Die "Wiederbehandelbarkeit" ist nach der Vollkonservierung mit funktionellen Silanen vollständig gegeben. Da der Porenraum nicht verfüllt sondern nur ummantelt ist, kann eine wiederholte Festigung mit dem gleichen System, in späterer Zeit mit anderen, neuen Festigungsmitteln aber auch mit der vorher erwähnten Acrylharzvolltränkung durchgeführt werden.

Hydrophobierung

Als eine schonende – weil „nur“ wasserabweisende – Konservierungsmaßnahme ist lange Zeit die Hydrophobierung angesehen worden. Der Hinweis, dass der Stein weiterhin „atmen“ könne, hat den Blick auf die Probleme verschlossen, die hinter der hydrophobierten Schicht auftreten können. Die Hydrophobierung wirkt nicht nur von außen nach innen, sondern auch von innen nach außen. Das bedeutet, dass das im Stein befindliche Wasser den Stein durch diese Schicht nur über die Dampfphase verlassen kann. Hinter dieser Schicht kann es somit zu einem Wasserstau und bei salzbelasteten Steinen zu einer Salzkonzentration kommen. Die Hydrophobierung erfordert deshalb eine sehr umfangreiche Voruntersuchung auf Eignung des Gesteins und des individuellen Einsatzortes, um Schäden durch Frost und Salzbelastung auszuschließen. Verschiedene Steinvarietäten, insbesondere die rheinischen Tuffe, aber auch Backsteine bzw. Ziegel zeigen sehr häufig auf die Hydrophobierung zurückzuführende Folgeschäden in Form von Schalenbildungen von der Stärke der von der Hydrophobierung erfassten Gesteinsoberfläche.

Voraussetzung für eine erfolgreiche Konservierungsmaßnahme ist die Aufnahmefähigkeit des zu behandelnden Gesteins für das angebotene Konservierungsmittel. So nehmen sehr feinporige Gesteine u.U. nur das Lösungsmittel auf, während an der Oberfläche eine Ablagerung des Wirkstoffes festzustellen ist. Die Eignung des Konservierungsmittels für das jeweilige Gestein (oder umgekehrt des Gesteins für ein ansonsten bewährtes Konservierungsmittel) ist deshalb von Fall zu Fall zu prüfen, nicht zuletzt im Hinblick auf den vorliegenden Verwitterungszustand und eventuell früher durchgeführter Maßnahmen. Zu prüfen ist aber auch die Aufnahmebereitschaft des Kapillarsystems. Eine mit Wasser gefüllte Pore kann kein Konservierungsmittel aufnehmen. Die In-situ-Behandlung stößt hier an natürliche, physikalische Grenzen.

Biologische Verfahren

Eine ungewöhnliche neue Methode wurde jüngst am Mailänder Dom ausprobiert. Eine Forschergruppe unter Leitung der Mikrobiologin Francesca Cappitelli ließ an zwei verschiedenen verwitterten Stellen zwei Verfahren gegeneinander antreten, die man unter der Überschrift „Chemie gegen Biologie“ zusammenfassen kann. Der Einsatz von Mikroben der Art Desulfovibrio vulgaris erwies sich als die schonendere Methode. Sie reinigten die dunkle, gipshaltige Kruste des Marmors gleichmäßig und rückstandsfrei.[2]

Literatur

  • Rolf Snethlage: Leitfaden Steinkonservierung. Planung von Untersuchungen und Maßnahmen zur Erhaltung von Denkmälern aus Naturstein, 3. überarbeitete Auflage, Fraunhofer IRB Verlag, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-8167-7554-6
  • DBU Forschungsprojekt AZ 25200-45 „Bewahrung wertvoller umweltgeschädigter Kulturgüter aus Naturstein durch innovative Konservierung mit einer Mischung funktioneller Silane“

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. (Odermatt, W.; in: Nachhaltigkeit und Denkmalpflege. Beiträge zu einer Kultur der Umsicht, 2003, S.127-137)
  2. (Der Spiegel 38/2007, S. 169)

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