Stefan Stambolow

Stefan Stambolow
Stefan Stambolow

Stefan Nikolow Stambolow (bulgarisch Стефан Николов Стамболов; * 31. Januar 1854 in Weliko Tarnowo; † 18. Juli 1895 in Sofia) war Premierminister von Bulgarien, einer der wichtigsten Begründer des Modernen Bulgariens, langjähriger Vorsitzender der „Volksliberalen Partei“ und einer der „Freiheitsapostel“ des Aprilaufstandes von 1876. Seine Familie stammte aus Trjawna. Er wurde von bulgarischen Nationalisten aus Makedonien, wegen seiner gemäßigten Politik gegenüber Makedonien und als Vergeltung für die Hinrichtung von Kosta Panica umgebracht.[1]

Inhaltsverzeichnis

Leben

Stefan Stambolow wurde am 31. Januar 1854 in Weliko Tarnowo geboren, seine Familie stammte jedoch aus dem nah gelegenen Trjawna. Sein Vater war Teilnehmer am Weltschower-Aufstand von 1835 und an der Erhebung des Hauptmanns Djado Nikola (1856). Stambolow wurde von Revolutionären wie Christo Iwanow, Matei Preobraschenski und Christo Karaminkow beeinflusst, die gute Freunde der Familie waren.

Stambolows schulische Ausbildung begann in Weliko Tarnowo, er studierte aber von 1870 bis 1872 am angesehenen bulgarischen Priesterseminar in Odessa. Wegen seiner Kontakte zu russischen Revolutionären wurde er vom Seminar ausgeschlossen. 1893 arbeitete Stambolow für kurze Zeit als Lehrer in seiner Heimatstadt, danach setzte er sich nach Rumänien ab, wo eine starke bulgarische Exilgemeinde lebte.

Kampf für die Unabhängigkeit Bulgariens

Für die Freiheit: Stefan Stambolow mit Sachari Stojanow, Stojan Zaimow und Nikola Obretenow

Stambolow nahm auch an fast allen Veranstaltungen für die politische Unabhängigkeit Bulgariens in den 1870er-Jahren teil; Stambolow trat dem Bulgarischen Revolutionären Zentralkomitee (BRZK) bei und spielte eine wichtige Rolle während der Vorbereitungen und Durchführungen des Stara-Sagora-Aufstandes in Stara Sagora (1875), des großen Aprilaufstand (1876).

Als Reaktion gegen die Entscheidungen des Berliner Kongresses, war Stambolow einer der Begründer der Komitees „Edinstwo“ (Единство/Einheit). Das Erste Komitee wurde in Weliko Tarnowo ins Leben gerufen. Die Komitees hatten sich das Ziel gesetzt, diese Entscheidungen zu revidieren und „Bulgarien in seine nationale Grenzen vom Frieden von San Stefano wiederherzustellen“. Eine ihre erste Handlungen war die Vorbereitung und Durchführung des Kresna-Raslog-Aufstandes (1878) in Makedonien, an denen auch Stefan Stambolow teilnahm.

Stambolow wurde nach 1880 Vize-Vorsitzender und später Vorsitzender des Bulgarischen Parlaments. Er war maßgeblich an der Vereinigung Bulgariens mit Ostrumelien beteiligt. Die Vereinigung Bulgariens wurde jedoch von Österreich-Ungarn und Russland missbilligt, Großbritannien hingegen stellte sich hinter dem Fürstentum. Österreich-Ungarn signalisierte dem mit ihm verbündeten Serbien, das sich offen gegen das bulgarische Vorgehen wandte, Rückendeckung, worauf der Serbisch-Bulgarischer Krieg ausbrach. Der Krieg endete mit der Niederlage Serbiens und dem Frieden von Bukarest am 3. März 1886. Gegenseitige Gebietsforderungen wurden darin ausgeschlossen und das Osmanische Reich akzeptierte grundsätzlich die Vereinigung Bulgariens und Ostrumeliens unter der Bedingung, dass der Fürst Alexander über Ostrumelien weiterhin als formal vom Sultan eingesetzter Statthalter regieren solle.

Russland gab sich jedoch unzufrieden und der russischer Zar Alexander III. weigerte sich dem bulgarischen Fürsten Alexander von Battenberg als Herrscher des vergrößerten Bulgarien anzuerkennen. Auf russisches Betreiben putschte nun eine Gruppe prorussischer Offiziere gegen den bulgarischen Fürsten Alexander I. und zwang ihn am 9. August 1886 zur Abdankung. Daraufhin wurde er außer Lande nach Russland verschleppt.

Mit Unterstützung von Stefan Stambolow, der Parlamentspräsident war und mit Hilfe des Militärs gegenputschte, konnte jedoch Alexander von Battenberg nach Bulgarien und nochmals kurz auf den Thron zurückkehren. Am 7. September 1886 verzichtete er dann jedoch endgültig auf die Herrschaft, da er das Vertrauen des russischen Zaren nicht mehr genoss. Im Bulgarien wurde eine Regentschaft unter der Führung des prowestlichen Stefan Stambolow gebildet, die einen Nachfolger von Alexander von Battenberg suchen sollte. In der zwischen Zeit brachen im ganzen Land kleinere prorussische Aufstände, die von Stambolow und treuen Militärs niedergeschlagen wurde. In diesem Zuge wurden führenden bulgarischen Russophile (prorussische Kräfte) im Lande unter Hausarrest gestellt (wie Kliment Tarnowski) inhaftiert (wie Panajot Chitow und Petko Wojwoda) oder verließen das Land (wie Iwan Wasow). Nach langen innenpolitischen Wirren stellte die Regentschaft Ferdinand von Sachsen-Coburg und Gotha vor, der schließlich 1887 zum Fürst gewählt wurde.

Ministerpräsident 1888 bis 1894

Denkmal für Stefan Stambolow in seinem Geburtsort Weliko Tarnowo

Nachdem der neuer Fürst Ferdinand von Sachsen-Coburg und Gotha in seinem Amt bestätigt wurde, wurde Stefan Stambolow zum Ministerpräsidenten ernannt. Ferdinand wurde jedoch von Russland und den anderen Großmächten nicht als Herrscher Bulgariens anerkannt, da dessen Wahl ohne die Abstimmung mit ihnen erfolgte.

Von 1887 bis 1894 bekleidete Stefan Stambolow das Amt des Premierministers. Stambolow konnte als Nationalist die außenpolitischen Beziehungen, die Wirtschaft und die allgemeine politische Macht Bulgariens stärken. Nachdem das Russische Reich die diplomatischen Beziehungen mit Bulgarien am 8. November 1886 abbrach, verfolgte Stambolow eine gegenüber Russland feindliche Politik, was ihn viele politische Widersacher brachte, gegen die er hart vorging. Als schließlich Stambolow eine gemäßigte Politik gegenüber dem Osmanischen Reich im Bezug auf Makedonien einschlug, wandten sich auch ehemaligen Weggefährten wie Kosta Panica von ihm ab und versuchten gemeinsam mit anderen Makedonische Bulgaren, teilweise auch mit russischer Unterstützung ihn mehrmals zu ermorden. Bei einem dieser Versuche wurde Panica verhaftet und anschließend zum Tode verurteilt und am 26. Juni 1890 in Sofia hingerichtet.

Nach der Panica-Verschwörung mussten in der Makedonischen Frage und gegenüber der russischen Einmischung in der bulgarischen Innenpolitik Fakten geschaffen werden, dies sahen sowohl Stambolow, wie auch der osmanischen Sultan Abdülhamid II. ein. Die Hohen Pforte entsandte auf dringen Stambolows im 1890 einen Vertreter nach Sofia um formell über den Zustand der moslemischen religiösen Immobilien in Bulgarien zu beraten. Mit dem ersten Besuch eines Vertreters des Sultans (das Fürstentum war nach dem Berliner Kongress von 1878 ein von dem osmanischen Imperium autonomen und tributpflichtigen Staat) seit 1887, wurde jedoch Ferdinand de facto und de jure als bulgarischer Herrscher anerkannt und der russischen Druck zur dessen Absetzung gemildert. Weiterhin konnte Stambolow für die bulgarisch-orthodoxe Kirche (kurz BOK) das Recht zur Gründung von Gemeinden im osmanischen Vilâyet (Provinz) Adrianopel (heute Ost- und Westthrakien), sowie die Errichtung von Diözesen in den makedonischen Ohrid, Veles, Bitola, Newrokop und Skopje, die mit Sultansberate abgesichert wurden, erfolgreich durchsetzen. Somit erhielt die bulgarische Bevölkerung innerhalb des osmanischen Reich, nach Jahrhunderten griechischer Kirchenvormachtstellung (das bulgarische Patriarchat wurde 1394, das Erzbistum von Ohrid wurde 1767 abgeschaffen), die Möglichkeit zur Abhaltung der Liturgie in der eigenen Sprache.

Die Ausweitung des Einflusses der BOK in Makedonien und Thrakien geschah auf Kosten des griechisch geprägten Patriarchat von Konstantinopel, das dieses Gebiet traditionell und mit zunehmender Verbreitung der Megali Idea unter den Griechen für sich beanspruchte und dadurch die Gründung von Diözesen seit 1872 (Unabhängigkeit der BOK als Bulgarisches Exarchat) verhindern konnte. Mit der Ausweitung des Einflusses konnte auch die Wiedergeburtszeit (unter den Grundforderung war die Abhaltung der Liturgie in der bulgarischen Sprache), die in den 1870er in dieser Region wegen der zahlreiche Aufstände zum Stillstand kam, weiter geführt und erfüllt werden.

Die erfolgreiche Strategie Stambolows durch Kooperation mit der Hohen Pforte die Stellung der Bulgaren, die nach dem Berliner Kongress weiter im osmanischen Reich lebten zur verbessern führte auch zur Schwächung der Stellung der makedonischen und thrakischen Nationalisten die sich 1893 innerhalb des Reiches zum BMARK zusammenschlossen.

Am 3. Julijul./ 15. Juli 1895greg.[2] wurde auf dem Heimweg in Sofia auf ihn ein Attentat durch makedonische Nationalisten verübt, die nicht mit seiner gemäßigten Politik gegenüber Makedonien einverstanden waren. Er konnte noch seine Angreifer erkennen und diese Dimitar Petkow, der ihn begleitete mitteilen. Stambolow erlag drei Tage später seinen Verletzungen.

Ehrungen

Stambolow ist auf der Vorderseite des bulgarischen 20 Lew abgebildet,[3] weiters tragen vielerorts Straßen, Plätze und Institutionen seinen Namen.

Literatur

  • Petar Angelow: Istorija na Balgarija (aus dem bulg. Geschichte Bulgariens). SOFI-R, Sofija 2003, Band 1: ISBN 954-638-121-7, Band 2: ISBN 954-638-122-5
  • Krum Blagov: Die Ermordung von Stambolow (aus dem bulg. Убийството на Стамболов) in 50 größten Attentate in der bulgarischen Geschichte (aus dem bulg. 50-те най-големи атентата в българската история), Online-Auszug aus dem Buch
  • R. J. Crampton: A Concise History of Bulgaria. 2. Auflage. Cambridge University Press, 9. Januar 2006, ISBN 978-0-521-61637-9., S.137ff
  • Hans-Joahim Härtel, Roland Schönfeld: Bulgarien. Friedrich Puste, Regensburg 1998, ISBN 3-7917-1540-2
  • Duncan M. Perry: Stefan Stambolov and the Emergence of Modern Bulgaria, 1870–1895. Duke University Press, 1993, ISBN 0-8223-1313-8.
  • Simeon Radew: Die Erbauer/Schöpfer des modernen Bulgariens Band 2 (1911) und Band 3 (2008) (bulg. "Строителите на съвременна България". Том 2, Том 3)
  • Angel Zurakow: Die Regierungen Bulgariens 1879–1913 (aus dem bulgarischen Правителствата на България 1879–1913), Verlag Гея-либрис, Sofia 1996, ISBN 954-8232-71-5, S. 68–69, S. 72–73

Weblinks

 Commons: Stefan Stambolow – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Simeon Radew: Die Erbauer/Schöpfer des modernen Bulgariens Band 2 (1911) und Band 3 (2008) (bulg. "Строителите на съвременна България". Том 2, Том 3)
  2. Bulgarien. In: Brockhaus Konversations-Lexikon 1894–1896, Supplementband 1897, Seite 234.
  3. bnb.bg

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