Stefan Heucke

Stefan Heucke
Stefan Heucke am 29. September 2007 in Traun

Stefan Heucke (* 24. Mai 1959 in Gaildorf, Baden-Württemberg) ist ein deutscher Komponist. Seit 1996 lebt er als freier Komponist in Bochum.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Heucke machte 1978 in Stuttgart Abitur und studierte dann bei Professor Renate Werner. 1982 wechselte er zum Musik-Studium nach Dortmund, wo er bei Professor Arnulf von Arnim Klavier und bei Professor Gerhart Schäfer Tonsatz und Komposition studierte.

Heucke hat sich stets als Komponist verstanden und komponierte ab 1985 für die Rundfunkanstalten SR, WDR und den SDR. Von 1989 bis 2002 hatte er einen Lehrauftrag an der Staatlichen Hochschule für Musik Detmold in Dortmund. Zahlreiche seiner Kompositionen wurden in dieser Zeit auch im Ausland aufgeführt, etwa in Moskau, Paris, Lissabon und Rio de Janeiro.

1996 bekam Heucke von der Werner-Richard-Dr.-Carl-Dörken-Stiftung für zwei Jahre ein Stipendium. In diesem Jahr begann Schott Musik International, Heuckes Partituren zu veröffentlichen. Ab 1998 folgten zahlreiche CD-Produktionen.

2001 führte das Große Haus des Musiktheaters Gelsenkirchen Heuckes Tanzoratorium Die Ordnung der Erde (op. 30) erstmals auf. Zu diesem Stück ließ sich Heucke vom Gilgamesch-Epos inspirieren. Inszeniert und choreographiert wurde es von Bernd Schindowski.

Heucke sucht die Verbindung von Sprache und Musik und nimmt sich häufig literarischer Texte an. Seine Werke belaufen sich bis 2006 auf knapp 50 Lieder für Stimme und verschiedene Besetzungen, Orchesterwerke (Sinfonien, Konzerte, Werke für Stimme und Orchester), Kammermusik, geistliche Musik und zwei abendfüllende Werke für das Musiktheater.

2004 erhielt Heucke den Kompositionsauftrag der Städtischen Bühnen Krefeld/Mönchengladbach und Stipendium der Werner Richard – Dr. Carl Dörken – Stiftung für die Oper Das Frauenorchester von Auschwitz (siehe unten).

2005 bis 2006 wirkte Stefan Heucke als Composer in Residence an der Universität Witten Herdecke.

Im November 2007 wurde Heucke mit dem alle sechs Jahre vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe vergebenen Hans-Werner-Henze-Preis ausgezeichnet.

In der Spielzeit 2010/2011 ist Heucke Composer-in-Residence der "Niederrheinischen Sinfonie" in Krefeld/Mönchengladbach.

Im Jahr 2011 komponierte Heucke die Musik zu einem Oratorium über das Leben des Seligen Nikolaus Groß, zu dem sein Bruder Clemens Heucke das Libretto schrieb.

Heuckes Werke erscheinen bei Schott Music.

Das Frauenorchester von Auschwitz

Am 16. September 2006 fand im Theater Krefeld/Mönchengladbach die Uraufführung der Oper Das Frauenorchester von Auschwitz statt. Inszeniert wurde das Werk vom Generalintendant des Hauses, Jens Pesel. In der Rolle der Dirigentin Alma Rosé ist die weltberühmte norwegische Altistin Anne Gjevang (Oslo) zu hören. Die musikalische Gesamtleitung hat GMD Graham Jackson. Erstmals ist mit diesem Werk das Leben im KZ Gegenstand einer Oper. Thema des Stückes ist der sicherlich extremste Missbrauch von Musik, den es jemals gegeben hat. Selbst unter den für uns Nachgeborene unvorstellbaren Bedingungen eines Vernichtungslagers hat die Musik ihre lebensrettende Funktion für die Mitglieder des Orchesters bewahrt. Die Komposition des Werkes wurde finanziert von der Werner Richard – Dr. Carl Dörken-Stiftung (Herdecke), dem Zentralrat der Juden in Deutschland und dem Fonds Neues Musiktheater des Kultursekretariats NRW in Wuppertal.

Historischer Hintergrund

Vom Beginn des Jahres 1943 bis Ende 1944 hat es im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau tatsächlich ein Frauenorchester gegeben. Dieses Orchester bestand zum großen Teil aus musikalischen Laien und zum kleinen Teil aus professionellen Musikerinnen. Die Dirigentin des Orchesters war die Nichte Gustav Mahlers, die vorzügliche und zu ihrer Zeit berühmte Geigerin Alma Rosé. Das Orchester war zunächst von der SS zusammengestellt worden, um beim Aus- und Eingang der Häftlinge vom Lager zur Arbeitsstätte und wieder zurück Märsche zu spielen, damit die Häftlinge leichter gezählt werden konnten. Sehr bald aber wurde dieses Orchester zu einem Bestandteil des „sozialen“ Lebens im Lager. Die Frauen spielten außer bei dieser Gelegenheit ebenfalls bei der Ankunft der Häftlinge im Lager, bei den Selektionen, im Kranken- und Versuchsblock. Schließlich musste die Kapelle auch Konzerte für die SS geben und bei Weihnachtsfeiern, Bällen etc. mitwirken.

Das Frauenorchester

Das Orchester war bis zu 50 Personen stark, bestand aus einer überaus abenteuerlich zusammengewürfelten Besetzung (Violinen, Blockflöten, Querflöten, Gitarren, Mandolinen, Akkordeons, Cello, Kontrabass, Klavier und Schlagzeuge). Für diese Besetzung haben Alma Rosé und ihre professionellen Helferinnen Stücke der klassischen Musik und der leichten Muse arrangiert, dann geprobt und bei den entsprechenden Gelegenheiten aufgeführt. Sehr viele Spielerinnen des Orchesters haben Auschwitz eben durch das Musizieren im Orchester überlebt. Alma Rosé selbst als eine der wenigen tragischerweise nicht.

Quellen

Das Frauenorchester ist dank des 1976 zunächst in französischer Sprache und dann 1980 in deutscher Übersetzung erschienenen Romans Das Mädchenorchester in Auschwitz von Fania Fénelon, eines Mitgliedes des Orchesters, ausführlich dokumentiert. Die Authentizität dieses Romans wurde von der jüngeren Forschung, nicht zuletzt aufgrund von abweichenden Darstellungen anderer überlebender Frauen aus dem Orchester, stark in Zweifel gezogen. Allerdings haben inzwischen weitere Untersuchungen die unterschiedlichen Darstellungen zu einem umfassenderen Bild der Ereignisse von damals verdichtet.

Persönlicher Hintergrund

Der Roman begegnete dem Komponisten Stefan Heucke erstmals 1980. Bereits bei der ersten Lektüre entstand der unumstößliche Plan, aus diesem Stoff eine Oper zu gestalten. Nach sehr langen Planungen und Recherchen bat er seinen Bruder, den Historiker Dr. Clemens Heucke, ein Libretto für diese Oper zu schreiben. In das Libretto flossen nicht nur Forschungen vor Ort ein, sondern auch Gespräche mit Überlebenden. Es wurde im Sommer 1998 fertig gestellt. Bei der endgültigen Ausgestaltung des Librettos haben die beiden mit zahlreichen Anregungen und Korrekturen u.a. besonders unterstützt:

  • die ehemalige Cellistin im Frauenorchester Anita Lasker-Wallfisch, London,
  • der ehemalige Leiter der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau, Herr Kasimierz Smólen, Oswiecim,
  • die Soziologin Frau Dr. Gabriele Knapp, Berlin, die eine umfassende soziologische Untersuchung über das Frauenorchester in Auschwitz verfasst hat.

Das Opernprojekt

Die Besetzung umfasst außer zahlreichen Gesangssolistinnen, Schauspielerinnen und dem üblichen großen Orchester ein Bühnenorchester, entsprechend dem originalen Frauenorchester von Auschwitz in verkleinerter Form. Da bekannt ist, woraus das Repertoire des Orchesters bestand, werden etliche Ausschnitte aus klassischen Werken (Schubert, Schumann, Puccini, Strauss, Suppé) im Klanggewand dieses Ensembles in die Oper integriert sein. Die Oper erzählt die Geschichte des Orchesters mit Eintritt der Chronistin Fania Fénelon ins Ensemble im Januar 1944 bis hin zu dessen Auflösung im November 1944.

Die Realisierung

Mit der Komposition des Stückes hat Stefan Heucke im Oktober des Jahres 2001 begonnen, bis Juli 2002 daran gearbeitet und die Arbeit dann im Februar 2004 wieder aufgenommen. Die Uraufführung im Theater Krefeld/Mönchengladbach war am 16. September 2006. Am selben Abend wurde in den Tagesthemen[1] darüber berichtet.

Aufführung der Frauenorchestersuite am 29. September 2007 in Traun

Am 29. September 2007 wurde die „Frauenorchestersuite“ im Rahmen des Brucknerfests im Kulturhaus Spinnerei in Traun aufgeführt. Bei dieser einzigen Aufführung in Österreich spielte ein eigens zusammengestelltes Frauenorchester in der in Auschwitz verwendeten Besetzung unter der Leitung von Carla Delfrate. Stefan Heucke gab eine Einführung in sein Werk. Anita Lasker-Wallfisch, eine der letzten Überlebenden des Frauenorchesters, las aus ihren Erinnerungen und diskutierte mit dem Publikum.[2]

Preise und Auszeichnungen

  • 1985 Preisträger beim Forum junger deutscher Komponisten für Orchestermusik
  • 1990 Förderpreis der Stadt Dortmund für junge Künstler
  • 2002 1. Preis beim Kompositionswettbewerb des Europafestivals der Ruhr-Orchester Windrose
  • 2007 Hans-Werner-Henze-Preis

Weblinks

Einzelnachweise

  1. http://www.tagesschau.de/sendungen/0,1196,OID5915694_OIT5915700,00.html
  2. Das Frauenorchester von Auschwitz. Musik als Zwangsarbeit – Musik als Lebensretter (Brucknerhaus Linz)

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