Stationschef Fallmerayer

Stationschef Fallmerayer

Stationschef Fallmerayer ist eine Novelle von Joseph Roth, die 1933 im Amsterdamer Verlag Allert de Lange in der von Hermann Kesten herausgegebenen Sammlung Novellen deutscher Dichter der Gegenwart erschien.

Der österreichische Bahnbeamte Fallmerayer liebt eine russische Gräfin, beweist aber im entscheidenden Moment seine Menschlichkeit: Er kann verzichten.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Stationschef [Bahnhofsvorsteher] Adam Fallmerayer, der kaum zwei Stunden von Wien entfernt an der Bahnstrecke nach Italien seinen Dienst tut, kommt sich vor wie ein Bahnwärter, wenn die Expreßzüge nach dem Süden durch seine kleine Bahnstation sausen und niemals halten. Einmal ist er mit seiner Ehefrau und den gemeinsamen Zwillingen im Urlaub nach Bozen gefahren, aber das war weder der Süden noch das Meer. Im März 1914 stößt einer dieser Expreßzüge infolge menschlichen Versagens auf einen Güterzug. Fallmerayer hastet zum Unfallort und hilft mit. Er kümmert sich um die Gräfin Anja Walewska, eine Russin aus der Nähe von Kiew. Die Dame wollte nach Meran. Fallmerayer nimmt sie für ein paar Tage auf, stellt ihr sein Bett zur Verfügung und schläft im Dienstraum. Die Gräfin reist schließlich weiter.

Der Krieg bricht aus. Fähnrich Fallmerayer eilt zu seinem Jägerbataillon. Er kann die schöne Gräfin aus Feindesland nicht vergessen. Fallmerayer wird Leutnant. Selbst nach einer Verwundung bleibt er im Feld. Fallmerayer lernt Russisch und gelangt schließlich in die Nähe von Kiew. Er sucht und findet die Gräfin auf ihrem Landsitz. Der Herr Graf ist an der Front. Gleich nachdem Fallmerayer zum Oberleutnant befördert worden ist, verbringt er seinen Urlaub nicht in Österreich bei seiner Familie, sondern bei der einsamen Gräfin. Nach ein paar Tagen umarmt und küsst sich das Paar. Als der Krieg vorbei ist, zerfällt die österreichische Armee und die russischen Roten marschieren vor. Fallmerayer flieht mit der Geliebten über Tiflis nach Konstantinopel und nach Monte Carlo. Dort besitzen die Walewskis eine kleine Villa. Das Liebespaar lebt glücklich und sorgenfrei, denn die Gräfin hatte kurz vor der Flucht ihren Schmuck im Garten ausgraben lassen. Anja Walewska möchte, dass sich ihr Liebhaber scheiden lässt. Fallmerayer leitet dies Vorhaben über einen Vetter in die Wege. Der Vetter und die anderen Verwandten aber zählten den vermissten Fallmerayer bis dato zu den Toten. Also tut der Totgeglaubte gar nichts. Die Gräfin fordert von ihm ein Kind. Das wird gezeugt. Eines Tages aber kehrt der Graf Walewski aus dem Felde im Rollstuhl heim. Die Schwangere betreut den Kriegsversehrten - eben wie eine gesunde Frau ihren kranken Mann pflegt. Fallmerayer verschwindet auf Nimmerwiedersehen.

Hörbuch

  • Stationschef Fallmerayer, Gelesen von Dieter Mann, Eulenspiegel Verlag, Berlin 2011, 1 CD 66 min.[1]

Kurioses

Roth lässt einen Dampfer von Baku nach Konstantinopel fahren.[2]

Rezeption

  • Hackert[3] nennt die Novelle eine schwermütige Liebesgeschichte.
  • Die Novelle sollte erst Die Liebes-Ehe heißen, aber Joseph Roth fand Gefallen am Klang des Namens Fallmerayer.[4]
  • Joseph Roth spielt den Sündenfall durch.[5]

Verfilmung

Walter Davy verfilmte 1976 die Novelle unter dem Originaltitel mit Wolfgang Hübsch, Odile Versois und Helma Gautier für das Fernsehen.[6]

Literatur

Quelle

  • Fritz Hackert (Hrsg.): Joseph Roth. Werke. Band 5: Romane und Erzählungen. 1930–1936. S. 456–478: Stationschef Fallmerayer. Novelle. 1933. Mit einem Nachwort des Herausgebers. Büchergilde Gutenberg, Frankfurt am Main 1994, ISBN 3-7632-2988-4.

Ausgaben

Sekundärliteratur

  • Helmuth Nürnberger: Joseph Roth. In Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Rowohlt-Taschenbuch-Verlag, Reinbek bei Hamburg 1981, ISBN 3-499-50301-8 (Rowohlts Monographien 301).
  • Eberhard Ostermann: Desillusionierte Männlichkeit in Joseph Roths Erzählung „Stationschef Fallmerayer“. In: literatur für leser. 27, 2, 2004, ISSN 0343-1657, S. 61–71.
  • Ulrike Steierwald: Leiden an der Geschichte. Zur Geschichtsauffassung der Moderne in den Texten Joseph Roths. Königshausen & Neumann, Würzburg 1994, ISBN 3-88479-880-4 (Epistemata. Reihe: Literaturwissenschaft 121), (Zugleich: München, Univ., Diss., 1992).
  • Gero von Wilpert: Lexikon der Weltliteratur. Deutsche Autoren A – Z. 4. völlig neubearbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2004, ISBN 3-520-83704-8, S. 519.

Einzelnachweise

  1. Zärtliche Birken in FAZ vom 30. Juli 2011, Seite 30
  2. Hackert S. 474
  3. Hackert S. 895
  4. Nürnberger S. 115, 116
  5. Steierwald S. 110
  6. Nürnberger S. 152

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