Starstich

Starstich

Der Starstich war über Jahrtausende eine einfache Operationsmethode zur Behandlung des Grauen Stars, die seit dem Altertum bis in die frühe Neuzeit angewandt wurde.

Inhaltsverzeichnis

Prinzip des Starstichs

Beim Starstich wurde mit einer so genannten „Starstichnadel“ in das Auge gestochen und die getrübte Augenlinse auf den Boden des Augapfels gedrückt. Dadurch konnte das Licht ohne Hindernis auf die Netzhaut fallen, der Patient konnte wieder sehen, wenngleich durch die fehlende Brechkraft der Linse in der Regel eine starke Übersichtigkeit (Stärke der erforderlichen Brillenkorrektur etwa +11 Dioptrien) die Folge war.

Durchführung

Operateur und Patient sitzen sich gegenüber. Ein hinter dem Patienten stehender Helfer packt dessen Kopf und drückt ihn fest gegen seine Brust. Der Starstecher sticht mit der Starstichnadel seitlich der Regenbogenhaut in das Weiße des Augapfels hinein und schiebt die Nadel vor, bis die Nadelspitze hinter der Pupille sichtbar wird. Nun muss er die Linse oben mit der Nadel erfassen und auf den Grund des Auges, durch den Glaskörper, hinabdrücken. Um ein Wiederaufsteigen der Linse zu vermeiden, hält der Operateur sie dort noch eine Weile fest. Nach dem Eingriff wird ein Verband über beide Augen gelegt, um das Auge ruhigzustellen. Die Linse konnte aber durchaus nach längerer Zeit aufsteigen, und so dem Patienten das Sehen wieder unmöglich machen.

Starstiche wurden in der Regel von Wundärzten vorgenommen. Oft handelte es sich bei diesen „Okulisten“ (von lat.: Oculus = „Auge“) um spezialisierte, reisende Wundärzte, die ihre Dienste auf Messen und Jahrmärkten anboten. Das Herumreisen erweiterte nicht nur den Kreis der möglichen Patienten, sondern schützte den Operateur auch vor der Reaktion von Patienten, bei denen die bei dieser Operationsmethode häufigen Komplikationen aufgetreten waren.

Opfer solcher Komplikationen wurden unter anderem Johann Sebastian Bach und Georg Friedrich Händel, die beide demselben Quacksalber John Taylor in die Hände gefallen waren. Händel brachte Taylors Heilkunst keine nachhaltige Besserung: Er erblindete erneut. Und Bach kostete die Behandlung mit verunreinigten chirurgischen Instrumenten sogar das Leben.[1]

Geschichte

Schon in vorchristlicher Zeit wurden Starstiche durchgeführt. So sind Starstiche bereits aus babylonischer Zeit bekannt. Schon damals wurde ein spitzer Gegenstand in den Glaskörper hineingestoßen. Man verhalf Erblindeten so zu neuer Sehkraft, wenngleich infolge häufiger Infektionen viele Menschen in der Folgezeit vollends erblindeten und bisweilen auch verstarben.

Hinweise auf diese Art der Therapie finden sich auch im Codex Hammurapi:

§ 215: Wenn ein Arzt einen Mann mit einem bronzenen Instrument von einer schweren Wunde geheilt oder das Fleckchen im Auge eines Mannes mit dem bronzenen Instrument geöffnet und das Auge des Mannes geheilt hat, sind ihm dafür zehn Schekel Silber zu bezahlen.

Warum der Starstich vor allem durch wandernde Heiler durchgeführt wurde, verdeutlicht, im Zusammenhang mit dem hohen Erblindungsrisiko, die kurz danach aufgeführte Verfügung:

§ 218: Wenn der Arzt einen freien Mann mit einem bronzenen Instrument an einer schweren Wunde behandelt und sterben lässt, und wenn er das Fleckchen im Auge des Mannes mit dem Instrument aus Bronze geöffnet, aber das Auge des Mannes zerstört hat, wird man seine Hände abschlagen.

Einzelnachweise

  1. The Eyes of Johann Sebastian Bach. Richard H. C. Zegers, MD. Arch Ophthalmol. 2005;123:1427-1430

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