St. Stephan (Mainz)

St. Stephan (Mainz)
Blick aus der Maria-Ward-Straße
St. Stephan zu Mainz. Blick auf den großen Glockenturm, der jahrhundertelang der höchste Punkt der Stadt war, und das Langhaus.

Die katholische Pfarrkirche Sankt Stephan in Mainz wurde 990 von Erzbischof Willigis auf der höchsten Erhebung der Stadt gegründet. Auftraggeberin war höchstwahrscheinlich die Kaiserwitwe Theophanu. Willigis wollte mit ihr die Gebetsstätte des Reiches schaffen. Dies weist bereits die Namenswahl aus: Stephan bedeutete ursprünglich im Altgriechischen Στέφανος „Kranz“; „Krone“ („die Stadtkrone“ oder „die Reichskrone“).

In der Kirche war ursprünglich ein Kollegiatstift untergebracht. Der Propst des Stiftes verwaltete eines der Archidiakonate (mittelalterliche Organisationseinheit, ähnlich den heutigen Dekanaten) des Erzbistums.

Inhaltsverzeichnis

Bau

Gotischer Kreuzgang von St. Stephan. Nach schwerer Kriegszerstörung 1968–71 wiederhergestellt

Der heutige Bau datiert jedoch aus späterer Zeit. Erzbischof Bardo ließ die zunächst aus Holz errichtete Kirche ab 13. April 1043 in Stein ausführen.[1] Um 1267 wurde ein Nachfolgerbau begonnen, der um 1340 fertiggestellt wurde. Dieser Nachfolgerbau behielt jedoch die Vorgaben des Grundrisses des Willigis-Baus und damit die Ausgestaltung als Doppelchoranlage bei. St. Stephan ist damit die älteste gotische Hallenkirche am Mittelrhein und die nach dem Mainzer Dom bedeutendste Kirche der Stadt Mainz.

Von 1462 bis 1499 wurde der Kreuzgang an die Südseite angefügt.

In der Barockzeit wurden die Innenräume von St. Stephan entsprechend ausgestaltet. 1857 explodierte jedoch ein nahegelegener Pulverturm (Mainz war im 19. Jahrhundert Bundesfestung), wodurch die barocke Ausstattung der Kirche wieder verloren ging. Von Oktober 1813 bis Januar 1814 diente der große Glockenturm auch als Signalstation der optischen Telegraphenlinie nach Metz.

Während der Luftangriffe auf Mainz im Zweiten Weltkrieg wurde St. Stephan schwer beschädigt. Verloren gingen dabei bei dem großen Luftangriff auf Mainz am 27. Februar 1945 auch die Glocken. Der große Westturm musste danach in einem komplizierten Verfahren restauriert werden. Nicht wiederhergestellt wurden jedoch die Gewölbe von Langhaus und Chor, die nun durch eine flache Holzdecke ersetzt sind.

In seiner heutigen Form ist St. Stephan eine dreischiffige gotische Hallenkirche mit Chören im Osten und Westen sowie mit einem großen achteckigen Glockenturm über dem Westchor.

Ausstattung

Der Kirchengründer Willigis wurde in der von ihm gegründeten Kirche 1011 begraben. Die genaue Grabstätte ist jedoch durch den Umbau nicht mehr feststellbar.

Nach der Pulverturmexplosion und den Kriegszerstörungen sind vor allem die Altarmensa aus dem 13. Jahrhundert sowie der große Tabernakel (um 1500) erhalten.

Chagall-Fenster

Chor mit einigen Fenstern von Chagall

Einzigartig in Deutschland sind die Chorfenster der Stephanskirche, die ab 1978 von Marc Chagall gestaltet wurden. Chagall wollte sein Werk als Beitrag zur jüdisch-deutschen Aussöhnung verstanden wissen. St. Stephan wählte er wegen seiner Freundschaft zum damaligen Pfarrer von St. Stephan, Monsignore Klaus Mayer. Bis zu seinem Tod 1985 schuf Chagall insgesamt neun Fenster für den vorderen Teil der Kirche, die in ihren verschiedenen leuchtenden Blautönen biblische Gestalten und Ereignisse darstellen. Eine der bekanntesten Szenen ist die Vertreibung von Adam und Eva aus dem Paradies. Bemerkenswert ist, dass Chagall sich nicht nur auf die Entwürfe beschränkte. Er bemalte das Glas für die Fenster auch allesamt selbst. Diese Fenster von St. Stephan sind auch die letzten Kirchenfenster, die Chagall in seinem Leben schuf. Nach seinem Tod wurde die Arbeit an den restlichen Fenstern von einigen seiner Schüler fortgesetzt.

Glocken

Aus der Werkstatt von Konrad Gobel stammten zwei Glocken von 1544 und 1545. Verloren gingen beim großen Luftangriff alle fünf Glocken, die bei dem Brand des Glockenturms schmolzen. Als Glockenersatz diente bislang die Beatrix-Glocke aus der zerstörten Kirche St. Emmeran in Mainz. Die 1493 gegossene Glocke ist die drittälteste Glocke der Stadt Mainz. Sie trägt die Inschrift:

„+ Anno + domini + m + cccc + xciii + jar +
sant + beadrix + glocke + heis + ich +
peter + zur + glocken + zu + spier + gos + mich +“.[2]

Durch die Spende des Mainzer Technologiekonzerns Schott erhielt St. Stephan 2008 drei neue Glocken. Am 27. Februar 2009, dem Gedenktag der Bombardierung von Mainz im Zweiten Weltkrieg, haben alle Glocken erstmals zusammen geläutet.[3]

Nr.
 
Name
 
Gussjahr
 
Gießer, Gussort
 
Durchmesser
(in mm)
Gewicht
(in kg)
Nominal
(16tel)
1 Stephanus 2008 A. Bachert, Karlsruhe 1450 1900 d1
2 Willigis 2008 A. Bachert, Karlsruhe 1280 1400 e1
3 Beatrix 1493 Peter zur Glocken, Speyer 1180 1100 fis1 –4
4 Maria Magdalena 2008 A. Bachert, Karlsruhe 1080 800 g1

[2][3]

Orgel

Derzeit befindet sich in der Kirche nur eine sehr kleine Pfeifenorgel im nördlichen Querhaus. Die Kirche soll nach den neuen Glocken in naher Zukunft auch eine der Größe des Raumes angemessene Orgel erhalten. In der Planung ist ein dreimanualiges Instrument mit 45 Registern, einer elektronischen Setzeranlage mit Sequenzern. Die Spieltrakturen und Koppeln werden mechanisch sein, die Registertrakturen elektro-magnetisch.[4].

I Hauptwerk C–a3
1. Praestant 16‘
2. Principal 8‘
3. Concertflöte 8‘
4. Rohrflöte 8‘
5. Viola di Gamba 8‘
6. Octave 4‘
7. Blockflöte 2‘
8. Quinte 22/3
9. Superoctave 2‘
10. Comet V (ab fis0) 8‘
11. Mixtur IV 2‘
12. Trompete 8‘
13. Trompete 16‘
II Positiv C–a3
14. Principal 8‘
15. Dulciana 8‘
16. Gedackt 8‘
17. Principal 4‘
18. Viola 4‘
19. Doublette 2‘
20. Larigot 11/3
21. Mixtur III 11/3
22. Cromorne 8‘
Tremulant
III Schwellwerk C–a3
23. Lieblich Gedackt 16‘
24. Flüte harmonique 8‘
25. Bordun 8‘
26. Gambe 8‘
27. Vox coelestis 8‘
28. Fugara 4‘
29. Traversflöte 4‘
30. Quintflöte 22/3
31. Flautino 2‘
32. Terzflöte 13/5
33. Progressio II-V 11/3
34. Basson 16‘
35. Trompette 8‘
36. Hautbois 8‘
37. Clairon 4‘
Tremulant
Pedal C–f1
38. Untersatz (aus Nr. 41) 32‘
39. Principal 16‘
40. Violon (= Nr. 1) 16‘
41. Subbass 16‘
42. Octavbass 8‘
43. Gedacktbass 8‘
44. Tenoroctave 4‘
45. Posaune 16‘
46. Trompete 8‘
  • Koppeln: II/I, III/l, III/II, I/P, II/P, III/P, III 4'/P

Annahaupt

In der Kirche wurde von 1212 bis zu einer Renovierung im Jahr 1500 eine Reliquie aufbewahrt, die der Heiligen Anna zugeschrieben wurde. Das so genannte Annahaupt ist ein handtellergroßes Stück einer menschlichen Hirnschale, eingelassen in einem silbernes Büstenreliquiar aus dem 14. Jahrhundert. Heute befindet es sich in Düren. [5]

Bilder des Kreuzgangs

Einzelnachweise

  1. Hans Baumann: Daten der Mainzer Stadtgeschichte in: Vierteljahreshefte für Kultur, Politik, Wirtschaft, Geschichte; Hrsg.: Stadt Mainz; Verlag Hermann Schmidt Mainz, II/1993
  2. a b Motette (Hg.): Glocken-Landschaft Bistum Mainz. Motette-Verlag, Düsseldorf 2005, S. 18.
  3. a b Bischöfliche Pressestelle des Bistum Mainz: Kardinal Lehmann weihte drei neue Glocken in Mainz-St. Stephan.
  4. Projektbeschreibung auf der Webseite des Orgelbauvereins
  5. Angelika Dörfler-Dierken: Die Verehrung der heiligen Anna in Spätmittelalter und früher Neuzeit Vandenhoeck & Ruprecht, 1992 ISBN 3-525-55158-4

Literatur

  • Helmut Hinkel (Hrsg.): 1000 Jahre St. Stephan in Mainz. Festschrift. Quellen und Abhandlungen der mittelrheinischen Kirchengeschichte, Band 63. Pfarrei Sankt Stephan und Gesellschaft für Mittelrheinische Kirchengeschichte, Mainz 1990, 566 S.
  • Klaus Mayer, Marc Chagall: Die Chagall-Fenster zu St. Stephan in Mainz. Echter, Würzburg
    • Band 1: Der Gott der Väter. Das Mittelfenster. 10. Auflage 1993, 53 S., ISBN 3-429-00573-6
    • Band 2: Ich stelle meinen Bogen in die Wolken. Die flankierenden Mittelfenster. 9. Auflage 1994, 81 S., ISBN 3-429-00616-3
    • Band 3: Herr, mein Gott, wie groß bist du!. Die seitlichen Fenster. 6. Auflage 1994, 73 S., ISBN 3-429-00739-9
    • Band 4: Die Himmel der Himmel fassen dich nicht. Die Querhausfenster. Brief an meinen Freund. 3. Auflage 1995, 61 S., ISBN 3-429-01001-2
  • Klaus Mayer: St. Stephan in Mainz. Kleine Kunstführer Nr. 523. 15., erweiterte Auflage. Schnell & Steiner, Regensburg 2009, 59 S., ISBN 978-3-7954-4311-5; Englisch: 6. Aufl. 2007, ISBN 978-3-7954-4310-8; Französisch: 3. Aufl. 2002, ISBN 978-3-7954-6042-6
  • Josef Heinzelmann: Spuren der Frühgeschichte von St. Stephan in Mainz. Ein Beitrag zu einer noch nicht geführten Diskussion. In: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 56. 2004, S. 89–100.
  • Rolf Dörrlamm, Susanne Feick, Hartmut Fischer, Hans Kersting: Mainzer Zeitzeugen aus Stein. Baustile erzählen 1000 Jahre Geschichte. Verlag Hermann Schmidt, Mainz 2001, ISBN 3-87439-525-1
  • Helmut Mathy: Tausend Jahre St. Stephan in Mainz. Ein Kapitel deutscher Reichs- und Kirchengeschichte. Mit einem Anhang über die letzte Visitation des Stiftes 1780/1781. Aurea Moguntia (Band 4). von Zabern, Mainz 1990, 184 S., ISBN 3-8053-1189-3
  • Alois Gerlich: Das Stift St. Stephan zu Mainz. Beiträge zur Verfassungs-, Wirtschafts- und Territorialgeschichte des Erzbistums Mainz. Ergänzungsbände zum Jahrbuch für das Bistum Mainz (Band 4). Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz 1954, 194 S.
  • Jürgen Breier (Hrsg).: Die neuen Glocken für St. Stephan, Bocom - Verlag Bonewitz, Mainz 2009, 80 S., ISBN 978-3-9811590-7-3

Filmdokumentation

  • Die Chagall-Fenster in Mainz. TV-Dokumentation von Marcel Schilling aus der Reihe Schätze des Landes. Deutschland 2007, SWR Fernsehen, 30 Minuten

Weblinks

 Commons: St Stephan, Mainz – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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