St. Nikolaus (Babenhausen)

St. Nikolaus (Babenhausen)
Stadtkirche Babenhausen vom Marktplatz

Die evangelische Stadtkirche St. Nikolaus im hessischen Babenhausen ist eine mittelalterliche Kirche.

Inhaltsverzeichnis

Baugeschichte

Nordseite
Mittelschiff und Chor, durch den Lettner abgetrennt
Wapensteine (u.a.: Hanau-Lichtenberg) im Gewölbe der Seitenkapelle (Sakristei)

Die Kirche wurde zum ersten Mal 1262 urkundlich erwähnt. Sie soll in der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts gegründet worden sein. Aus dieser Zeit ist baulich heute allerdings nichts mehr erkennbar. Ältester erhaltener Teil sind die unteren Partien des romanischen Turms. Die zugehörende Kirche wurde im 14. Jahrhundert abgerissen und in zwei Bauabschnitten durch eine neue ersetzt. Der erste dieser Bauabschnitte umfasste den heute noch erhaltenen gotischen Chor, begonnen im Jahr 1383, mit 5/8-Schluss. Dessen heutige Einwölbung stammt allerdings erst aus dem Jahr 1939, da die ursprüngliche im 16. Jahrhundert abgebrochen wurde. Um 1400 wurde dem Chor eine Seitenkapelle zugefügt.

Nachdem Babenhausen durch die Teilung der Grafschaft Hanau 1458 zur Residenz der jüngeren Linie der Grafen von Hanau wurde, die sich etwas später als Grafen von Hanau-Lichtenberg bezeichneten, musste auch die Kirche ihrer Residenzstadt entsprechend ausgestaltet werden. So wurde als zweiter Bauabschnitt 1472 das noch heute erhaltene gotische Kirchenschiff errichtet. Es ist eine flach gedeckte Stufenhalle mit vier Jochen. Mittelalterliche Ausmalungen sind in der Kirche erhalten, die ältesten aus dem 14. Jahrhundert.

Blick ins nördliche Seitenschiff mit herrschaftlicher Loge

Wesentliche Umbauten wurden nach der Reformation ab dem Jahr 1557 im Inneren der Kirche vorgenommen, 1561 Emporen an drei Seiten des Langhauses eingefügt. 1594 ließ der spätere Graf Johann Reinhard I. von Hanau-Lichtenberg, der als Erbprinz in Babenhausen residierte, das Langhaus ausgestalten und ausmalen und die Kirche erhielt eine Kanzel.

1608 wurde der Kirchturm durch einen Wirbelsturm zerstört, der Wiederaufbau zog sich bis zum Jahr 1614 hin. Zweihundert Jahre später, im Jahr 1811, wurde die Turmspitze durch einen Brand zerstört und musste abermals erneuert werden. Im Jahr 1861 wurde der Fußboden der Kirche um 48 cm höher gelegt, weil zwischenzeitlich der Marktplatz um die Kirche sich durch eingetragenes Material ebenfalls erhöht hatte.

In den Jahren 1939 und 1940 erfolgte eine umfangreiche Renovierung des Innenraums. So wurden die Emporen abgebaut, nur die untere Etage des Grafengestühls an der Nordseite blieb stehen. Kurze Zeit später wurde die Kirche allerdings durch Bomben im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt.

Ausstattung

Wandmalereien

Die Wandmalereien stammen aus den unterschiedlichsten Epochen. Die ältesten befinden sich an der Nordwand des Chores, gehören zu seiner ursprünglichen Ausstattung und sind so noch vor 1400 anzusetzen. Dargestellt sind der Tod Marias und das Weltgericht.

Auch das Langhaus wurde um 1480 mit einem umfangreichen Bildprogramm ausgestattet, von dem noch Reste vorhanden sind und auch nach der letzten Renovierung gezeigt werden. Sie werden zum Teil durch jüngere Malerei überdeckt, so die Medaillonmalereien von Eberhard Fischer um 1620 und die manieristische Ornamentmalerei, mit der die Säulen und Bögen des Langhauses um 1590 verziert wurden.

Die Wandmalereien wurden auf Anweisung der Kirchenleitung im Jahr 1722 übertüncht. Erst bei der Renovierung im Jahr 1939/1940 wurden sie vom alten Überstrich befreit.

Altar

Hochaltar

Der hölzerne Schnitzaltar ist das wertvollste Ausstattungsstück der Kirche. Er ist eine Stiftung der Sibylle von Baden-Sponheim (1485–1518), der Frau des Grafen Philipp III. von Hanau-Lichtenberg. Beide sind in der Kirche beerdigt. Nachdem sie bis 1513 ausschließlich Töchter zur Welt gebracht hatte, gelobte sie im Falle der Geburt eines Sohnes, einen Altar zu stiften. Der Fall trat dann mit der Geburt des Erben, Philipp IV., 1514 ein.

Der Altar ist ein geschnitzter Flügelaltar. Er gehört zu den bedeutenden mittelrheinischen Kunstwerken dieser Zeit. Der Künstler ist unbekannt. Hier wurden Namen wie Matthias Grünewald, Hans Backoffen und Tilman Riemenschneider gehandelt. Der Altar wurde aus Lindenholz geschnitzt und soll 1518 fertiggestellt worden sein. Er ist das seltene Beispiel eines erhaltenen Reliquienaltars.

Bei geöffneten Flügeln zeigen sich in den Hauptfeldern (von links nach rechts) als Halbreliefs und lebensgroß: Der selige Bernhard II. von Baden, der Apostel Philippus, der Heilige Nikolaus, Papst Gregor der Große, der Heilige Valentinus, die Heilige Katharina und die Heilige Helena. Darunter befinden sich eine Reihe von Reliquienbüsten und Behältern. Von links nach rechts: Heiliger Sebastian, Heiliger Stephan, Heilige Felicitas und eine unbekannte weibliche Heilige, dazwischen drei weitere Reliquienbehälter für die Heilige Lucia, die Heilige Anna und die Heilige Margaretha. Die Predella stammt eindeutig aus einer anderen Werkstatt als der Altar selbst. Sie zeigt die Anbetung der Könige, flankiert von Mariä Verkündigung (links) und Mariä Heimsuchung (rechts).

Sibylle setzte mit dieser Stiftung zugleich sich selbst und ihrer Familie ein Denkmal. Der abgebildete Bernhard II. von Baden, der wegen seines frommen Lebenswandels berühmt war und im 18. Jahrhundert selig gesprochen wurde, war ein Bruder ihres Großvaters.

Der Altar wurde im Verlauf der Reformation abgebaut und im Turm gelagert, wodurch er die nächsten 300 Jahre ohne Schaden überdauerte. Erst 1861 wurde er restauriert und dann zunächst links vor dem Chor, ab 1907 an der Südseite des rechten Seitenschiffs und ab 1940 an seinem alten und jetzigen Platz aufgestellt.

Weitere Ausstattungsgegenstände

  • Der Taufstein stammt aus dem 15. Jahrhundert, wurde im Zuge der Reformation 1545 aus der Kirche entfernt, überstand die Zeit im damaligen Pfarrgarten und wurde im 19. Jahrhundert in die Kirche zurückgebracht.
  • Das Herrschaftsgestühl, das am Ostende des nördlichen Seitenschiffs steht, ist der letzte Rest der Emporen-Architektur, die nach der Reformation in die Kirche eingebaut wurde. Ursprünglich war es zweigeschossig, das obere Geschoss wurde mit den Emporen 1939 entfernt.
  • Die Buntglasfenster im Chor wurden 1954/1957 eingefügt.
  • Der Chor ist mittels eines schmiedeeisernen Lettners vom Mittelschiff abgetrennt.

Die Kirche als Grablege

Grabplatte von Philipp I., dem Älteren, von Hanau-Lichtenberg
Epitaphien von Philipp I., dem Älteren, von Hanau-Lichtenberg, seiner Frau, Anna von Lichtenberg, und den Söhnen Johann und Dieter
Grabplatte der Sibylle von Baden

Die Kirche diente seit 1475 als Begräbnisstätte der Grafen von Hanau-Lichtenberg. In der Gruft unter dem Chor sollen 16 Angehörige des Hauses Hanau-Lichtenberg begraben sein. Im Chor befinden sich darüber hinaus Epitaphien und Grabplatten einiger dieser Personen. An der Südwand des Chors befinden sich die Epitaphien für Philipp I., den Älteren, von Hanau-Lichtenberg, seine Frau Anna von Lichtenberg und zwei ihrer früh verstorbenen Kinder, Johann und Dieter. Im Boden vor dem Altar sind die Grabplatten eingelassen von:

  • Philipp III. von Hanau-Lichtenberg (westliche Reihe)
  • Markgräfin Sibylle von Baden-Sponheim, seine Frau (westliche Reihe)
  • Philipp I. von Hanau-Babenhausen (östliche Reihe)
  • Anna von Lichtenberg, seine Frau (östliche Reihe)
  • Philipp II. von Hanau-Lichtenberg (östliche Reihe)
  • Anna von Isenburg, seine Gattin (östliche Reihe)
  • Johann von Hanau (nördlich des Hochaltars)
Grabmal des Hanauer Amtmanns Burkhard von Hertingshausen

Darüber hinaus finden sich in der Kirche eine Reihe von Grabmälern anderer Prominenter.[1] Hervorzuheben ist das Renaissance-Grabmal des Ritters Burkhard von Hertingshausen, der 1570 verstarb, an der Ostwand des Südschiffes des Langhauses.

Renovierung

Ostansicht, Chor

Mit der jüngsten Renovierung, die – mit Vorarbeiten – von 2001 bis 2006 dauerte, wurde die ursprüngliche Fußbodenhöhe wieder hergestellt. Der Eintrag von Material im 19. Jahrhundert hatte dazu geführt, dass sich Feuchtigkeit in das Mauerwerk gesaugt hatte. Der Marktplatz wurde in seiner Höhe angepasst, zur Kirche hin abgesenkt und neu gepflastert. Die Fundamente wurden trocken gelegt, beschädigtes Mauerwerk saniert. Die Kirche erhielt einen neuen Sandstein-Fußboden, die Kirchenbänke wurden ersetzt und eine neue Heizung installiert. Die Wandgemälde wurden restauriert. Auch Dachstuhl und Turm wurden saniert und ein neuer Glockenstuhl eingebaut.

Für die vorbildliche Sanierung der Stadtkirche wurde der evangelischen Kirchengemeinde Babenhausen 2009 vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen der Hessische Denkmalschutzpreis verliehen.

Literatur

  • Friedrich Karl Azzola: Ein Relief in der Westfront der Stadtkirche von Babenhausen als Bauurkunde des Jahres 1472? In: Babenhäuser Mosaik = Babenhausen einst und jetzt 20. Babenhausen 1990. S. 24 - 29.
  • Magnus Backes, Georg Dehio: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler – Hessen, München 1982, S. 36, ISBN 978-3-422-00380-4.
  • Peter Blänkle: Menschliche Skelettreste aus der evangelischen Stadtkirche Babenhausen. In: Beiträge zur Geschichte der Grafschaft Hanau-Lichtenberg. Herausgegeben zum 20-jährigen Jubiläum der Partnerschaft zwischen den beiden ehemaligen gräflichen Residenzstädten Babenhausen und Bouxwiller = Babenhausen einst und jetzt 49 (2004), S. 117ff.
  • Siegfried RCT Enders: Denkmaltopografie Bundesrepublik Deutschland – Kulturdenkmäler in Hessen – Landkreis Darmstadt-Dieburg. Braunschweig 1988.
  • Evangelischer Kirchenvorstand Babenhausen (Hrsg.): Evangelische Stadtkirche Babenhausen. Babenhausen 1996.
  • Hans Joachim Greifenstein: Evangelische Stadtkirche Babenhausen. Rundgang durch das Gotteshaus. Babenhausen. o.J.
  • Herchenröder, Rock: Führer durch die Stadtkirche Babenhausen. Verlag Helmut Krapp, Babenhausen 1966.
  • Karin Lötzsch: Ein badisch Markgraf zwischen Heiligen - der selige Bernhard auf dem Altarschrein in Babenhausen. In: Babenhäuser Mosaik = Babenhausen einst und jetzt 20. Babenhausen 1990. S. 35 - 47.
  • Wilhelm Morhardt: Die Doppel-Grabplatte der Ritter von Babenhausen in der Stadtkirche zu Babenhausen 1246/1506. In: Babenhäuser Mosaik = Babenhausen einst und jetzt 20. Babenhausen 1990. S. 20 - 23.
  • Wilhelm Morhardt: Das Grabmal der Anna Magdalena Luise von Bernstorff (1688-1690) in Babenhausen. In: Babenhäuser Mosaik = Babenhausen einst und jetzt 20. Babenhausen 1990. S. 30 - 34.
  • Wilhelm Morhardt: Hanau alt's - in Ehren b'halt's - Die Grafen von Hanau-Lichtenberg in Geschichte und Geschichten = Babenhausen einst und jetzt 10, Babenhausen 1984.
  • Sebastian Scholz: Die „Ewige Anbetung“ Philipps I. von Hanau-Lichtenberg und seiner Familie. Ausdrucksformen adeliger Memoria und Frömmigkeit im Spätmittelalter. In: Beiträge zur Geschichte der Grafschaft Hanau-Lichtenberg. Herausgegeben zum 20-jährigen Jubiläum der Partnerschaft zwischen den beiden ehemaligen gräflichen Residenzstädten Babenhausen und Bouxwiller = Babenhausen einst und jetzt 31 (2004), S. 19ff.
  • Sebastian Scholz: Die Inschriften der Stadt Darmstadt und des Landkreises Darmstadt-Dieburg und Groß-Gerau = Die deutschen Inschriften Bd. 49, Mainzer Reihe Bd. 6, hrsg. v. der Akademie der Wissenschaften Mainz, Wiesbaden 1999.

Weblinks

 Commons: St. Nikolaus (Babenhausen) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Klaus Lötzsch: Die neu entdeckte Grabplatte des Henrich von Wasen in der Stadtkirche von Babenhausen. In: Klaus Lötzsch und Georg Witteberger: Beiträge zur Geschichte der Grafschaft Hanau-Lichtenberg = Babenhausen einst und jetzt 31 (2004), S. 113-116.


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