St. Maria im Kapitol

St. Maria im Kapitol
St. Maria im Kapitol in Köln, Dreikonchenanlage und Skulptur Die Trauernde
Ostkonche mit Chorschranken

St. Maria im Kapitol ist ein frühromanischer Kirchenbau in Köln und die größte romanische Kirche der Stadt mit 100 m Länge und 40 m Breite. Sie ist eine der zwölf romanischen Basiliken in der Altstadt Kölns, deren Erhalt vom Förderverein Romanische Kirchen Köln unterstützt wird. Der Namenszusatz im Kapitol weist auf die zuvor an der Stelle befindliche römische Tempelanlage hin.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Plektrudis

Ein erster Bau entstand 690 n. Chr. am Standort und auf den Fundamenten eines den Göttern der Kapitolinischen Trias Jupiter, Juno und Minerva gewidmeten Tempels (des traditionellen Haupttempels einer römischen Stadt) aus dem 1. Jahrhundert nach Christus. Erbauerin war Plektrudis († 717), die Gemahlin des fränkischen Hausmeiers Pippins des Mittleren. Sie ist auch in der Kirche bestattet worden. Im 10. Jahrhundert versetzte der Kölner Erzbischof Brun im angeschlossenen Kloster lebende Kanoniker nach St. Andreas und gründete für St. Maria eine Frauenkommunität.

Mitte des 11. Jahrhunderts initiierten der Kölner Erzbischof Hermann II. und seine Schwester, die Äbtissin Ida der Frauenkommunität St. Maria im Kapitol, den Bau einer neuen Kirche, deren Bauprogramm die politischen Ambitionen des Erzbischofs widerspiegelt. Kreuzaltar und Längsschiff des Neubaus wurden 1049 von Papst Leo IX. im Beisein Kaiser Heinrichs III. geweiht, die Schlussweihe spendete Erzbischof Anno II. 1065. Am 21. November 1371 teilt der Rat den Bürgern mit, dass die noch nicht gefassten straffälligen Weber des Kölner Weberaufstandes die Stadt ungehindert verlassen dürfen, solange die Glocken von St. Maria im Kapitol läuten. Im Mittelalter hatte die Kirche auch ein Westwerk mit Türmen, die aber spätestens im 18. Jahrhundert nach Zerstörung nicht wieder aufgebaut wurden. Nach 1804 nutzte man den erhaltenen gotischen Turm der nahen Kirche Klein St. Martin als Glockenturm. Der Turm brannte in der Nacht vom 30. zum 31. Mai 1942[1] aus, konnte aber wieder aufgebaut werden. Das tontiefe, rund 5 t schwere Dreiergeläut aus dem Jahre 1836 (Schlagtöne: a0, cis1 und e1) wurde mit zerstört, aber nicht ersetzt.[2]

Die Kirche spielte in Köln eine herausragende Rolle. Sie war nach dem Dom die Hauptkirche. Der Erzbischof hielt seine erste Weihnachtpredigt immer in St. Maria. Auch der Rat zog in der Prozession zu Ehren der Heiligen Drei Könige, den Kölner Stadtheiligen, am Dreikönigstag von St. Maria zum Dom. Auch die sogenannte Bramglocke, die städtische Glocke für Sturm und Feuer, wurde hier geläutet.[1]

St. Maria im Kapitol wurde im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstört. Die Kirche konnte zunächst im Westteil, von 1956 bis 1984 auch im Ostteil in rekonstruierter Form des 11. Jahrhunderts wiederaufgebaut werden.

Bau

Die Kirche stammt in ihrer heutigen Gestalt aus dem 11. Jahrhundert. Bemerkenswert an der Kirche sind der Westbau, der Chorabschluss als früheste abendländische Dreikonchenanlage, die Krypta sowie die Reste der mittelalterlichen Ausstattung. Auffallend und für die damalige Zeit ungewöhnlich sind die drei Konchen, die dem Grundriss der Geburtskirche in Betlehem folgen. Die unter der Kirche gelegene Krypta hat fast die Ausmaße der des Speyerer Doms.

Ausstattung

Altes romanisches Portal der nördlichen Konche. Köln, Mitte des 11. Jahrhunderts
Gabelkreuz (1304)
Klais-Orgel auf dem Lettner

Sehenswert sind neben der originalgetreu rekonstruierten Dreikonchenanlage

Altes Beichtgestühl und Zint Märjensrepp

– innen wie außen – unter anderem:

Holztüren von etwa 1060

Die im südlichen Seitenschiff ausgestellten Holztüren von etwa 1060, die sog. Kapitolstüren von 4,74 m Höhe gehören zu den bedeutendsten Holztüren der Kunstgeschichte. Sie stammen noch aus der Zeit, als die Kirche um 1060 vollendet wurde, und wurden erst in den 1930er Jahren in den Innenraum gebracht. Die zwei Torflügel verschlossen also knapp 900 Jahre das Portal der Nordkonche und sind immer noch in einem hervorragenden Zustand und zeigen sogar noch Farbreste. Die Türen zeigen 26 Reliefs mit Szenen aus dem Leben Jesu. Das stilistische Vorbild dieser Türszenen sind die frühchristlichen Holztüren beispielsweise von Santa Sabina in Rom oder San Ambrogio in Mailand. In ihrer Gliederung aus gerahmten Reliefs folgen die Türen noch der Tradition der Spätantike. Der linke Türflügel zeigt insgesamt die Kindheit Jesu nach Matthäus, der rechte die Passion und die Auferstehung.

Gabelkreuz, Pietà

In der nordöstlichen Kapelle des Trikonchos hängt das Gabelkreuz (Crucifixus dolorosus) mit einer Körperlänge des Christus von 150 cm aus dem frühen 14. Jahrhundert, das zu den ausdrucksstärksten Leidenskruzifixen der Gotik zählt. Der sich im Straßburger Münster und vorher schon in Frankreich anbahnende Prozess der sog. »Entkörperlichung« führte in Deutschland schnell zu Erfindungen, die in scharfem Gegensatz sowohl zur Fülle plastischer Formen als auch zu den Möglichkeiten gepflegter Eleganz und Schönheit stehen. Das Hölzerne Gabelkruzifix stellt den Gekreuzigten in einer nie zuvor da gewesenen Form dar, die kraft ihrer Hässlichkeit und Grausamkeit jedes ‚ästhetische Wohlgefallen’ unmöglich macht. Sie ist Ausdruck einer mystischen Frömmigkeit, die um und nach 1300 viele Menschen ergriff, die sich mit Inbrunst in die Passion Christi vertieften, um das Leiden des Menschensohnes ganz zu begreifen und zu erleben. Diese Welle einer intensiv auf das ‚Menschliche’ gerichteten Religiosität führte gleichzeitig zur Erfindung des Vesperbildes (Pietà), des Leichnams Christi auf dem „Schoße Mariens“, mit identischer Betonung von Grausamkeit, Hässlichkeit und Schmerz, aber auch zur Erfindung der Andachtsgruppe Christus und Johannes.

Lettner

Der Renaissancelettner stand bis vor wenigen Jahren noch an der Grenze von Langhaus und Westwerk. Er ist jetzt in den Ostteil der Kirche versetzt worden. Dieser Lettner ist das früheste Renaissance-Denkmal Kölns. Es wurde 1524 in Mecheln hergestellt. Bei der Erteilung des Auftrages bedachten man seinerzeit allerdings nicht, dass das Fußmaß regional sehr unterschiedlich lang war. Dadurch geriet der Lettner erheblich größer als beabsichtigt.

Der architektonische Aufbau besteht aus schwarzem Marmor, die Bauplastik und der Skulpturenschmuck aus weißem Kalkstein. Auch hier sind in den Medaillons Szenen aus der Jugendgeschichte Christi dargestellt und Szenen aus dem Alten und Neuen Testament. Die Standbilder stellen Heilige und Propheten dar. Die dekorativen Teile zeigen schon reine Renaissance-Formen, dagegen wirken die Reliefs wie Bühnenkästen spätgotischer Schnitzaltäre und die Figuren sind noch vom Formenkanon der späten Gotik bestimmt. Hier ist eine gewisse Heiterkeit wirksam, eine Betonung bürgerlicher Tugenden in den Prunkhelmen und ein deutliches Zitat antiker Formen in einigen Kapitellen. Bezeichnenderweise wurde dieser Lettner nicht von einer kirchlichen Gruppe, sondern von der reichen Kölner Familie Hackeney gestiftet, die sich generell um die Kölner Kunstgeschichte sehr verdient gemacht hat.

Weitere Sehenswürdigkeiten

  • Die Grabplatte der Plektrudis von 1160/70. Plektrudis ist mit einem langen gegürteten Gewand und einem um den Kopf geschlungenen Schleier bekleidet. Die rechte Hand ist im sog. Adorationsgestus erhoben, in der Linken trägt sie ein Schriftband mit einem Gebet. Diese strenge Art der Faltenführung weist auf byzantinische Vorbilder hin.

Sehenswert sind auch die im südlichen Seitenschiff hängenden Knochen eines Eiszeitlichen Grönlandwales, der sich wahrscheinlich in einen Rheinarm verirrt hatte und dort verendet ist. Die Knochen wurden bereits vor Jahrhunderten bei Bauarbeiten entdeckt und über einem Beichtstuhl an einer Kette hängend ausgestellt. In Köln ist er als Zint Märjensrepp („St. Marienrippe“) bekannt.

Im Chor der Kirche befindet sich eine Marienstatue. Die Legende erzählt, dass ein Junge namens Hermann Joseph täglich vor dem Marienbild betete und ihm einen Apfel darbot. Eines Tages lächelte die Statue dem Jungen zum Dank zu. Eine andere Version berichtet, die Statue habe dem Jungen zum Dank ein Versteck genannt, an dem er täglich einen kleinen Beutel Geld für seine Schulkosten fand. Zur Erinnerung liegt bis heute täglich ein neuer frischer Apfel vor dem Relief.

Orgel

Die Orgel auf dem Lettner wurde 1991 durch Johannes Klais (Bonn) erbaut.

I Hauptwerk C–f3
Bordun 16′
Principal 8′
Flöte 8′
Octave 4′
Blockflöte 4′
Quinte 2 2/3
Superoctave 2′
Mixtur IV 1 1/3
Cornet V
Trompete 8′
II Positiv C–f3
Traversflöte 8′
Gedackt 8′
Praestant 4′
Rohrflöte 4′
Nasard 2 2/3
Principal 2′
Terz 1 3/5
Cymbel IV 1′
Cromorne 8′
Tremulant
III Schwellwerk C–f3
Bourdon 8′
Gamba 8′
Vox Coelestis 8′
Principal 4′
Traversflöte 4′
Flageolett 2′
Larigot 1 1/3
Dulcian 16′
Hautbois 8′
Tremulant
Pedal C–f1
Violon 16′
Subbaß 16′
Octave 8′
Spillflöte 8′
Tenoroctave 4′
Posaune 16′
Trompete 8′
  • Koppeln: II/I, III/I, III/II, I/P, II/P, III/P

Glocken

Das bescheidene Geläut besteht aus drei Glocken, die allesamt von Hans Hüesker (Gescher) im Jahre 1957 gegossen wurden. Der südwestliche Treppenturm dient seitdem als Glockenturm. Im Dachreiter der Hardenrathkapelle hängt eine vierte Glocke.[2]

Nr.
 
Name
 
Durchmesser
(mm)
Gewicht
(kg)
Nominal
(16tel)
Inschrift
 
1 Maria 700 210 des2 –1 „Sancta Maria + per virginem matrem concedat nobis Dominus salutem et pacem“
2 Plectrudis 630 150 es2 +1 „Sancta Plectrudis + decus Germaniae gaudium Coloniae praesidium nostrum“
3 Hermann Joseph 510 80 ges2 +2 „Sanctus Hermannus Josephus + deus docuisti me a iuventute mea: et usque nunc annuntio mirabilia tu“
440 65 b2 +2 „Vox facta ipsum audite“

Umgebung

Das Dreikönigenpförtchen in seiner Funktion als Immunitätstor wurde in seiner heutigen Form erst 1460 an Stelle des nicht mehr erhaltenen Tors errichtet. Zum Gedenken an die Toten des Krieges ließ die Stadt Köln die Skulptur Die Trauernde (1949 von Gerhard Marcks) im Lichhof (Leichenhof/Friedhof), dem Platz vor der Dreikonchenanlage, errichten.

Einzelnachweise

  1. a b Konrad Bund: Das Geläute der Basilika St. Marien in Köln. In: Konrad Bund u.a.: Jahrbuch für Glockenkunde. Bd. 13/14, MRV, Brühl 2002, S. 75–81.
  2. a b Gerhard Hoffs (Hg.): Glockenmusik katholischer Kirchen Kölns. S. 122–124.

Literatur

  • Godehard Hoffmann: Das Gabelkreuz in St. Maria im Kapitol zu Köln und das Phänomen der Crucifixi dolorosi in Europa. In: Arbeitsheft der rheinischen Denkmalpflege. Bd. 69, Worms 2006, ISBN 3-88462-240-4.
  • Sabine Czymmek, Die Kölner romanischen Kirchen, Schatzkunst, Bd. 2, Köln 2009 (= Colonia Romanica, Jahrbuch des Fördervereins Romanische Kirchen Köln e. V., Bd. XXIII, 2008), S. 9-59 (ISBN 978-3-7743-0422-2)
  • Hiltrud Kier: Kirchen in Köln. Bachem, Köln 1999, ISBN 978-3-76161395-5.
  • Dr. Erhard Schlieter (Hg.): Romanische Kirchen in Köln. Wienand GmbH, Köln o.J.
  • Albert Verbeek: Kölner Kirchen. Die kirchliche Baukunst in Köln von den Anfängen bis zur Gegenwart. Greven, Köln, 2. Auflage.
  • Hiltrud Kier und Ulrich Krings, Die Romanischen Kirchen in Köln, Köln 3. Auflage 1986.
  • Werner Schäfke, Kölns romanische Kirchen - Architektur, Geschichte und Ausstattung, Köln 1996.
  • Bernhard Schütz/Wolfgang Müller, Romanik, Freiburg im Breisgau 1989.

Weblinks

 Commons: St. Maria im Kapitol (Köln) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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