St.-Georgs-Kirche (Nördlingen)

St.-Georgs-Kirche (Nördlingen)
St. Georg in Nördlingen auf einer alten Ansichtskarte

Die 1427 bis 1505 erbaute gotische St.-Georgs-Kirche ist das Wahrzeichen Nördlingens. Sie ist heute die evangelische Pfarrkirche der Stadt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Der Rat der Stadt Nördlingen beschließt den Bau der Georgskirche am 17. Oktober 1427. Der Chor ist 1451 fertiggestellt, 1454 wird mit dem Bau des Turmes begonnen. Der Hochaltar von Friedrich Herlin ist 1462, der Turm 1490 vollendet. Komplett ist der Kirchenbau mit der Fertigstellung des Gewölbes 1505.

Weil sich Nördlingen unter Kaspar Kantz der Reformation anschließt, wird St. Georg in den Jahren 1523/1525 zur evangelischen Stadtkirche.

Die erste Restaurierung der Kirche findet in den Jahren 1877 bis 1887 statt. Am 30.März 1945 um 21:25 Uhr zerstört eine Fliegerbombe die 1889 aufgebaute Steinmeyer-Orgel. Ein Feuer zerstört am 2. Februar 1974 die alte Barockorgel aus dem Jahr 1610.

Zuletzt wird die St.-Georgs-Kirche in den Jahren 1971 bis 1977 restauriert.

Turm

Von weitem sichtbar ist der 90 Meter hohe Kirchturm, der Daniel genannt wird. Dieser Name geht auf ein Zitat im biblischen Buch Daniel zurück: Und der König erhöhte Daniel und (...) machte ihn zum Fürsten über das ganze Land (...) (2,48). Auf ähnliche Weise beherrscht der dominante Daniel das Bild der Stadt Nördlingen und die Landschaft des Rieskraters.

Der Turm wurde 1490 fertiggestellt. Der charakteristische niedrige Kuppelhelm war zunächst als provisorisches Dach vorgesehen, konnte wegen Geldmangels jedoch nie ersetzt werden.

Zur Turmstube des Daniels führen 350 Stufen. Von dort aus ist eine Aussichtsgalerie zu erreichen, die eine Rundblick über die Dächer der Altstadt, die Stadtmauer und die umliegenden Dörfer bis zum Riesrand bietet. 99 Kirchtürme seien nach eigenen Angaben der Stadt Nördlingen (Infotafel vor Ort) von dieser Galerie aus zu sehen.

Auf halber Höhe (35,6 m von 70,3 m) befindet sich ein spätmittelalterliches Laufrad. Häftlinge mussten es einst mit ihrem Körpergewicht bewegen, um Lasten auf den Turm zu befördern.

Die Turmstube ist ständig von einem Türmer besetzt: Ein Beruf, den es in Europa nur noch in Münster und Krakau gibt. Der Türmer ruft von 22 bis 24 Uhr halbstündlich vom Turm den Spruch So G'sell So!, dessen Ursprung mit einer Legende in Zusammenhang gebracht wird:

1440 versuchte Graf Hans von Oettingen-Wallerstein aufgrund finanzieller Probleme, Nördlingen zu erobern. Um unbemerkt in die Stadt gelangen zu können, bestach er mehrere Torwächter, damit diese am Dreikönigsabend das Löpsinger Tor nicht abschlossen. Als die Frau des Lodenwebers Dauser in der Nacht nach draußen ging, um in einer Wirtschaft Bier zu holen, entdeckte sie das offene Tor, da sich gerade eine entflohene Sau daran rieb. Da rief sie die Worte So G'sell So!, die nicht nur die Sau vertrieben, sondern auch die Wachen alarmierten und insoweit als Drohung gegen die verräterischen Torwächter verstanden werden können; diese wurden später bei Würfelspiel und Wein aufgegriffen und dann gevierteilt. Kern der Sage ist also, eine Sau habe die Stadt gerettet.

Der Wächterruf hat, historisch gesehen, mutmaßlich eher einen praktischen Hintergrund: Der in der Dunkelheit stündlich von allen Türmern gleichzeitig ausgerufene Spruch sollte sicherstellen, dass sich alle Wächter auf ihren Posten befanden und nicht schliefen.

Glocken

Zwölf-Apostel-Glocke g°

Von den vier Glocken stammt nur noch eine (die Hosianna des Augsburger Glockengießers Peter Gereis, 1496) aus dem Mittelalter. Mit 1.400 kg Gewicht ist sie heute die Kleinste. Die Größte stammt aus der Stargarder Marienkirche. Sie ist auf das Jahr 1862 datiert und wiegt 3.700 kg. Die beiden übrigen Glocken sind aus dem Jahr 1961. Samstags um 16 Uhr wird mit allen Glocken der Sonntag eingeläutet.

Name
 
Nominal
 
Gewicht
(kg)
Gussjahr
 
Gießer
 
Zwölf-Apostel-Glocke g0 3700 1862 Friedrich Gruhl
h0 2593 1961 Rincker, Sinn
d1 1996 1961 Rincker, Sinn
Hosianna e1 1400 1496 Peter Gereis, Augsburg

Hauptschiff

Das 93 Meter lange und über 20 Meter hohe Kirchenschiff macht St. Georg zu einer der größten Hallenkirchen im süddeutschen Raum. Der Bau besteht aus einem dreischiffigen Chor sowie der dreischiffigen, zwölfjochigen Halle mit 12 Mittelsäulen.

Den barocken Hochaltar schmücken spätgotische Holzskulpturen, die dem Niederländer Niclaes Gerhaert van Leyden zugeschrieben werden. Es handelt sich um eine Kreuzigungsgruppe mit Maria und Johannes und zwei trauernden Engeln, flankiert vom Hl.Georg mit dem besiegten Drachen zu seinen Füßen und Maria Magdalena mit dem Salbungsgefäß in ihrer Hand. Diese Figuren befanden sich ursprünglich in einem etwa zeitgleich entstandenen, von Friedrich Herlin bemalten Holzschrein mit beweglichen Flügeln, die heute im Stadtmuseum Nördlingen zu sehen sind. Seine barocke Gestalt erhielt der Altar im Jahr 1683 durch Johann Michael Ehinger. Das Gehäuse des spätgotischen Holzschreins wurde unter der barocken Ummantelung erst bei der Restaurierung 1971-73 entdeckt; es steht heute an der Nordwand mit der bemalten Rückfront (8 Passionsszenen Christi sowie das Jüngste Gericht) nach vorne. Obwohl das Gehäuse von Herlin signiert ist (datiert 1462), wird angenommen, dass die Tafeln der Rückfront angesichts ihrer geringeren Qualität gegenüber den Flügelaltartafeln nicht vom Meister stammen.

Am Chorgestühl aus dem Spätmittelalter (dem lokalen Kunstschreiner Hans Tauberschmid, der um 1500 wirkte, zugeschrieben) sind geschnitzte Tier- und Menschenköpfe sowie Fabelwesen angebracht.

Der Taufstein stammt aus dem Jahr 1492.

Weiterhin bemerkenswert sind das Sakramentshäuschen in der Nordostecke des Chors, die Emporenbrüstung mit Darstellung der zwölf Apostel sowie die spätgotische Kanzel mit Reliefs der vier Evangelisten mit ihren Symbolen (Augsburg 1499) unter einem barocken Schalldeckel, auf dem Christus mit der Weltenkugel thront (Johann Michael Ehinger, 1681).

Eine Besonderheit der Georgskirche sind die zahlreichen Epitaphien und Totenschilde an den Seitenwänden. Sie zeugen von der Vergangenheit Nördlingens als reicher Bürger- und Handelsstadt.

Literatur

  • Steinmeier, Andrea: 1100 Jahre Nördlingen. F. Steinmeier: Nördlingen, 1998. ISBN 3-927496-54-5
  • St. Georg in Nördlingen, Schnell-Kunstführer Nr. 1418, Regensburg, 7. Aufl. 2006, ISBN 978-3-7954-5128-8, m.w.N.

Weblinks

48.85069444444410.4886111111117Koordinaten: 48° 51′ 2″ N, 10° 29′ 19″ O


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