Sportsucht

Sportsucht

Bei der so genannten Sportsucht (auch Fitnesssucht) handelt es sich um eine zumeist nichtstoffliche Sucht, die unter den Oberbegriff Verhaltenssucht fällt, aber nicht als eigenständige medizinische Diagnose gilt. Betroffene leiden unter dem inneren Zwang, sich sportlich zu betätigen, ohne jedoch Wettkampfambitionen zu haben. In den Vereinigten Staaten ist der Begriff seit Mitte der 1990er Jahre bekannt. Wie alle Verhaltenssüchte wurde auch die Sportsucht bisher weder in der ICD-10 noch im DSM-IV aufgenommen, was bedeutet, dass eine Sportsucht keine international anerkannte, psychische Störung ist.[1]

Bei einem Teil der Sportsüchtigen kann gleichzeitig eine Essstörung (Anorexia Athletica) vorliegen; in diesen Fällen dient intensives Trainieren vor allem dazu, das Körpergewicht zu reduzieren um ein bestimmtes Figurideal zu erreichen. Bei Männern ist auch der zwanghafte Wunsch immer mehr Muskelmasse aufzubauen als Muskelsucht bekannt. Psychologen schätzen, dass in Deutschland etwa ein Prozent der Bevölkerung von Sportsucht betroffen ist.

Für die Entstehung von Sportsucht gibt es mehrere wissenschaftliche Erklärungsansätze. Auf der psychischen Ebene kann Leistungssport dazu dienen, das Selbstbewusstsein zu steigern, Misserfolge in anderen Bereichen zu kompensieren und der Bewältigung von Problemen auszuweichen. Die völlige körperliche Erschöpfung wird häufig angestrebt und als Erfolgserlebnis gewertet.

Ein anderer Erklärungsansatz betont die Bedeutung der körpereigenen Hormonproduktion. Bei intensiver sportlicher Betätigung schüttet der Körper verstärkt Endorphine aus, die den Organismus im Extremfall in einen Rauschzustand versetzen können. Langstreckenläufer bezeichnen diesen Zustand als Runner's High.

Auch ein Zusammenhang mit den aktuellen Idealen in den westlichen Leistungsgesellschaften wird angesprochen. Leistung hat einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert und ist positiv konnotiert, hinzu kommen die vorherrschenden Schönheitsideale, die sich zunehmend auch auf Männer beziehen.

Merkmale für das Vorliegen einer Sportsucht sind nach Angaben von Sportpsychologen:[2]

  • Ausdauersport ist ein zentraler Lebensinhalt
  • bei erzwungenem Verzicht auf Sport treten körperliche Symptome wie Nervosität und Magenschmerzen auf oder psychische wie Schuldgefühle oder Depressionen
  • die Belastung wird kontinuierlich gesteigert
  • der Drang zu trainieren wird als innerer Zwang erlebt
  • körperliche Warnsignale vor Überlastung werden ignoriert
  • es wird auch bei Verletzungen weiterhin trainiert
  • soziale Kontakte werden wegen des Sports vernachlässigt oder aufgegeben

Ständige Überlastung des Körpers über Jahre führt zur Schwächung des Immunsystems und zu Schäden an Gelenken, Knochen, Sehnen und Bändern. In Verbindung mit Magersucht oder Bulimie treten weitere gesundheitliche Schäden auf.

Literatur

  • A. Hausenblas, S. Downs: Relationship Among Sex, Imagery, and Exercise Dependence Symptoms. In: Psychology of Addictiv Behaviors. 2002 (16. Juni), S. 169-72 (PMID 12079258).
  • Laetitia Hoffmann: Anorexia Athletica - Gesundheitliche Probleme bei magersüchtigen Sportlern. 1. Auflage. Diplomica, 2009, ISBN 978-3-8366-7611-3.
  • M. D. Griffiths, A. Szabo, A. Terry: The exercise addiction inventory. A quick and easy screening tool for health practitioners. Br J Sports Med., 2005 Juni 39(6):e30 (PMID 15911594).
  • R. Hurst, B. Hale, D. Smith, D. Collins: Exercise Dependence, Social Hysique Anxiety, and Social Support in Experienced and Inexperienced Bodybuilders and Weightlifters. Br J Sports Med, 2000 Dec;34(6), S. 431-5 (PMID 11131230).

Einzelnachweise

  1. Siehe: Marc Castillon (2007): Das Phänomen der Sportsucht, S. 4.
  2. Siehe: Marc Castillon (2007): Das Phänomen der Sportsucht, S. 8-9.

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