Spießer

Spießer

Als Spießbürger oder Spießer werden in abwertender Weise Personen bezeichnet, die sich durch geistige Unbeweglichkeit, ausgeprägte Konformität mit gesellschaftlichen Normen, Abneigung gegen Veränderungen der gewohnten Lebensumgebung und ein starkes Bedürfnis nach sozialer Sicherheit hervortun.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung des Begriffes

Der Begriff geht zurück auf die im Mittelalter in der eigentlichen Stadt wohnenden Waffen tragenden Bürger, die ihre Heimatstadt mit dem Spieß als Waffe verteidigen konnten, im Gegensatz zu den in der Vorstadt wohnenden Pfahlbürgern. Später wurden eher ärmere Bürger so benannt, die nur mit einem Spieß bewaffnet bei den städtischen Fußtruppen Dienst taten. Der Spieß als Waffe war relativ billig herzustellen, zugleich effektiv gegen die adligen Ritterheere des Hoch- und Spätmittelalters und verhalf Bürgern und Bauern in den Bauern- und Hussitenkriegen zum Teil zu hohen Schlachtensiegen gegen die adlige Kavallerie. Ab dem 17. Jahrhundert waren die Bürger mit ihren rückständigen Spießen den Landsknechten und später den ersten stehenden Heeren unterlegen, die mit Schusswaffen bewaffnet waren.

Mit Beginn des 20. Jahrhunderts kommt die Kurzform Spießer und das Adjektiv spießig auf, die anfangs als Kampfbegriff adliger Kreise gegenüber dem Bürgertum, später meist fortschrittsorientierter und politisch linker Gruppierungen gegen die gesellschaftlichen Führungseliten (das sog. "Establishment") verwendet wird. Neuerdings findet der Begriff vereinzelt auch Anwendung auf eben diese Gruppierungen, da Kritiker deren Position im Zuge des Marsches durch die Institutionen als neuen Mainstream sehen. Die taz, die in einer Artikelreihe die Neue Bürgerlichkeit erörterte, nutzte den Begriff Spießer in einer darauf bezugnehmenden Abo-Kampagne ("Werden Sie Neo-Spießer").

Synonyme

In der Schweiz werden Spießbürger meist als „Füdlibürger“ (Füdli = Hinterteil) oder „Bünzli“ bezeichnet.

Literatur

In seinem 1930 erschienenen Roman Der ewige Spießer charakterisiert der Schriftsteller Ödön von Horváth einen Spießer als einen "hypochondrischen Egoist, der danach trachtet, sich überall feige anzupassen und jede neue Idee zu verfälschen, indem er sie sich aneignet." Der Spießer reist in der Welt herum und sieht doch nur sich selbst. Was gut und böse ist, weiß er, ohne nachzudenken.

Die Literatur des 19. Jahrhunderts scheint zwei Kategorien von Spießern zu kennen. Charles Dickens schildert den gutmütigen Spießer, gemeint sind Menschen, die einer oberflächlichen Geselligkeit frönen und sich zudem gerne in Vereinen aufhalten. Harmlose Scherze und eine Art familiäres Treiben herrschen vor. Die bösartigen Varianten von Spießern tauchen bei Honoré de Balzac in seinem Roman Die Kleinbürger auf: Gehässigkeit, Klatschsucht, Verleumdung und Verrat, Dünkel, Besserwisserei und Aufgeblasenheit herrschen. Der Untertan in Heinrich Manns gleichnamigen Roman von 1914 ist ein autoritätshöriger Opportunist, Mitläufer und Konformist. Vieles daran erinnert an Adornos "Autoritäre Persönlichkeit".

Weblinks

Quellen


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужен реферат?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Spießer — Spießer, 1) im Mittelalter so v.w. Speerreiter; 2) so v.w. Dorndreher, Rothrückiger Würger; 3) so v.w. Spießhirsch; 4) so v.w. Spießbock; 5) im Mittelalter die schweren Pferde, s.u. Ringe Pferde …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Spießer — Spießer, in der Jägersprache der einjährige Hirsch; Spießbock, das einjährige männliche Reh, solange es Spieße trägt, was auch bisweilen noch bei ältern Stücken der Fall ist (s. Geweih); auch soviel wie Glevner (s. Gleve), daher noch jetzt soviel …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Spießer — (Jägerspr.), s. Spieß; als Vogel der Neuntöter (s. Würger) …   Kleines Konversations-Lexikon

  • Spießer — ↑ Spießerin * * * Spießer,der:⇨Spießbürger Spießer→Spießbürger …   Das Wörterbuch der Synonyme

  • Spießer — Traditionalist; Kleinkarierter; Kleinbürger; Philister; Spießbürger; Konventionalist * * * Spie|ßer [ ʃpi:sɐ], der; s, , Spie|ße|rin [ ʃpi:sərɪn], die; , nen (ugs. abwertend): Spießbürger, Spießbürgerin: diese Spießer gehen mir gehörig auf die… …   Universal-Lexikon

  • Spießer — Spießerm 1.kleinlicher,engherzigdenkender,fortschrittsfeindlicherMensch.Gegen1830aus»⇨Spießbürger1«verkürzt. 2.jungerMann,dersichkeinemLebensgenußversagt.StammtausderJägersprache,wo»Spießer«derjungeHirschist.Vgl»⇨Hirsch1«.1920ff,Berlin …   Wörterbuch der deutschen Umgangssprache

  • Spießer — 2Spieß »Kampf , Jagdspieß«: Die Herkunft des Substantivs mhd. spiez̧, ahd. spioz̧, mniederl. spit, schwed. spjut ist nicht geklärt. Der Spieß war eine Wurf und Stoßwaffe, die erst im 13. Jh. durch den Speer des Ritters zurückgedrängt wurde,… …   Das Herkunftswörterbuch

  • Spießer (Begriffsklärung) — Spießer steht für: eine Kurzform des Schmähbegriffs Spießbürger ein junger Hirsch oder Rehbock, dessen Geweihstangen noch nicht verzweigt sind SPIESSER, eine Jugendzeitschrift Spiesser ist der Name folgender Personen: Fritz Spiesser (1909–1971),… …   Deutsch Wikipedia

  • Spießer, der — Der Spießer, des s, plur. ut nom. sing. bey den Jägern, ein junger Hirsch, welcher das erste Mahl aufsetzet, und daher nur Spieße statt des Gehörnes hat, der Spießhirsch. S. Spieß. Im mittlern Lateine Brokettus, von Broca, Französisch Broche, ein …   Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart

  • Spießer — Spie·ßer der; s, ; gespr pej ≈ Spießbürger || K : Spießermoral …   Langenscheidt Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”