Speusipp

Speusipp

Speusippos (* um 410–407 v. Chr.; † 339 oder 338 v. Chr. in Athen) war ein antiker griechischer Philosoph. Er war ein Neffe und Schüler Platons und dessen Nachfolger als Leiter der Platonischen Akademie (Scholarch).

Inhaltsverzeichnis

Leben

Speusippos war ein Sohn von Platons Schwester Potone und ihres Ehemanns Eurymedon von Myrrhinos. Er wuchs in Athen auf und schloss sich früh Platon an. Nach einer von Plutarch überlieferten Anekdote nahm Platon Anteil an der Erziehung des Jungen. Daneben nahm Speusippos wahrscheinlich Unterricht in der Schule des Isokrates.

Als der sizilianische Politiker Dion von Syrakus, der mit Platon seit dessen erster Sizilienreise (um 389/388 v. Chr.) befreundet war, 366 v. Chr. vom Tyrannen Dionysios II. von Syrakus verbannt wurde, begab er sich nach Griechenland. In Athen trat er in Platons Akademie ein. Dort schloss er Freundschaft mit Speusippos. Im Jahr 361 unternahm Platon auf Einladung von Dionysios seine dritte Sizilienreise, begleitet von einigen seiner Schüler, darunter Speusippos und Xenokrates. Er wollte sich in Syrakus insbesondere für eine Rehabilitierung Dions einsetzen. Der Versöhnungsversuch misslang jedoch, und Dionysios beschlagnahmte Dions großes Vermögen, das er bisher nicht angetastet hatte; das bedeutete den endgültigen Bruch zwischen den beiden. Als radikaler Anhänger Dions gehörte Speusippos zu den Befürwortern einer gewaltsamen Lösung des Konflikts mit militärischen Mitteln. Er nutzte seinen Aufenthalt in Syrakus, um Erkundigungen über die Stimmung der Bürger einzuziehen. Damit wollte er herausfinden, wie sich die Bevölkerung im Falle eines Versuchs, den Tyrannen zu stürzen, verhalten würde. Diese Aktivitäten des Speusippos blieben Dionysios aller Wahrscheinlichkeit nach nicht verborgen.[1] Nun waren Platon und seine Schüler verdächtig, mit einer gewaltbereiten Opposition zu sympathisieren. Das dadurch erweckte Misstrauen des Tyrannen brachte Platon in Schwierigkeiten.

Nach Platons Rückkehr (360 v. Chr.) trieb Dion die Rüstungen für einen Feldzug voran, wobei er von seinen Freunden in der Akademie unterstützt wurde. Speusippos bestärkte ihn in der Annahme, dass der Tyrann bei seinen Untertanen verhasst und das Vorhaben daher aussichtsreich war.[2] Einige Platoniker beteiligten sich an dem Unternehmen, das Dion 357 v. Chr. mit einer relativ kleinen Streitmacht von Söldnern begann. Speusippos blieb in Athen,[3] ließ sich aber von einem der teilnehmenden Akademiemitglieder, Timonides von Leukas, brieflich über den erfolgreichen Verlauf des Kriegszugs unterrichten.

Nach Platons Tod übernahm Speusippos 348/347 v. Chr. die Leitung der Akademie; eine förmliche Wahl scheint nicht stattgefunden zu haben. Er führte ein Schulgeld ein und wich damit von der Haltung Platons ab, bei dem der Unterricht stets kostenlos gewesen war. Die schon zu Platons Zeit bestehende Rivalität mit der Schule des Isokrates setzte er fort. Wegen einer chronischen schweren Krankheit soll er seinem Leben ein Ende gesetzt haben. Möglicherweise konnte er das Amt des Scholarchen in seiner letzten Lebensphase nicht mehr ausüben.

Speusippos gehörte zu den entschiedenen Parteigängern des Makedonenkönigs Philipp II. Wegen seiner politischen Parteinahmen war er umstritten; die antike Überlieferung beurteilt ihn daher sehr unterschiedlich.

Werke

Von den philosophischen Schriften des Speusippos sind nur Fragmente erhalten. Er gilt als erster Verfasser einer Enzyklopädie, von der allerdings nur wenige Fragmente erhalten geblieben sind. Die meisten sind von Athenaios in dessen Gastmahl überliefert. Danach scheint er sich besonders mit Fragen wissenschaftlicher Definition und naturkundlicher Klassifikation beschäftigt zu haben. Sein aus zehn Büchern bestehendes Hauptwerk, aus dem etwa ein Drittel der bekannten Fragmente stammt, hatte den Titel Hómoia ("Ähnlichkeiten"). Darin ordnete er die Gesamtheit der ihm bekannten Dinge nach Arten und Gattungen. Die in den Fragmenten erhaltenen Beispiele betreffen hauptsächlich die zoologische und botanische Systematik.

Überliefert sind ferner unter dem Namen des Speusippos acht Briefe, von denen nach heutigem Forschungsstand wohl alle außer einem an König Philipp II. gerichteten als unecht zu betrachten sind. Die Echtheit des Briefs an Philipp ist umstritten, aber wahrscheinlich.[4] In dem 343/342 verfassten Brief wird dem König ein Historiker namens Antipatros von Magnesia empfohlen, der besser als Isokrates geeignet sei, für die makedonische Politik zu werben.

Quellen und Fragmente

  • Margherita Isnardi Parente: Speusippo. Frammenti. Neapel 1980, ISBN 88-7088-011-7
  • Leonardo Tarán: Speusippus of Athens. A critical study with a collection of the related texts and commentay, Brill, Leiden 1997, ISBN 9-0040-6505-9

Literatur

  • Hans-Joachim Krämer: Speusippos, in: Grundriss der Geschichte der Philosophie, Die Philosophie der Antike, Bd. 3: Ältere Akademie – Aristoteles – Peripatos, hrsg. Hellmut Flashar. 2. Auflage. Schwabe, Basel 2004, S. 32–55. ISBN 3-7965-1998-9.
  • Alain Metry: Speusippos. Zahl – Erkenntnis – Sein. Haupt, Bern 2002. ISBN 3-258-06440-7
  • Debra Nails: The People of Plato. A prosopography of Plato and other Socratics, Indianapolis 2002, S. 271f. (und Stammtafel S. 244). ISBN 0-87220-564-9

Weblinks

Anmerkungen

  1. Plutarch: Dion 22. Siehe dazu Kai Trampedach: Platon, die Akademie und die zeitgenössische Politik, Stuttgart 1994, S. 110; Kurt von Fritz: Platon in Sizilien und das Problem der Philosophenherrschaft, Berlin 1968, S. 70; Helmut Berve: Dion, Wiesbaden 1957, S. 53.
  2. Plutarch: Dion 22.
  3. Angaben, wonach er mitzog, sind unzutreffend. Zu den Schülern Platons, die teilnahmen, siehe Trampedach S. 111f., Berve S. 65f.
  4. Trampedach S. 138 und Anm. 100 (für die Echtheit).

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