Sozialistische Einheitspartei Westberlins

Sozialistische Einheitspartei Westberlins

Die Sozialistische Einheitspartei Westberlins (SEW) war eine mit der SED und der DKP eng verbundene und von der SED angeleitete[1] kommunistische Partei in West-Berlin. Sie ging aus den Kreisorganisationen der SED in den zwölf westlichen Bezirken Berlins hervor, die 1959 eine eigene einheitliche Leitung erhielten.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Aus der Entwicklung der These von der Herausbildung einer sozialistischen deutschen Nation in der DDR nach dem Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961 folgte die so genannte Drei-Staaten-Theorie, der die Sowjetunion seit dem Chruschtschow-Ultimatum und mit ihr die DDR und daher auch die ihnen nahestehenden Parteien im Westen folgten. Deshalb gründete die 1968 entstandene DKP auch keinen eigenen Landesverband in West-Berlin. Die SEW war damit aus der Sicht der SED und der DKP die kommunistische Partei in der „besonderen“ respektive „selbständigen politischen Einheit Westberlin“.

Die Partei nannte sich vom 12. November 1962 an bis 1969 SED Westberlin, von da an bis 1990 SEW, nach der Wende im Herbst 1989 bis zu ihrer Auflösung im Jahre 1991 Sozialistische Initiative. Insgesamt war die SEW eine marxistisch-leninistische Partei und in ihren Grundsätzen der SED und der DKP (die bis in die 1990er Jahre in West-Berlin nicht existierte) sehr ähnlich. Die SEW wurde während ihrer gesamten Existenz bis zur Wende im Geheimen von der SED finanziell unterstützt, was die SEW allerdings stets bestritt. Gleiches gilt für die von der SEW herausgegebene Tageszeitung Die Wahrheit und das Theorie-Organ Konsequent. Wahlen in West-Berlin boykottierte die SEW zunächst, bei späteren Teilnahmen wurde der Einzug ins Abgeordnetenhaus deutlich verpasst.

Die SEW hatte in den 1970er-Jahren in der Gewerkschaft GEW, in der IG Metall, in der Friedensbewegung, Chile-Bewegung, in der Mieterbewegung und an einigen universitären Fachbereichen wie dem Psychologischen Institut der Freien Universität Berlin, im Theater- und Kultur-Betrieb zeitweise eine einflussreiche Stellung. Auf ihrem Höhepunkt folgten der Partei auf 1.-Mai-Demonstrationen bis zu 55.000 West-Berliner. Der Innensenat von Berlin-West reagierte mit der „Regelanfrage“ beim Bundesamt für Verfassungsschutz, in deren Folge in den Jahren 1976 bis 1981 über 100 vermuteten oder tatsächlichen SEW-Mitgliedern (Absolventen der Pädagogischen und anderer Hochschulen) ein „Berufsverbot“ für den Öffentlichen Dienst ausgesprochen wurde.

1980 wurden die Anführer einer vom Eurokommunismus inspirierten und nach der Biermann-Ausbürgerung geheim arbeitenden marxistischen Reformströmung um das Zirkular Die Klarheit aus der Partei ausgeschlossen; weitere Klarheit-Anhänger verließen zeitgleich die Partei; zunächst gründeten die Dissidenten die „Sozialistische Initiative“ (SI), dann traten sie zum Teil der Alternativen Liste bei, unter ihnen Annette Schwarzenau, Hannelore May, Wolfgang Gukelberger und Edwin Massalsky. Dieser kandidierte später auch für Bündnis 90/Die Grünen für das Abgeordnetenhaus von Berlin. Mit dem Ausschluss der so genannten Klarheit-Fraktion aus der SEW wurde eine Demokratisierung und Änderung der Strategie der SEW verhindert.

Der Zusammenbruch der DDR führte zur Auflösung der Partei respektive ihrer Nachfolgeorganisation. Nach der Wende und der mit dem Zusammenbruch der DDR entfallenden geheimen Finanzierung musste die SEW ihre etwa 70 angestellten Mitarbeiter entlassen. Vorher hatte die SEW, obwohl in Westberlin politisch völlig unbedeutend, einen großen Apparat an Hauptamtlichen unterhalten; diese wurden von Reichsbahnern unterstützt, denn die Bahn fuhr auch in Westberlin unter DDR-Regie. Die Wahrheit wurde Ende November 1989 in Neue Zeitung umbenannt und bereits im Dezember 1989 nach nur fünf Ausgaben eingestellt. Die SEW löste sich nach längerer Transformationsgeschichte Anfang 1993 auf. Ein Teil der Mitglieder stieß danach oder schon vorher zur PDS, unter ihnen Ernst Welters.

Jugendorganisationen

Die Jugendorganisation der SEW hieß zunächst Freie Deutsche Jugend Westberlins (FDJW) und benannte sich im Mai 1980 in Sozialistischer Jugendverband Karl Liebknecht um. An den Universitäten existierte eine eigenständige studentische Organisation Aktionsgemeinschaft von Demokraten und Sozialisten (ADS), welche in den 1970er Jahren an den Westberliner Hochschulen eine bedeutende Rolle spielte und eng mit den jeweils mehrere Hundert Mitglieder umfassenden SEW-Hochschulgruppen an der Freien Universität Berlin (FU) und der Technischen Universität Berlin (TU), der Pädagogischen Hochschule (PH) sowie der Technischen Fachhochschule (TFH), der Kirchlichen Hochschule (KiHo), der Fachhochschule für Wirtschaft (FHW) und der Hochschule für Bildende Künste (HfBK) zusammenarbeitete.

Wahlergebnisse bei den Berliner Abgeordnetenhauswahlen

Jahr Stimmen (absolut) Stimmen (relativ)
1954 (als SED) 41.375 2,7 %
1958 (als SED) 31.572 2,0 %
1963 20.929 1,3 %
1967 29.925 2,1 %
1971 33.845 2,3 %
1975 25.105 1,8 %
1979 13.744 1,1 %
1981 8.176 0,6 %
1985 7.731 0,6 %
1989 6.875 0,6 %

Bekannte Mitglieder

siehe Kategorie:SEW-Mitglied

Literatur

Einzelnachweise

  1. Hannes Schwenger: Die willigen Helfer in West-Berlin. In: tagesspiegel.de vom 5. Oktober 2009. Zuletzt abgerufen am 27. Oktober 2011.

Weblinks


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