Sophie von Bawr

Sophie von Bawr

Alexandrine-Sophie Goury de Champgrand, Gräfin von Saint-Simon, Baronin von Bawr (* 8. Oktober 1773 in Paris[1]; † 31. Dezember 1860 ebenda) war eine französische Schriftstellerin und Komponistin, die auch unter dem Kurznamen Sophie von Bawr bekannt ist.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Sophie von Bawrs Lehrer André-Ernest-Modeste Grétry, mit dem sie nach dem Tod ihres Vaters zusammenlebte.

Sophie von Bawr wurde in Paris als Tochter einer adeligen französischen Familie geboren. Ihr Vater Baron Charles-Jean Goury de Champgrand war ein Veteran des Siebenjährigen Krieges und durch zahlreiche Werke über die Jagd, wie z.B. den Traité de vénerie et de chase (1769) oder den Almanach du chasseur (1773), in Erscheinung getreten. Ihre Mutter Madeleine-Virginie Vian war eine Opernsängerin. Sophies Patin wurde die Opernsängerin Sophie Arnould.

Ihre Mutter verließ die Familie, als die Tochter zwei Jahre alt war und ging nach Russland. Sophie von Bawr wuchs bei ihrem Vater auf, der ihr eine exzellente Erziehung ermöglichte. Sie erhielt Kompositionsstunden bei André-Ernest-Modeste Grétry, wurde von Nicolas Roze in Harmonielehre unterrichtet und lernte bei François Adrien Boieldieu. Gesangsstunden nahm sie bei Pierre Garat und François Elleviou. Im väterlichen Salon trat sie mit eigenen kleinen Kompositionen auch als Sängerin auf.

Sophie von Bawrs zweiter Ehemann Henri de Saint-Simon.

Im Zuge der Französischen Revolution verlor die Familie ihr ganzes Einkommen. Charles-Jean Goury de Champgrand wurde als Adeliger und enger Freund von Louis Philippe d'Orléans 1793 gefangen genommen. Sophie von Bawr heiratete wahrscheinlich Louis Camille Jules de Rohan-Rochefort, der im Zuge der Französischen Revolution 1794 hingerichtet wurde. Die heimlich geschlossene Heirat wurde von der Familie Rohan-Rochefort nie anerkannt. Ein Kind, das möglicherweise aus der Heirat stammte, starb bereits 1797.

Sophie von Bawrs Vater starb nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis 1799. Nach seinem Tod lebte sie zuerst mit ihrem Lehrer Grétry zusammen und begann Lieder zu komponieren, die durch Pierre Garats Vortrag so populär wurden, dass sie mit den Einkünften ihren Lebensunterhalt bestreiten konnte.

Am 7. August 1801 heiratete Sophie von Bawr den Schriftsteller Baron Henri de Saint-Simon und führte für ihn einen Salon, in dem sich bekannte Musiker und Intellektuelle aus ganz Paris trafen. Bereits nach einem Jahr wurde die Ehe geschieden, die Saint-Simon zudem um große Teile seines Vermögens brachte. Sophie von Bawr heiratete 1809 den russischen Baron de Bawr, der bereits kurz nach der Vermählung Bankrott war und 1810 bei einem Kutschenunfall ums Leben kam. Die folgenden Jahre lebte Sophie von Bawr in finanziell schwierigen Verhältnissen, bis ihr die Regierung unter Ludwig XVIII. für ihren Erfolg am Theater im Jahr 1816 eine Pension zusprach, die bis zu ihrem Tod an sie ausgezahlt wurde und sie von finanziellen Schwierigkeiten befreite.

Wirken

Mademoiselle Mars auf einem Stich von Claude Niquet nach einem Gemälde von Eugène Devéria.

Obwohl Sophie von Bawr aus einem reichen Elternhaus stammte, musste sie durch die Wirren der Zeit und familiäre Unglücksfälle mit ihren musikalischen und schriftstellerischen Werken Geld verdienen. Ein zentraler Förderer ihres Schaffens war dabei der Leiter des Théâtre de l'Ambigu-Comique, der sie nicht nur bei ihrer Arbeit als Dramatikerin unterstützte, sondern sie auch zum Verfassen von Musiktheaterstücken animierte. Bereits 1804 entstand so das in Deutschland angesiedelte Les chevaliers du lion, das zwei Jahre erfolgreich am Théâtre de l'Ambigu-Comique aufgeführt wurde. Auch mit ihrem 1811 uraufgeführten Musiktheaterstück Léon knüpfte sie erfolgreich an die populären Melodramen an.

Sophie von Bawr schrieb zahlreiche Theaterstücke, die teilweise unter dem Pseudonym M. François aufgeführt wurden. Ihr Erfolg als Dramatikerin am Théâtre de l'Ambigu-Comique machte den berühmten Schauspieler François-Joseph Talma auf sie aufmerksam, der ihr dazu riet, Stücke für die Comédie-Française zu verfassen. Ihren großen Erfolg dort führte Sophie von Bawr unter anderem darauf zurück, dass die bekannte Schauspielerin Mademoiselle Mars in zahlreichen Stücken die Hauptrolle übernahm, so z.B. in den Stücken La suite d'un bal masqué und La méprise, die 1813 bzw. 1815 uraufgeführt wurden.

Neben Theaterstücken wandte sich Sophie von Bawr in den nächsten Jahren zunehmend anderen Genres zu und schrieb historische Romane und Kinderbücher. Durch ihren Aufsatz Histoire de la musique, der 1823 in der Encyclopédie des dames erschien, wurde sie zudem die erste Musikhistorikerin ihrer Zeit.[2] Ihr Aufsatz, der wegen der Detailfülle, Übersichtlichkeit und Objektivität der Kritik von Zeitgenossen hoch geschätzt wurde[3], erschien bereits 1826 auf Deutsch. Als Mademoiselle Mars 1835 eine Nebenrolle in ihrem Stück Charlotte Brown ablehnte, zog sich Sophie von Bawr gänzlich vom Schreiben von Theaterstücken zurück.[4] Ihr Buch Soirées des jeunes personnes, das alltägliche moralische Geschichten für Kinder enthielt, wurde 1852 von der Académie française ausgezeichnet.[5] Unter dem Namen Mme de Bawr veröffentlichte sie ein Jahr später ihre Memoires, in denen sie u.a. auf ihre enge Freundschaft mit Élisabeth Vigée-Lebrun und anderen Persönlichkeiten ihrer Zeit eingeht.

Werke

Musiktheater

  • Les chevaliers du lion (1804)
  • Le revenant de Bérezule (um 1811)
  • Léon ou Le château de Montaldi (Oper, 1811)
  • Un quart d'heure de dépit (1813)

Theater

  • M. François - Argent et adresse, ou Le petite mensonge (1802)
  • M. François - Le matinée du jour (1802)
  • M. François - Le rival obligeant (1804)
  • M. François - L'argent du voyage (1809)
  • M. François - Le double stratagème (1813)
  • La suite d'un bal masqué[6] (1813)
  • La méprise (1815)
  • L'ami de tout le monde (o. J.)
  • Charlotte Brown (1835)
  • Le petit commissionnaire (1838)

Romane und theoretische Schriften

  • Auguste et Frédéric (Roman in zwei Bänden, 1817)
  • Histoire de Charlemagne, commençant à l'avènement de Pepin au trône (1821)
  • Cours de littérature ancienne (1821)
  • Histoire de la musique (1823)
  • Le novice (Roman in vier Bänden, 1829)
  • Raoul, ou L'Énéide [7] (1832)
  • Histoires fausses et vraies (Novellen, enthält: Louise, Michel Perrin, Une réjouissance en 1770, La Mère Nacquart, Rose et Thérèse, Le Schelling, Maria Rosa; 1835)
  • Les Flawy (Roman, 1838)
  • Sabine [8] (Roman, 1844)
  • Un mariage de finance (Roman in zwei Bänden, 1847)
  • Mes Souvenirs [9] (1853)
  • Une existence parisienne (Roman in drei Bänden, 1859)
  • Bibliothèque rose illustrée (Kinderbuchreihe)

Literatur

  • Joseph-Marie Quérard: La littérature française contemporaine. XIXe siècle. Band 1. Daguin Frères, Paris 1842, S. 198-201.
  • Élise Gagne: Madame de Bawr, étude biographique sur sa vie et ses ouvrages. Didier, Paris 1861.
  • Marguerite-Louise-Virginie Ancelot: Un salon de Paris, 1824-1864. E. Dentu, Paris 1866.
  • François-Joseph Fetis: Biographie universelle des musiciens et Bibliographie generale de la musique. Band 1. Didot, Paris 1878.
  • M. Gabriel Vauthier: Le premier mariage de Mme de Bawr. In: Nouvelle Revue. 1. August 1908, S. 355-369.
  • Henri Gouhier: La Jeunesse d'Auguste Comte et la formation du positivisme. Band 2: Saint-Simon jusqu'a la restauration. Vrin, Paris 1964, ISBN 271160313X, S. 112-125
  • Jacqueline Letzter, Robert Adelson: Women Writing Opera: Creativity and Controversy in the Age of the French Revolution. University of California Press, California 2001, ISBN 0520226534, S. 37-39.

Einzelnachweise

  1. Einige Quellen geben fälschlicherweise Stuttgart als Geburtsort an.
  2. Letzter/Adelson, S. 39.
  3. Vgl. z.B. Quérard (1842), S. 200: On est frappé tout à la fois de l'ordre qui y règne, du nombre de faits qui s'y trouvent et de l'impartialité des jugements de l'écrivain. Pour conduire à bonne fin un pareil travail, il fallait consulter beaucoup d'ouvrages écrits en langues étrangères ...
  4. Letzter/Adelson, S. 38.
  5. Letzter/Adelson, S. 39.
  6. La suite d'un bal masqué, auf books.google.de, abgerufen 14. Dezember 2008 (französisch)
  7. Raoul, ou L'Énéide, auf books.google.de, abgerufen 14. Dezember 2008
  8. Sabine, auf books.google.de, abgerufen 14.Dezember 2008
  9. Mes Souvenirs, auf books.google.de, abgerufen 14. Dezember 2008

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