Sonnenscheibe von Moordorf

Sonnenscheibe von Moordorf
Die Sonnenscheibe von Moordorf

Die Goldscheibe von Moordorf, auch Sonnenscheibe von Moordorf genannt, ist eine Skulptur, die in die Periode II der Nordischen Bronzezeit (1500 - 1300 v. Chr.) datiert wird. Sie wurde 1910 entdeckt. Der namensgebende Fundort ist eine Moorlandschaft bei Aurich im Südbrookmerland in Ostfriesland. Heute gehört die Skulptur zum Bestand des Niedersächsischen Landesmuseums in Hannover.

Inhaltsverzeichnis

Fundgeschichte

Die Goldscheibe von Moordorf wurde im März des Jahres 1910 von Vitus Dirks beim Torfgraben gefunden. Er verkannte ihren Wert und gab sie seinen Kindern zum Spielen, ein Händler erwarb sie einige Jahre später als Altmaterial und verkaufte sie weiter. Erst im Jahre 1926 gelang es dem Landesmuseum in Hannover, die Scheibe zu erwerben, nachdem bereits die Gefahr bestand, dass sie ins Ausland verkauft werden würde. 1927 wurde eine Nachuntersuchung an der Fundstelle vorgenommen. Dabei zeigte sich, dass sich unter dem jetzt abgetorften Gelände vermutlich ein 75 cm hoher Hügel befunden hatte. Im Boden konnten Spuren einer rechteckigen Grube nachgewiesen werden, die 57 cm breit und 2,3 m lang war. Die Scheibe könnte somit aus einem Grab stammen.

Aufbau

Die Scheibe hat einen Durchmesser von 14,5 Zentimetern und ein Gewicht von 36,17 Gramm. In der Mitte besitzt sie eine zentrale Wölbung, an dessen Rand acht kleine nagelkopfartige Vorwölbungen bestehen. Es folgen nach außen eine aus Radiärstrahlen gebildeter Kreis, ein Kreis von abermals acht kleinen Buckeln, ein weiterer Strahlenkreis und schließlich ein Kreis, der mit 32 schraffierten Dreiecken gefüllt ist. Die Scheibe hat außerdem zwei Laschen, die aus dem ursprünglich größeren Goldblech herausgeschnitten wurden. Die Genaue Verwendung der Scheibe kann nicht nachgewiesen werden. Die beiden Laschen lassen vermuten, dass die Scheibe -ähnlich wie auf dem Sonnenwagen von Trundholm- ursprünglich auf einer Unterlage aufgeheftet war. Die Verzierungen der Goldscheibe von Moordorf sind jedoch nicht durch Auflage auf eine verzierte Bronzescheibe entstanden, also über eine Vorlage geformt, sondern von hinten in die Scheibe getrieben worden. Es besteht die überwiegende Auffassung, dass es sich um ein Symbol der Sonne handelt, die in der Vorzeit als Lebensspenderin verehrt wurde.

Interpretation

Die Frage nach der Funktion dieser Scheibe führt nach Dänemark zum Sonnenwagen von Trundholm. Seine diskusartig gerundete Goldscheibe ist auf einer bronzenen Scheibe angebracht, die von einem Pferd gezogen wird. Das Tier zieht nur die Scheibe, während beide durch die Räder bewegt werden können. In der Religion der älteren Bronzezeit zieht also das Pferd die Sonne über das Firmament. Eine Herstellungstechnik wie bei der Scheibe von Moordorf ist in Niedersachsen fremd. Sie ist auf kaltem Wege vermutlich ohne ein Model von der Rückseite her getrieben worden. Die meisten Scheiben dieser Art stammen aus Westeuropa, besonders aus Irland. So gibt diese Scheibe also nicht nur Auskunft über Ästhetik, Kunstschaffen, Metallverarbeitungstechniken und Religion in der Bronzezeit, sondern ist auch ein Beispiel für die weitgespannten Beziehungen in dieser Zeit.

Bei Kelten und Germanen zeugen Sonnenrad, Scheibenrad und von Pferden gezogene Bronzewagen mit goldener Sonnenscheibe (Funde von Trundholm, Moordorf) von einer ausgedehnten Sonnenverehrung. Im germanischen Rechtswesen durfte Gericht nur „bei scheinender Sonne“ gehalten werden. Die Sonne war in der Weltanschauung des gesamten Nordens die Erzeugerin des Lichts, der Wärme und des Lebens, der Fruchtbarkeit und vor allem auch die Reglerin und Teilerin der Zeit. Ihr Jahreslauf wurde von Festen begleitet. Sie wurde darum zur persönlichen Gottheit.

Bedeutung

Die Goldscheibe von Moordorf wird nach Art ihrer Verzierung mit den Funden aus Irland in Verbindung gebracht. In der Zusammensetzung des verwendeten Goldes fällt sie aus sämtlichen für Mitteleuropa verwendeten Materialgruppen heraus. Sie wurde aus geläutertem, also gereinigtem Gold gefertigt. Nach derzeitigem Forschungsstand wird vermutet, dass das Gold einen längeren Importweg, vermutlich aus dem östlichen Mittelmeerraum, zurückgelegt hat.

Literatur

  • Hans-Jürgen Häßler: Frühes Gold : ur- und frühgeschichtliche Goldfunde aus Niedersachsen. Isensee, Oldenburg 2003, ISBN 3-89995-066-6. 
  • H. Drescher: Das Profil der Sonnenscheibe von Moordorf. In: Die Kunde : Zeitschrift für niedersächsische Archäologie. 14, 1963, ISSN 0342-0736, S. 112ff.. 
  • K.-H. Jacob-Friesen: Einführung in Niedersachsens Urgeschichte. Bronzezeit, Hildesheim 1963
  • Günter Wegner (Hrsg.): Leben - Glauben - Sterben vor 3000 Jahren : Bronzezeit in Niedersachsen. Isensee, Oldenburg 1996, ISBN 3-89598-404-3. 
  • K.-H. Jacob-Friesen: Die Goldscheibe von Moordorf und ihre britischen und nordischen Parallelen. In: Herbert Kuhn (Hrsg.): Jahrbuch für prähistorische & ethnographische Kunst. de Gruyter, Berlin 1931, ISSN 0075-0468. 

Weblinks


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