Sonja Lüneburg

Sonja Lüneburg

Johanna Olbrich (alias Sonja Lüneburg, * 1926; † 18. Februar 2004 in Bernau) war eine DDR-Spionin. Die Lehrerin arbeitete beim FDP-Bundestagsabgeordneten William Borm, dem FDP-Generalsekretär Karl-Hermann Flach und Bundeswirtschaftsminister Martin Bangemann (FDP).

Leben

In der DDR wurde sie Lehrerin. Später übernahm sie die Leitung einer Schule. 1963 trat sie in die Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit ein. 1967 entsandte sie die HVA über Frankreich in die Bundesrepublik. Ausgestattet mit einer Legende als West-Berliner Friseuse, wurde sie 1969 in Bonn Sekretärin beim FDP-Bundestagsabgeordneten William Borm, der seinerseits Einflussagent des MfS war. Von der MfS-Verbindung des jeweils anderen wussten sie nichts. Nachdem Borm sein Bundestagsmandat verlor, wechselte sie in die FDP-Parteizentrale. Dort saß sie im Vorzimmer des FDP-Generalsekretärs Karl-Hermann Flach und nach dessen Tod ab 1973 bei dessen Nachfolger Martin Bangemann.

Als Bangemann Europaparlamentarier wurde, blieb sie auch in Straßburg seine Sekretärin, leitete von Bonn aus den Europawahlkampf. 1984 ging sie mit Bangemann in das Bundeswirtschaftsministerium, saß im Vorzimmer des Ministerbüros. Mit einer Miniaturkamera kopierte sie über Jahre große Mengen Akten. Die Filme wurden in ein Kuvert verpackt und auf der Toilette eines Zuges nach Osten geschleust. Das Verhältnis der Spionin zum FDP-Politiker Bangemann war sehr eng. Beide duzten sich und Olbrich begleitete die Familie Bangemann auf Segeltörns ins Mittelmeer.

1985 musste Olbrich ihre Arbeit in Bonn beenden. Auf einer Rückreise aus der DDR über die sogenannten Südroute, ließ sie in einem römischen Taxi ihre Handtasche mit falschen Pässen liegen. Die DDR zog sie aus der Bundesrepublik zurück. Danach erhielt sie eine Prämie von 10.000 DDR-Mark, lebte in einer Plattenbauwohnung in Bernau bei Berlin.

Nach dem Ende der DDR wurde sie von einem Mitarbeiter aus den eigenen Reihen verraten und 1991 verhaftet. Sie musste für zwei Monate in Untersuchungshaft, wurde dann auf Kaution freigelassen. Vor Gericht erklärte sie, ihr habe das Bewusstsein geholfen, etwas Richtiges und Wichtiges getan zu haben. 1992 wurde sie zu einer zweieinhalbjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. 1994 wurde ihre Strafe nach der Revision in einer erneuten Verhandlung zur Bewährung ausgesetzt.

In ihren letzten Jahren war sie Mitglied der PDS Bernau, versorgte die Katze des früheren DDR-Geheimdienstchefs Markus Wolf, während der auf Reisen war. Olbrich schrieb an ihren Memoiren über ihre Zeit in der Bundesrepublik. Das Verhältnis zu Martin Bangemann blieb freundlich. Er hatte sie bereits im Gerichtssaal 1992 mit Handschlag begrüßt. Zu Weihnachten 1999 übersandte er ihr ein politisches Buch zu seinem 65. Geburtstag: „Liebe Sonja, … Dein Teil an der Geschichte ist nur kurz erwähnt. Frohes Fest, Gesundheit und Glück auch in 2000. Liebe Grüße.

Olbrich wurde mit zehn Orden der DDR ausgezeichnet.

Schriften

  • Hanna Olbrich: Ich wurde Sonja Lüneburg. In: Klaus Eichner, Gotthold Schramm (Hrsg.): Kundschafter im Westen. Spitzenquellen der DDR-Aufklärung erinnern sich. Edition ost, Berlin 2003 ISBN 3-360-01049-3

Literatur

  • Markus Wolf: Freunde sterben nicht. Das Neue Berlin 2002, ISBN 3-360-00983-5

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