Sonderbehandlung

Sonderbehandlung

„Sonderbehandlung (S.B.)“ war eine Tarnbezeichnung der Politiker und der SS während der Zeit des Nationalsozialismus für die Ermordung von Menschen.

Inhaltsverzeichnis

Euphemismus

Diese euphemistische Bezeichnung sollte wie „Endlösung“, „Deportation“ oder „Evakuierung“ die tatsächlichen Handlungen verschleiern helfen. Zum selben Zweck benutzten SS-Ärzte in der Hartheimer Statistik den Begriff Desinfektionen anstelle von Vergasungen. Auch die so genannte Schutzhaft der SS, in welche die Opfer von Razziaaktionen und Pogromen überführt wurden, diente dazu, die Betroffenen aus der Gesellschaft entfernen und in weiterer Folge töten zu können.

Verwendung des Wortes

Der Begriff erschien am 20. September 1939 in einem Runderlass des Chefs der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes, Reinhard Heydrich, an alle Staatspolizeistellen, in welchem es um „die Grundsätze der inneren Staatssicherheit während des Krieges“ geht. Es ist dort unter anderem ausgeführt: „Bei den Fällen zu Ziffer 1 (Zersetzung der Kampfkraft des Deutschen Volkes) ist zu unterscheiden zwischen solchen, die auf dem bisher üblichen Wege erledigt werden können und solchen, welche einer Sonderbehandlung zugeführt werden müssen. Im letzteren Falle handelt es sich um solche Sachverhalte, die hinsichtlich ihrer Verwerflichkeit, ihrer Gefährlichkeit oder ihrer propagandistischen Auswirkung geeignet sind, ohne Ansehung der Personen (nämlich durch Exekution) ausgemerzt zu werden.“[1]

Ein Beispiel unter vielen für die Verwendung dieses Begriffes ist auch der folgende Auszug aus einem Erlass des RSHA von Heinrich Himmler bezüglich der Behandlung von „fremdländischen Zivilarbeitern“:

„(4) In besonders schweren Fällen ist beim Reichssicherheitshauptamt Sonderbehandlung unter Angabe der Personalien und des genauen Tatbestandes zu beantragen.

(5) Die Sonderbehandlung erfolgt durch den Strang.“[2]

Im Laufe der Ermittlungs- und Strafverfahren wegen der NS-Verbrechen zeigte sich, dass in den mit einschlägigen Vorgängen befassten Kreisen keine Zweifel darüber bestanden, was unter diesem Begriff zu verstehen war. Der SS-Gruppenführer und Höhere SS- und Polizeiführer Emil Mazuw sagt hierzu:

„... Während des Krieges verstand die SS unter 'Sonderbehandlung' nur 'Tötung'. Ich bin sicher, daß höhere Offiziersdienstgrade das wußten. Ob der einfache SS-Mann das wußte, weiß ich nicht. Ich verstehe nach dem Sprachgebrauch der damaligen Zeit unter 'Sonderbehandlung' nur Tötung und nichts anderes ...“[3]

Auch im Zuge der Auschwitzprozesse räumte der Angeklagte Robert Mulka dazu ein:

„Den Begriff »Sonderbehandlung« (SB) kannte ich. »Sonderbehandlung« war Mord. Darüber war ich tief empört. »Sonderbehandlung« war Geheime Reichssache …“

Im Frühjahr 1943 war der Begriff bereits so bekannt geworden, dass er nach Ansicht des Reichsführers-SS Himmler im Korherr-Bericht die Tarnfunktion nicht mehr erfüllen konnte.

In einer Anweisung von Himmler an Richard Korherr vom 10. April 1943 heißt es

„Der Reichsführer SS hat Ihren statistischen Bericht über »Die Endlösung der europäischen Judenfrage« erhalten. Er wünscht, dass an keiner Stelle von »Sonderbehandlung der Juden« gesprochen wird…“ [4]

Umdeutung des Wortes

Der Holocaustleugner Germar Rudolf hat mit äußerst zweifelhaften und unwissenschaftlichen Methoden in seinem Buch „Grundlagen zur Zeitgeschichte“ den untauglichen Versuch unternommen, eine andere Deutung dieses Begriffes zu etablieren.[5]

Literatur

Weblink

Einzelnachweise

  1. vgl. Auerbach, H.: Der Begriff „Sonderbehandlung“ im Sprachgebrauch der SS. Gutachten des Instituts für Zeitgeschichte, Bd. 2 182-189. Stuttgart 1966
  2. IMT, 1947, Bd. III, Dok. 3040-PS, S.507 (RSHA Allgemeine Erlaßsammlung, Teil 2, A III f Behandlung fremdländischer Zivilarbeiter)
  3. SS-Obergruppenführer Emil Mazuw im Rahmen einer Vernehmung Zitiert bei: [1].
  4. Onlineauftritt NS-ARCHIV.DE Der Korherr-Bericht: Eine Statistik der Vernichtung
  5. Onlineauftritt Jürgen Langowski Germar Rudolf: zu Sonderbehandlung

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