Soma (Getränk)

Soma (Getränk)

Soma (Sanskrit, m., सोम, soma) ist ein im Rig Veda erwähnter Rauschtrank der Götter. Es handelte sich um den berauschenden, teilweise mit Milch oder mit saurer Milch gemischten Saft einer Pflanze. Der Name bezeichnet eine Gottheit, eine Pflanze und den daraus bereiteten Trank.

Die frühen Iraner, hierunter nachweislich auch die Perser, kannten den Trank unter der im Avestischen üblichen Namensvariante Haoma oder Hauma. Haoma erscheint im Avesta, wo ihm ein Yasht gewidmet ist.

Der ursprüngliche Soma-/Haoma-Kult starb in Indien und Persien aus, nachdem die frühere Religion in Indien im Hinduismus aufging bzw. in Persien durch Zarathustra reformiert wurde. Andeutungen an den Soma-Kult finden sich vor allem in der postislamischen, mystisch-religiösen Literatur Persiens (siehe Sufismus, Persische Literatur), in der der Dschām-e Dscham (‏جام جم‎), der Kelch des Dschamschid, als bedeutende Symbolik für das „Einswerden mit dem Göttlichen“ sehr beliebt ist.

Inhaltsverzeichnis

Mythologie

Soma wird manchmal als irdische Entsprechung von Amrita (sanskr. „Unsterblichkeit“) oder dem Ambrosia in der griechischen Mythologie gedeutet. Während die letzteren beiden den Göttern vorbehalten sind und ihnen Unsterblichkeit verleihen, kann Soma auch von Menschen getrunken werden. Die damit verbundenen Halluzinationen wurden als Zugang zur Sphäre der Götter interpretiert.

Bei Hauma (s. o.) ist synonym auch das Wort 'Hom' enthalten. Die Ereignisse, bei denen Soma am wahrscheinlichsten verwendet worden zu sein scheint, sind die Einweihungen der vor-islamischen iranischen Herrscher. Dieses wird durch den Gebrauch des Königs Vistaspas von Hom und 'Mang' während seiner Initiation angezeigt, an die noch beim Neujahrsfest von den Zoroastriern (Nouruz) erinnert wird. Eine Reflexion von der Initiation der Könige mit Soma findet sich vielleicht in Plutarchs Leben von Artaxerxes III. (1-3): „... eine kurze Weile nach dem Tod von Darius II. führte der neue König eine Expedition nach Pasargadae aus, damit er die königliche Amtseinführung durch die Hände der persischen Priester empfangen konnte. Hier gibt es ein Heiligtum einer kriegerischen Göttin, die man mit Athene vergleichen könnte. In dieses Heiligtum muss der Anwärter zur Initiation schreiten, und nachdem er sein eigenes korrektes Gewand abgelegt hat, muss er jene Robe anlegen, die Cyrus der Ältere trug, bevor er König wurde; dann muss er einen Feigenkuchen essen, etwas Terpentinholz kauen und eine Schale saure Milch trinken. Was sonst außerdem zelebriert wird, ist Außenseitern unbekannt“. Zoroaster legte ebenso ein Kleid an, als er zu der Homflüssigkeit kam, und wie es scheint, tat dies auch sein Vater Porushasp, als er sich dem Hom näherte sowie es auch Arda Wiraz tat. Das legt die Vermutung nahe, dass eine Änderung der Kleidung eine regelmäßige Eigenschaft des Soma-Trinkens in der Einführung der iranischen Herrscher war.

Auch die Götter selbst werden als Soma-Trinker beschrieben. Besonders häufig wird der berauschende Einfluss des Trankes auf den Gott Indra und Agni geschildert.

Der Name Soma ist verbunden mit dem indischen Mondgott Chandra bzw. der Mondscheibe am Himmel. Der Mond ist der Becher, aus dem die Götter das Soma trinken. Bei Vollmond ist er gefüllt, bei Neumond geleert. Von Vollmond zu Neumond trinken die Götter jeden Tag einen gleichgroßen Schluck. Von Neumond zu Vollmond füllt sich der Becher dann wieder von selbst.

Wirkung

Die Wirkung des Somasafts wird im Veda wie im Avesta als mad bezeichnet. Übersetzt man dies mit 'berauschen', so ist das fast zu viel gesagt, mit 'begeistern' zu wenig. Von einer eigentlichen Somatrunkenheit kann nicht die Rede sein, noch weniger von einem orgiastischen Somakult. Dazu ist das ganze Opferzeremoniell der Inder und der Parsen zu feierlich und würdevoll-steif.[1]

Die Wirkung des Soma wird als körperlich und psychisch empfunden. Dem Kämpfer belebt er den gesunkenen Mut (RV X,83,7), dem Menschen bringt er Kraft zum Leben (I,,91,7; IX,66,30; X,25,7). Vor allem aber wirkt er auf das Innere Wesen und den Geist des Opfernden ein. Er erleuchtet und weitet das nach Wahrheit suchende innere Auge des Sehers (I,91,1), weckt die heiligen Worte und Gedanken (I,87,5; u.a.). Das Soma wird als der eigentliche Göttertrank (IX,51,3; u. a.) bezeichnet, der sie vom Himmel herruft (IX,80,1) und einlädt (IX, 25,3 u.a.). Zusammenfassend kann man sagen, dass vom Soma körperlich stärkende, das Herzen belebende und Gedanken klärende Wirkungen ausgingen. Sie halfen dem Rishi, mit einem intuitiven Verstand eine jenseitige Wirklichkeit zu erfassen und diese in seiner Dicht- und Gesangskunst auszudrücken.

Bestimmte Textstellen im Reg-Veda lassen für sich allein betrachtet den Leser an die Wirkung von Halluzinogenen denken. So in Rig Veda VIII,48: "Wir haben das Soma getrunken; wir sind unsterblich geworden, wir haben das Licht gesehen; wir haben die Götter gefunden." Oder in Rig Veda IX: "Deine Säfte, o gereinigtes Soma, alles durchdringend, schnell wie Gedanken, bewegen sich von alleine wie die Nachkommen rasch dahineilender Stuten. Die himmlischen, geflügelten süßen Säfte, Erreger großer Heiterkeit, erstrahlen im Gefäß..." Ein weiterer Hinweis steckt in Rig Veda VIII,6: "Denn nun in deinem Rausche, o Soma, komme ich mir wie ein Reicher vor. Schreite vorwärts zum Gedeihen!"

Zusammensetzung

Über die Zusammensetzung des Somas wird seit langem gerätselt. Die Veden selbst geben nur grobe Anhaltspunkte. So sei Soma eine Pflanze aus den Bergen. Damit fallen eine Reihe in der Vergangenheit vermuteter Rohstoffe weg. So zum Beispiel die Steppenraute (Peganum harmala).

Lange Zeit galt die vom US-Ethnologen R. Gordon Wasson aufgestellte Theorie, Soma sei eine Fliegenpilz-Zubereitung als vielversprechende Hypothese. Andere Autoren vermuten, dass Soma ein alkoholisches Getränk gewesen sein mag. Met aus Honig wird dabei ebenso angeführt wie gepresste und vergorene Rhabarberstängel oder gar gehopftes Bier. Die Beschreibung der Wirkung scheint aber kaum mit der von Alkohol vereinbar zu sein. Auch unterscheidet der Rig-Veda Soma deutlich von alkoholischen Getränken, die als surā bezeichnet werden.

In jüngster Zeit wurden Pilze der Gattung Psilocybe, die auch in anderen Kulturen als Rauschmittel verwendet werden, in Betracht gezogen.

Der Indologe Karl Friedrich Geldner nimmt an, dass Soma aus der Ephedra -Pflanze gewonnen wurde. Geldner, der den gesamten Rig-Veda 1923 ins Deutsche übersetzte, schreibt in Band 2: „Die Somapflanze kann nur eine Ephedra-Art sein, wahrscheinlich Ephedra intermedia oder pachyclada. Diese heißt bis auf den heutigen Tag in und um Afghanistan Hum. Es ist ein steifer Busch, drei Fuß hoch, mit dichten aufrecht stehenden blattlosen und gegliederten Stängeln. Er wächst auf steinigem, unfruchtbarem Boden. Die Frucht ist rot und fleischig und wird von Kindern gegessen. Die Stängel dienen zum Gelbfärben und pulverisiert als Kau- und Schnupfmittel. Die Afridistämme zerquetschen die Stängel und weichen sie in kaltem Wasser auf. Der so gewonnene Extrakt dient als Arznei gegen Fieber. Diese Pflanze ist durch ganz Turkestan, Nord und Mittelpersien, im nördlichen und östlichen Afghanistan und im nordwestlichen Himalaya heimisch. Sie wächst also im weiten Halbkreis um die Landschaften, in denen wir die Heimat des Rigveda suchen.“[2]

Soma wurde dem Gott Indra zur Stärkung für den Kampf mit Vrtra geopfert. Diese Tatsache lässt darauf schließen, dass die Wirkung eventuell nicht halluzinogen und betäubend war, sondern, wie bei Ephedrin, stimulierend und wachhaltend.

Eine Reihe von Sanskrit-Pflanzennamen deutet auf Soma hin. So heißt die Weinraute (Ruta graveolens) somalatā (सोमलता). Der Strauch Desmodium gangeticum wird saumya (सौमंया) (d. h. reich an Somasaft) genannt. In seinen Wurzeln findet sich unter anderem das Halluzinogen Dimethyltryptamin. Die Fingerhirse (Eleusine coracana), aus der in Nepal Hirsebier gebraut wird, ist ebenfalls als soma bekannt.

Eine Hypothese besagt, es handele sich um die Kletterpflanze Sarcostema vimininalis oder Asclepia acida, deren Stängel von Priestern zwischen Steinen ausgepresst wurden. Der Saft tröpfelte in Kessel, wo er mit geklärter Butter (Ghi) und Mehl gemischt und zum Fermentieren gebracht wurde. Der so gewonnene Somatrank wurde dann den Göttern geopfert und von den Brahmanen getrunken. Soma wird vor allem in den ältesten Textschichten erwähnt. Der Grund ist möglicherweise, dass die Pflanze nach der Wanderung in Richtung Osten (Gangesebene) nicht mehr zur Verfügung stand.

Eine eindeutige Identifizierung von Soma ist bis heute nicht gelungen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es sich um Zubereitungen aus verschiedenen Pflanzen handelte und Soma lediglich eine Art Oberbegriff war.

Zubereitung des Somatranks

Während zu Zeiten des Rig-Veda die Zubereitung des Somatrankes noch nicht streng geregelt war, wurde später das Zeremoniell genau vorgeschrieben. Für die Pressung wurden folgende Geräte und Gefäße verwendet: das Pressleder, die beiden Pressbretter, der Dronakalasa -Kübel, das Seihetuch mit Fransen, die Presssteine, die beiden Kübel, eine Schüssel, das Schöpfgefäß und der Becher. Die Somazubereitung erfolgte in eine Vorpressung und einer Hauptpressung. Sie wird im Agnistoma wie folgt beschrieben:

Nachdem am Vortag die Schall-Löcher zur Resonanz für die Presssteine gegraben und mit den beiden Pressbrettern fest überdeckt worden sind, wird am Morgen des eigentlichen Opfertages ein rotes Rindsleder über die Bretter ausgebreitet, und darauf werden die Presssteine gelegt und auf diese die vom Wagen abgeladenen Somapflanzen. Während der Frühlitanei werden die Somageräte aufgesetzt und der Adhvaryu (Priester) holt vom nächsten fließenden Gewässer das für den Soma erforderliche Wasser, Dann werden Somastängel für einen Schoppen (graha) ausreichend auf den breitesten Stein gelegt, mit Wasser aus dem Becher des Hotr (Oberpriester) begossen und vom Adhvaryu allein mit dem Stein in drei Runden mit 8, 11 und 12 Schlägen ausgeschlagen. Vor jeder Runde werden die Stängel angefeuchtet und nach jeder Runde werden die ausgequetschten Stängel aus dem Becher des Hotr angefeuchtet und ergänzt. Der ausgepresste Saft wird mit der hohlen Hand in einem Becher ohne Filtrierung geschöpft. Dies ist der erste Schoppen.

Die Hauptpressung war umfangreicher und der wasserverdünnte Saft wurde durch eine Seihe gegossen.

Das Somaopfer verteilte sich auf drei Pressungen (savana). Während die Mittagspressung wie die Hauptpressung am Morgen verläuft, erfolgt die Abendpressung ohne frischen Soma. Sie erfolgte aus den am Morgen zurückgelegten Stängeln unter Verwendung von möglichst wenig Wasser. Der Saft wurde dann mit gequirlter saurer Milch vermischt um ihn süßer und gehaltvoller zu machen.

Persisches Hauma Der Genuss des persischen Hauma (haoma) auf der vermuteten Grundlage des Fliegenpilzes wird neben den Priestern des Mithras-Kultes, den Magiern, auch dem persischen Adel zugeschrieben. Das Verbreitungsgebiet der Fliegenpilze wurde auf der Satrapenliste des Dareios I. mit Haumaschwelger-Saken (Skythen) klassifiziert. Nach der Eroberung des Perserreiches durch Alexander den Großen soll der Wein das vorherrschende Rauschmittel geworden sein.

Rezeption

Der britische Schriftsteller Aldous Huxley nannte - inspiriert durch die Lektüre der Passagen über Soma in der englischen Ausgabe des Buchs Phantastica von Louis Lewin - in seinem Roman Schöne neue Welt die fiktive Glücksdroge, durch die dort die Massen ruhiggestellt werden, ebenfalls Soma. Wie er selbst später in seinem Essay Wiedersehen mit der Schönen neuen Welt anmerkte, unterscheidet sich die dort beschriebene Wirkung jedoch von der des Getränks aus dem Rig Veda. Die Wirkung von Huxleys Soma kann am ehesten mit der von modernen angstlösenden und beruhigenden Drogen wie Diazepam verglichen werden.

In seinem Roman "Gottes kleiner Krieger" schildert Kiran Nagarkar wie die Hauptfigur - oder besser: der Antiheld - auf der Suche nach dem "richtigen" religiösen Weg durch den Somatrank innerlich "gereinigt" wird. Der Trank wird dazu verwendet, sein bisheriges Selbst auszulöschen - "Tabula rasa" zu machen für die neue hinduistische Identität, die er von nun an tragen soll.

Einzelnachweise

  1. Karl-Friedrich Geldner: Rig-Veda, Das Heilige Wissen Indiens, Band II. S. 2
  2. Karl-Friedrich Geldner, Rig-Veda, Band II, S. 2

Literatur

  • Karl-Friedrich Geldner: Rig-Veda. 1923, Nachdruck herausgeben von Peter Michel 2008, Marix Verlag, ISBN 978-3-86539-165-0.
  • Shakti M. Gupta: Plant Myths and Traditions in India, 2. überarbeitete Ausgabe. New Delhi 1991
  • Christian Rätsch: Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen. AT-Verlag, Aarau 1998
  • Artikel mehrerer Autoren in: Electronic Journal of Vedic Studies, VOL. 9 (2003), ISSUE 1 (May). Herunterladbar unter http://users.primushost.com/~india/ejvs/issues.html. (Proceedings einer Tagung an der Universität Leiden 1999)
  • Gulick Charles Burton, Philo Loeb, Classical Library, Athenaeus - The Deipnosophists; Cambridge Massachusetts: Harvard University Press, 1993

Weblinks


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