Sojus 1

Sojus 1
Missionsemblem
Emblem der Sojus-1-Mission
Missionsdaten
Mission: Sojus 1
NSSDC ID: 1967-037A
Raumschiff: Sojus 7K-OK (A) GRAU-Index 11F615)
Seriennummer 4
Masse: 6.450 kg
Trägerrakete: Sojus (GRAU-Index 11A511)
Rufzeichen: Рубин („Rubin“)
Besatzung: 1
Start: 23. April 1967, 00:35:00 UT
Startplatz: Baikonur LC1
Landung: 24. April 1967, 03:22:52 UT
Landeplatz: 51° 8′ N, 57° 14′ O51.1357.24
Flugdauer: 1d 2h 47min 52s
Erdumkreisungen: 18
Umlaufzeit: 88,52 min
Bahnneigung: 51,64°
Apogäum: 211 km
Perigäum: 198 km
Navigation
Vorherige
Mission:
Woschod 2
Nachfolgende
Mission:
Sojus 2
Navigation
Vorherige unbemannte
Mission:
Kosmos 140
Nachfolgende unbemannte
Mission:
Kosmos 186

Sojus 1 war die erste bemannte Mission mit dem sowjetischen Raumschifftyp Sojus. Aufgrund technischer Mängel wurde der Flug vorzeitig beendet. Der Kommandant Fliegerkosmonaut Wladimir Komarow kam bei der Landung ums Leben.

Inhaltsverzeichnis

Situation

Die sowjetische bemannte Raumfahrt hatte von 1961 bis 1965 eine hervorragende Reihe von Erstleistungen unter Einsatz der R-7-Trägerrakete und verschiedener Versionen des Wostok/Woschod Raumschiffes erzielt:

  • der erste bemannte Raumflug: Wostok 1 (April 1961)
  • der erste Gruppenflug: Wostok 3 und Wostok 4 (August 1962)
  • die erste Frau im All: Wostok 6 (Juni 1963)
  • das erste mehrsitzige Raumschiff: Woschod 1 (Oktober 1964)
  • der erste Ausstieg in den Weltraum: Woschod 2 (März 1965)

Danach verlor die Sowjetunion ihre Führungsrolle an die USA, weil die Leistungsfähigkeit der bisherigen Trägerraketen und Raumschiffe ausgereizt war. Die Raumschiffe der Wostok- und Woschodfamilie boten, im Gegensatz zu den amerikanischen Gemini-Raumschiffen, keine Möglichkeit der aktiven Bahnänderung oder Kopplung.

Das sollte durch das neu entwickelte Sojus-Raumschiff geändert werden, das sich seit 1963 in der Entwicklung befand.

Drei aufeinanderfolgende unbemannte Tests schlugen fehl.

  • Beim ersten Start am 28. November 1966, unter der Tarnbezeichnung Kosmos 133, konnte das Raumschiff (Seriennummer 2) in der Erdumlaufbahn nicht in eine stabile Lage gebracht werden. Ein zweites Raumschiff (Seriennummer 1), das als Partner für ein Rendezvous mit Kosmos 133 hätte dienen sollen, blieb deshalb am Boden. Die Zündung der Bremsraketen von Kosmos 133 schlug mehrfach fehl. Als das Raumschiff schließlich wieder zur Erde zurückkehrte, drohte es, in China zu landen, wobei ein Selbstzerstörungsmechanismus hätte auslösen müssen. Das Raumschiff wurde nie gefunden, so dass man davon ausging, dass es wie geplant explodiert sei.
  • Das Exemplar mit der Seriennummer 1 sollte w.o.g. ursprünglich das Rendezvous mit Kosmos 133 ausführen. Der wegen des Fehlschlages mit Kosmos 133 verschobene Start sollte nun am 14. Dezember 1966 erfolgen, jedoch versagte die Zündung einiger Triebwerke, so dass der Start abgebrochen wurde. Während des Enttankens zündete der Rettungsturm, worauf die Rakete in Brand gesetzt wurde und kurz danach explodierte. Mindestens eine Person kam dabei ums Leben.
  • Ein drittes Raumschiff (Seriennummer 3) wurde am 7. Februar 1967 unter der Bezeichnung Kosmos 140 gestartet. In der Umlaufbahn konnte jedoch auch dieses Raumschiff nicht stabil gehalten werden. Der Wiedereintritt erfolgte steiler als geplant. Durch einen Fehler entwich die Luft aus der Rückkehrkapsel, zudem brannte der Hitzeschild durch. Schließlich stürzte die Kapsel in den zugefrorenen Aralsee, wo sie von Tauchern geborgen werden konnte.

Das amerikanische Weltraumprogramm hatte schon vor über einem Jahr, im Dezember 1965, mit Gemini 6 und Gemini 7 das erste bemannte Rendezvous durchgeführt, doch war das Apollo-Programm nach der Katastrophe von Apollo 1 im Januar 1967 vorerst zum Stillstand gekommen.

Für die Sowjets bedeutete dies die Möglichkeit, das Rendezvous mit einer Kopplung zu übertrumpfen und dazu noch den ersten Umstieg von Raumfahrern in der Erdumlaufbahn vorzuweisen. Somit wurde für die nächsten beiden Sojus-Raumschiffe ein bemannter Doppelstart angesetzt.

Besatzung

Sojus 1 wurde von Wladimir Komarow gesteuert. Komarow hatte bereits mit Woschod 1 Weltraumerfahrung gesammelt. Als erster Ersatzmann fungierte sein Freund Juri Gagarin, der sechs Jahre zuvor als erster Mensch ins All geflogen war.

Flugverlauf und aufgetretene Probleme

Der Start von Sojus 1 mit Wladimir Komarow an Bord erfolgte am 23. April 1967. Sojus 2 (Sojus 2A) sollte am Tag danach folgen. Es waren eine Kopplung und der Umstieg von zwei Kosmonauten vorgesehen.

Solarmodul und Sonnensensor versagen

Schon kurz nach Erreichen der Umlaufbahn stellten sich die ersten Probleme ein. Eines der beiden Solarmodule hatte sich nicht entfaltet, die Energieversorgung war also nicht gewährleistet. Das Raumschiff konnte nicht stabil zur Sonne ausgerichtet werden, so dass auch das zweite Solarmodul nicht genügend Leistung abgeben konnte. Diese Orientierung des Raumschiffes im normalen Flugbetrieb sollte über einen Sonnensensor erfolgen, der eine Fehlfunktion aufwies. Da das Sojus-Raumschiff nur über relativ schwache Batterien verfügte, war somit die vorgesehene Missionsdauer nicht möglich. Zudem schien der Kurzwellensender nicht fehlerfrei zu arbeiten, so dass eine sichere Verbindung nur über UKW möglich war, wenn sich das Raumschiff über der Sowjetunion befand.

Es wurde zwar erwogen, dass Sojus 2 starten sollte, damit die Kosmonauten Jelissejew und Chrunow das verklemmte Solarmodul von Hand ausfahren sollten, aufgrund von schlechten Wetterverhältnissen am Startplatz musste das Raumschiff jedoch am Boden bleiben.

Automatische Lagekontrolle versagt

Drei Ionenflussdetektoren sollten die Korrekturdaten zur exakten Ausrichtung des Raumschiffes für das Bremsmanöver liefern. Dieses System misst die Abweichungen der Längsachse des Raumschiffes von seiner Flugrichtung im Orbit und wandelt diese in entsprechende Lagekontrollsignale um. Bei einer ungenauen Längsausrichtung kann die Arbeit des Bremstriebwerkes den Übergang in eine sichere Abstiegsbahn nicht garantieren, die Zündung wird dann automatisch unterdrückt. Unter Nutzung dieses Systems wurde im 16. Umlauf (23. April 1968; 23:56:12 UT) der erste Versuch unternommen, die Bremsraketen zu zünden und Komarow vorzeitig zur Erde zurückzubringen. Der Versuch schlug jedoch fehl, da die Sensoren widersprüchliche Daten lieferten. Sojus 1 verblieb in der Umlaufbahn. Die Flugleitung entschied, keinen weiteren Bremsversuch mit dem automatischen System im nächsten Umlauf durchzuführen.

Manuelle Landeprozedur

Statt dessen sollte der 17. Umlauf der Vorbereitung einer weitgehend manuell kontrollierten Landung dienen. Dazu wurden wahrscheinlich die rein optischen Orientierungssysteme in Kombination mit dem Gyroskop verwendet. Da eine optische Orientierung Tageslicht voraussetzt und der geplante Zündpunkt des Bremsmanövers auch im 18. Umlauf noch auf der Nachtseite lag, wurde das Raumschiff auf der gegenüberliegenden Seite der Erde (also etwa über Papua-Neuguinea) mit optischen Mitteln ausgerichtet und dann mittels des inertialen Modus mit den Signalen des Gyroskops in dieser Lage stabilisiert. Dieses recht anspruchsvolle manuelle Manöver gelang offensichtlich.

Wiedereintritt und Absturz

Nach der notwendigen weiteren halben Umkreisung (noch im 18. Umlauf) zündete Komarow um 02:57:15 UT das Bremstriebwerk kurz nach dem Überqueren des Äquators über dem Atlantik manuell, wodurch eine Landung in der UdSSR bei Tageslicht möglich wurde. Gegen 03:14 UT meldete Komarow kurz vor dem Eintritt in die Atmosphäre das erfolgreiche Bremsmanöver und eine Lageabweichung von über 8° gegenüber dem geplanten Eintrittswinkel. Dadurch erfolgte kein zweiteiliger Abstieg, sondern ein rein ballistischer, der den Landeort westlich verschob. In den Funk-Blackout geriet das Raumschiff zwischen 03:15 und 03:16 UT. Komarow meldete sich nach dem Blackout zwischen 03:18 und 03:20 UT wieder. In einer Höhe von etwa sieben Kilometern sollte sich der Hauptfallschirm öffnen, um das Raumfahrzeug abzubremsen. Dies geschah nicht und die Landekapsel von Sojus 1 schlug um 03:22:52 UT mit einer Geschwindigkeit von 40 m/s (= 145 km/h) hart auf dem Boden auf, wobei Wladimir Komarow den Tod fand.

Spekulationen

Dass er die Landung nicht überleben würde, dürfte Komarow erst bewusst geworden sein, als sich nach dem Versagen des Hauptfallschirms auch der Reservefallschirm nicht entfaltete. Zu diesem Zeitpunkt befand er sich in ca. 6000 m Höhe und konnte bereits nicht mehr über UKW von ausländischen Funkstationen empfangen werden. Daher sind gelegentliche Berichte über in der Türkei abgefangene Schreie und Flüche in das Reich der Spekulation zu verweisen. Über den tatsächlichen Funkverkehr zwischen dem Ende des Blackouts und dem Aufprall wurde offiziell nichts bekannt gegeben.

Ursachen des Absturzes

Erste Presseberichte sprachen davon, dass sich die Bremsschirmleinen verdreht und sich daher der Hauptschirm nicht gänzlich entfaltet hätte. Die Untersuchung ergab, dass während des Aushärtens in einem Autoklaven Bindemittel des ablativen Hitzeschutzes in den Hauptschirmbehälter gelangt war. Dieses war an dessen Wandung kondensiert und hatte eine rauhe Schicht gebildet. Dadurch erhöhte sich die Haftreibung zwischen Container und Schirm. Daneben soll sich durch den Druck der Kabinenatmosphäre gegenüber dem relativ geringen atmosphärischen Außendruck in ca. 7 km Höhe der Fallschirmcontainer nach seiner Öffnung stärker komprimiert haben als vorgesehen. Die dabei insgesamt entstehenden Reibungskräfte verhinderten, dass der Hilfsschirm den Hauptschirm aus dem Behälter ziehen konnte. Dafür wäre unter den oben genannten Bedingungen eine Zugkraft von ca. 3,0 Tonnen nötig gewesen, der Hilfsschirm erreichte aber maximal 1,8 Tonnen. Ein direktes Abwerfen des Hilfsschirms war nicht möglich. Der Reserveschirm wurde zwar ausgelöst, konnte sich aber nicht entfalten, da er genau in den Windschatten des noch unmittelbar über der Landekapsel befindlichen Hilfsschirms des Hauptschirmsystems geriet. Beide Mängel waren in dem vorausgegangen Testflug von Kosmos 140 nicht aufgetreten, bei dem sich der Hauptschirm entfaltet hatte. Hier war eine andere Abdichtung des Hauptschirmcontainers im Autoklaven verwendet worden. Daneben kam es während des Wiedereintritts von Kosmos 140 zur Dekompression, so dass die nicht unerhebliche Druckdifferenz auf den Schirmcontainer entfiel. Diese Fehler in Konstruktion (Positionierung des Reserveschirmes, mangelnder Kompressionwiderstand des Hauptschirmcontainers) und Fertigung (Bindemittelkontaminierung) waren letztlich für den tödlichen Ausgang des Unternehmens ursächlich. Das gesamte Fallschirmsystem wurde für die nachfolgenden Flüge überarbeitet.

Auswirkungen

Der Absturz von Sojus 1 und der Tod von Komarow war ein harter Schlag für die sowjetische bemannte Raumfahrt. Oberst Komarow war zu diesem Zeitpunkt einer der ranghöchsten aktiven sowjetischen Kosmonauten. Zum ersten Mal musste ein Fehlschlag vor der Weltöffentlichkeit zugegeben werden.

Bei der Untersuchung des Unglücks wurden mehrere Entwicklungsmängel aufgedeckt. Unter anderem wurden auch die Konstruktionsfehler bei den Bremsschirmen entdeckt. Wäre Sojus 2 wie geplant gestartet, wären auch diese drei Kosmonauten ums Leben gekommen. Sie verdanken ihr Leben also dem Wetter.

Der abgesagte bemannte Raumflug erhielt offiziell keine Nummer, wird aber manchmal als Sojus 2A bezeichnet. Die Bezeichnung Sojus 2 wurde später für ein unbemanntes Sojus-Raumschiff verwendet.

Durch Verzögerungen bei den Konstruktionsänderungen konnte der nächste unbemannte Start eines Sojus-Raumschiffes erst im Oktober 1967 mit Kosmos 186 und Kosmos 188 durchgeführt werden. Der nächste bemannte Start erfolgte mit Sojus 3 im Oktober 1968, und das geplante Umsteigen von Kosmonauten von einem Raumschiff in das andere wurde im Januar 1969 mit Sojus 4 und Sojus 5 durchgeführt.

Siehe auch

Katastrophen der Raumfahrt

Weblinks


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