Skifliegen

Skifliegen
Der Vikersundbakken in Norwegen ist mit einer Hillsize von 225 Metern die derzeit größte Skiflugschanze der Welt

Das Skifliegen ist eine Variante des Skispringens, bei dem die Sprünge auf Skiflugschanzen absolviert werden. Ab einer Hillsize von 185 Metern und einem Konstruktionspunkt von 145 bis 195 Metern gelten Skisprunganlagen als Flugschanzen.

Die Geschichte des Skifliegens begann in den 1930er-Jahren, als Stanko Bloudek im jugoslawischen Planica die erste Schanze bauen ließ, die Sprünge über 100 Meter erlaubte. Der erste Athlet, dem ein solcher Versuch gelang, war der Österreicher Josef Bradl, der am 15. März 1936 die Weite von 101 Metern erreichte. In den 1950er-Jahren wurden in Oberstdorf und in Tauplitz weitere Skiflugschanzen errichtet, auf denen durch ständige Vergrößerungen Sprünge bis auf über 150 Meter möglich waren. 1972 trug der Internationale Skiverband FIS zum ersten Mal Skiflug-Weltmeisterschaften aus; ein Jahrzehnt später folgte die Eingliederung des Skifliegens in den Skisprung-Weltcup. Nachdem 1994 erste Springer die 200-Meter-Marke übertrafen, liegt der derzeitige inoffizielle Weltrekord bei 246,5 Metern. Die FIS selbst führt keine Rekordlisten, um keine Weitenjagd zu fördern, die die Gesundheit der Skispringer gefährden könnte.

Heute gibt es fünf nutzbare Skiflugschanzen, die sich allesamt in Europa befinden. Die Weltspitze im Skifliegen stimmt weitgehend mit der im Skispringen überein, so ist der amtierende Skiflugweltmeister Simon Ammann gleichzeitig auch Olympiasieger auf der Normalschanze. Auch das Reglement ist in beiden Disziplinen nahezu identisch und weist nur bezüglich der Weitenwertung Unterschiede auf. Hingegen ist beim Skifliegen die psychische Belastung für die Athleten deutlich höher, da die Sportart aufgrund der hohen Geschwindigkeiten und der vielen optischen Reize das Nervensystem überstrapazieren kann. Zudem spielt die Aerodynamik eine größere Rolle als beim Skispringen, dennoch wenden die Sportler in beiden Disziplinen die gleiche Technik an.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Beginnende Weitenjagd und erste 100-Meter-Sprünge in Planica (1930er-Jahre)

Der US-Amerikaner Nels Nelson sprang 1925 in Revelstoke den neuen Weltrekord von 73,1 Metern. Die anhaltende Verbesserung der Weltrekorde führte ein Jahrzehnt später zu den ersten Skiflügen.
Der jugoslawische Skispringer Franc Pribošek bei einem Sprung auf der Bloudkova Velikanka im Jahr 1936
Sepp Weiler (rechts) hielt für einen Tag den Weltrekord mit 127 Metern

Bereits im beginnenden 20. Jahrhundert stellten insbesondere die norwegischen Athleten, die in dieser Zeit das Skispringen dominierten, häufig neue Weltrekorde auf. Viele dieser Rekorde wurden in den Vereinigten Staaten erreicht, wo das Publikum in hohem Maße von besonders weiten Sprüngen angezogen wurde. Daher luden die Veranstalter oft führende norwegische Skispringer zu den Wettkämpfen ein. Diese verbesserten häufig die bestehenden Schanzenrekorde oder übertrafen sogar den Weltrekord, so zum Beispiel Ragnar Omtvedt, der 1913 in Ironwood als erster Athlet weiter als 50 Meter sprang. In Norwegen selbst wurde diese Rekordjagd kritisch gesehen, da die großen Weiten nicht auf die Fähigkeiten der Athleten, sondern auf die Größe der Anlagen zurückzuführen waren.[1] Seit Beginn der 1930er-Jahre zählten die Brüder Sigmund und Birger Ruud zu den erfolgreichsten Skispringern der Welt: Sigmund, der 1929 den Weltmeistertitel errungen hatte, zeigte 1931 in Davos den ersten Sprung über 80 Meter und setzte zwei Jahre später in Villars-sur-Ollon den neuen Weltrekord auf 86 Meter.

Im Jahr 1931 begann der slowenische Ingenieur Stanko Bloudek mit den Planungen einer Schanze, die deutlich weitere Sprünge zulassen sollte. Die nach ihm benannte Bloudkova Velikanka in Planica wurde drei Jahre später fertiggestellt und wies einen Konstruktionspunkt von 108 Metern auf.[2] Schon während des Trainings zum Eröffnungswettkampf sprangen einige Norweger weiter als 80 Meter. Im Wettkampf stellte dann zunächst Sigmund Ruud mit 87,5 Metern einen neuen Weltrekord auf, ehe sein Bruder Birger nach dem eigentlichen Springen die Schanze noch einmal „in voller Fahrt“ – ohne verkürzten Anlauf – befuhr und einen Versuch auf 92 Meter stand.[3] Die Organisatoren des Wettkampfes in Planica sahen die Begeisterung der Zuschauer und das große Medienecho als Chance, die Bekanntheit des Ortes zu steigern und bauten die Schanze in den kommenden Jahren immer weiter aus, um schließlich die ersten Sprünge über 100 Meter zu ermöglichen. Der Absprung wurde bis 1936 um insgesamt 50 Meter nach oben verlegt, sodass der neue Konstruktionspunkt bei 120 Metern lag.[3]

Um dieser Entwicklung zu immer weiteren und damit auch gefährlicheren Sprüngen entgegenzuwirken, legte der Internationale Skiverband (FIS) im Februar 1936 fest, nur noch Schanzen zu genehmigen, die einen Konstruktionspunkt von höchstens 80 Metern aufwiesen.[4] Bei einem Sprung, der diesen Konstruktionspunkt um mehr als acht Prozent übertraf, musste eine Anlaufverkürzung vorgenommen werden.[5] Größere Schanzen durften außerdem nicht mehr benutzt werden. Athleten, die dies trotz des FIS-Verbotes taten, sollten eine Sperre erhalten. Dennoch fand im März 1936 ein Wettkampf in Planica statt, für den die favorisierten Norweger kurzfristig von ihrem Verband nicht zugelassen wurden. Stattdessen gewann der 17-jährige Österreicher Sepp Bradl den Wettbewerb und stellte mit 101 Metern einen neuen Weltrekord auf.[4] Sigmund Ruud, der zu den Norwegern zählte, die 1936 nicht am Wettkampf in Planica teilnehmen durften, bezeichnete die Bloudkova Velikanka in seiner Autobiografie von 1938 als „de[n] größte[n] Abgrund, in den je ein Mensch sich vorsätzlich gestürzt hat“.[3] Kurz nach Bradls Weltrekordsprung sperrte die FIS die Planica-Schanze, sodass vorerst kein Wettkampf mehr auf ihr möglich war.

Schon mehrere Jahre vor dem Bau der Bloudkova Velikanka hatte der Schweizer Ingenieur Reinhard Straumann im Jahr 1927 die aerodynamischen Berechnungen angestellt, die später die Grundlage des Skifliegens bildeten.[6] Die unter anderem im Windkanal gewonnenen Erkenntnisse wurden zunächst nicht umgesetzt und erlangten erst 1936 Bedeutung, als ein Mitglied des jugoslawischen Skiverbandes vorschlug, Skifliegen als eigenständige Disziplin vom Skispringen zu trennen. Diesen Vorschlag berücksichtigte die FIS nicht. Dafür beauftragte sie Straumann, der zu diesem Zeitpunkt Mitglied im Sprungkomitee des Verbands war, Kontakt mit Stanko Bloudek aufzunehmen. Die FIS begründete diesen Schritt damit, man wolle mit den Skiflugversuchen „experimentieren“ und damit Straumanns Forschungen bezüglich der Aerodynamik fördern. Deswegen hob der Internationale Skiverband die Sperre für die Planica-Schanze auf, sodass Sepp Bradl dort 1938 seinen eigenen Weltrekord auf 107 Meter verbessern konnte.[4] Für alle weiteren Anlagen blieb die Limitierung auf einen Konstruktionspunkt von maximal 80 Metern bestehen. Auch zu Beginn des Zweiten Weltkriegs wurden weiterhin Wettkämpfe auf der Bloudkova Velikanka durchgeführt: 1941 steigerte der Deutsche Rudi Gehring den Weltrekord auf 118 Meter.

Weltrekorde in Oberstdorf: Skifliegen in der Diskussion (Beginn der 1950er-Jahre)

In den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg waren die deutschen Athleten von internationalen Skisprung-Konkurrenzen ausgeschlossen, auch von den Wettkämpfen in Planica. 1948 sprang dort der Schweizer Fritz Tschannen auf 120 Meter und übernahm so den Weltrekord, den zuvor Rudi Gehring gehalten hatte. Dessen Schwager Sepp Weiler war kurz darauf am Bau der zweiten Skiflugschanze der Welt beteiligt, der Oberstdorfer Skiflugschanze, die später den Namen ihres Hauptarchitekten Heini Klopfer erhielt. Vor dem Eröffnungswettkampf erklärte Klopfer, der Bau der deutschen Skiflugschanze lasse sich nicht auf die „Absicht, Sensationen nachzujagen“ zurückführen, sondern sei „der logische Schluß aus der […] politischen und skisprung-sportlichen Situation“.[7] Die Oberstdorfer Anlage, die im Februar 1950 fertiggestellt wurde, wies einen Konstruktionspunkt von 120 Metern auf und war damit für die FIS zunächst eine illegale Schanze.[8] Der 1936 gefasste Beschluss, Schanzen mit einem K-Punkt von über 80 Metern zu verbieten, wurde erst 1951 aufgehoben und durch einen neuen ersetzt, der nun Flugschanzen mit einem maximalen Kritischen Punkt von 120 Metern erlaubte.[4] Der erste Wettkampf auf der neuen Schanze war die Oberstdorfer Skiflugwoche, eine fünftägige Veranstaltung, bei der der Gesamtsieger durch die Addition der fünf größten Weiten ermittelt wurde. Bereits am ersten Tag der Skiflugwoche stellte der Österreicher Willi Gantschnig trotz schlechter äußerer Bedingungen einen Weltrekord auf, den zwei Tage darauf Sepp Weiler und wiederum einen Tag später der Schwede Dan Netzell mit einem Sprung auf 135 Meter übertrafen. Damit verbesserten die Athleten den alten Weltrekord aus Planica während der I. Oberstdorfer Skiflugwoche insgesamt um 15 Meter. Ein Jahr darauf, am 2. März 1951, landete der 19-jährige Finne Tauno Luiro bei 139 Metern und stellte damit einen Rekord auf, der ein Jahrzehnt überdauerte.

Die immer größeren Weiten popularisierten das Skifliegen deutlich. Zur ersten Skiflugwoche in Oberstdorf kamen etwa 170.000 Zuschauer; auch in den Folgejahren besuchten ungefähr 100.000 Menschen die Springen. Dieser Zuschauerandrang war auch Grundlage für Kritik, insbesondere durch die beiden Ruud-Brüder, die 20 Jahre zuvor selbst Weltrekordhalter gewesen waren. Sigmund Ruud erklärte im Rahmen der Skiflugwoche 1951, ihm stehe „beim Skifliegen immer noch die Sensation etwas zu sehr im Vordergrund“,[8] während sein Bruder Birger sich als „erbitterter Feind dieses Skifliegens“ bezeichnete. Das Skispringen werde hier allein zum Geschäft.[9] Ein weiterer Diskussionspunkt zu Beginn der 1950er-Jahre war die Frage, ob sich das Skifliegen überhaupt vom Skispringen unterscheide. Dies verneinte unter anderem Sepp Bradl, der in den 1950er-Jahren noch aktiv war und daher die Skiflugschanzen in Planica und Oberstdorf selbst besprungen hatte. Er schrieb in einer 1952 erschienenen Auflage seiner Biographie:

„Der Skisprung über 100 oder gar 120 Meter ist in seinem technisch-physikalischen Ablauf ein Skisprung wie jeder andere auch […]. Aber das Zusammentreffen aller glücklichen Umstände und der natürlichen wie menschlichen Hilfen und Kräfte, die zu einem solchen vollkommenen Weitsprung und Riesenflug nötig sind, sind seltener als auf normalen Schanzen und daher die Gefahren wesentlich größer. Aus diesem Grunde möchte ich das Weitenspringen ganz großen Stiles wettkampfmäßig als ungeeignet betrachten, es bleibt also immer noch beim Flug- oder Sprungversuch. […] Trotzdem kann das Skifliegen verantwortet und zu einer der herrlichsten Sportarten werden.[10]

Im Gegensatz zu Bradl und weiteren Aktiven sah Richard Straumann den Unterschied in der nur beim Skifliegen eine Rolle spielenden Aerodynamik. Der Springer könne nach Straumanns Ansicht einen Skiflug im Gegensatz zum Skisprung komplett beherrschen. Er stellte sich für die Zukunft „Zielkonkurrenzen“ vor, bei denen die Athleten einen vorher festgelegten Punkt genau anspringen mussten. Auch sah er die Möglichkeit für einen Flugslalom, bei dem die Sportler in der Luft Schlangenlinien fliegen sollten.[8]

Neue Skiflugschanzen in Tauplitz und Vikersund und Gründung der KOP (1950er- bis 1960er-Jahre)

Die österreichische Skiflugschanze Kulm entstand zu Beginn der 1950er-Jahre und wurde später mehrmals umgebaut und vergrößert, zuletzt 2004
Der Ostdeutsche Manfred Wolf (hier bei einem Wettkampf in Oberhof 1970) sprang 1969 Weltrekord in Planica

Eine weitere Skiflugschanze entstand 1952 in Tauplitz durch den Ausbau der zwei Jahre zuvor errichteten Großschanze Kulm. In Hinblick auf die mittlerweile drei existierenden Fluganlagen entschied die FIS, dass pro Jahr nur ein Skiflugwettkampf – die Internationale FIS-Skiflugwoche – ausgetragen werden durfte[9] und dass sich Planica, Oberstdorf und Tauplitz in dessen Organisation abwechseln sollten. Daher fand die Internationale Flugwoche 1953 auf dem Kulm statt, Planica trug die Veranstaltung im Folgejahr aus. Sowohl der Wettkampf in Österreich als auch jener in Jugoslawien waren finanzielle und sportliche Misserfolge. Das deutsche Nachrichtenmagazin Der Spiegel führte dies zum einen auf „die allgemeine Übersättigung des Publikums mit großen sportlichen Ereignissen“ zurück, zum anderen aber auch darauf, dass die Grenzen der drei Schanzen mittlerweile erreicht worden seien, sodass neue Rekorde kaum möglich wären. Bei der Flugwoche 1955, die wieder in Oberstdorf stattfand, kamen zudem erstmals Punktrichter bei einem Skifliegen zum Einsatz, sodass nicht mehr allein die Weite, sondern auch der Stil in die Gesamtpunktzahl einging. Diese Änderung nahm das Publikum wegen der Subjektivität der Kampfrichter überwiegend negativ auf.[11] Dennoch etablierte sich die Skiflugwoche in den folgenden Wintern im FIS-Programm. Der Internationale Skiverband arrangierte sich mit der Veranstaltung und sprach im Abschlussprotokoll zur Skiflugwoche 1957 in Planica von einem „ganz große[n] Erfolg“.[9] In dieser Zeit war Helmut Recknagel der erfolgreichste Athlet in dieser Disziplin: Er triumphierte zwischen 1957 und 1962 fünfmal bei der Skiflugwoche und erreichte dabei zweimal die größte Weite.[6] Trotz dieser Erfolge gelang es Recknagel nicht, den seit 1951 bestehenden Weltrekord von Tauno Luiro zu verbessern. Dieser hielt zehn Jahre, bis der Jugoslawe Jože Šlibar auf 141 Meter sprang und Luiros Bestweite damit um zwei Meter übertraf.

Anlässlich der FIS-Skiflugwoche 1962 am Kulm trafen sich Funktionäre, Trainer und Kampfrichter aus 14 Nationen. Bei diesem Treffen regte der Oberstdorfer Schanzenarchitekt Heini Klopfer die Gründung einer internationalen Skiflugvereinigung an, die am 27. Oktober 1962 in Ljubljana vollzogen wurde. Der neu geschaffene „Internationale Skiclub Planica-KOP“ – die Abkürzung KOP steht für die Anfangsbuchstaben der drei Skiflugschanzen Kulm, Oberstdorf und Planica – setzte sich als Hauptziel, „dem Skifliegen offizielle Geltung zu verschaffen“ und eine von der FIS organisierte Skiflugweltmeisterschaft einzuführen.[12] Bis dieses Vorhaben in die Tat umgesetzt wurde, dauerte es zehn Jahre. Diese Verzögerung lag vor allem in der Ablehnung der skandinavischen Nationen begründet, deren Vertreter sich im FIS-Fachausschuss weiterhin gegen eine Ausweitung des Skiflug-Programms einsetzten.[7]

In den 1960er-Jahren entstanden zwei neue Skiflugschanzen, darunter der 1965 gebaute Vikersundbakken, die erste Skifluganlage in Nordeuropa. Das norwegische Vikersund hatte sich gegen einen Skiklub in Østerdalen durchgesetzt, der sich ebenfalls für den Bau des Prestigeobjekts beworben hatte.[13] Beim Eröffnungswettkampf im Jahr 1966 sprang Bjørn Wirkola auf 146 Meter und hielt damit als erster Norweger seit mehr als 30 Jahren wieder den Weltrekord. 1968 leiteten die Brüder Lado und Janez Gorišek in Planica den Bau einer neuen Skiflugschanze, der Letalnica, welche die Bloudkova Velikanka ersetzte. Diese bot nicht mehr die Voraussetzungen für neue Weltrekorde und konnte nicht weiter vergrößert werden, sodass ein kompletter Neubau notwendig war.[14] Wie in Vikersund wurde auch auf der Letalnica bereits beim Eröffnungswettkampf der Weltrekord verbessert, zunächst von Bjørn Wirkola, dann von Jiří Raška und schließlich vom Ostdeutschen Manfred Wolf, der auf der 165-Meter-Marke landete. Insgesamt übertrafen die Springer den Weltrekord zwischen 1964 und 1969 zwölfmal und verbesserten ihn in dieser Zeit von 141 auf 165 Meter. Janez Gorišek, der Architekt der Letalnica, antwortete 1970 auf die Frage, wann das Ende der Rekordjagd erreicht sei: „Unter günstigen äußeren Bedingungen kann ein erfahrener Skispringer durchaus an 200 m fliegen. Es kommt nur auf die Schanze an!“ Planungen für eine solche Anlage, die Sprünge auf diese Weiten ermöglichen sollte, gab es zu dieser Zeit in Oslo[7]; die Idee wurde jedoch später verworfen.

Erste Weltmeisterschaften und Integration in den Weltcup (1970er- bis 1980er-Jahre)

Der Copper Peak war von 1970 bis zu seiner Schließung 1995 die einzige Skiflugschanze außerhalb Europas

Bereits Ende der 1960er-Jahre gebaut, war der 1970 eröffnete Copper Peak im US-amerikanischen Ironwood die fünfte Skiflugschanze der Welt und die erste, die nicht in Europa entstand. Anders als die anderen Anlagen war der Copper Peak zu keinem Zeitpunkt die weltgrößte Schanze, sodass auf ihm nie ein Weltrekord aufgestellt werden konnte. In Ironwood fand lediglich ein Weltcupspringen statt, ehe die Schanze 1995 die Zulassung der FIS verlor und geschlossen werden musste.

Auf dem FIS-Kongress 1971 im kroatischen Opatija genehmigte der Internationale Skiverband die Einführung einer Skiflug-Weltmeisterschaft, deren Erstauflage 1972 in Planica stattfand. Den ersten Weltmeistertitel errang der Schweizer Walter Steiner, der mit deutlichem Abstand auf den Zweiten Heinz Wosipiwo gewann. Für den 21-jährigen Steiner, der aufgrund seiner großen Skiflugweiten den Spitznamen „Vogelmensch“ erhielt, war der Titel einer der ersten großen Erfolge. In den Folgejahren sprang er zweimal über 175 Meter, stürzte jedoch beide Male, sodass die Sprünge nicht als Weltrekorde gewertet wurden.[15] Schon zu seiner aktiven Zeit bezeichnete Steiner die Skiflugschanzen als „Monumente der Unvernunft“ und forderte ein Ende des Schanzenwachstums zwecks neuer Rekorde. Später erklärte er, er habe seinen Konkurrenten aus Angst vor Stürzen nicht bei deren Versuchen zugesehen; die Auslaufskurven seien „potentielle Todesfallen“ gewesen.[16] Während der Skiflugwoche 1976 in Oberstdorf stellte der 17-jährige Toni Innauer zweimal einen neuen Weltrekord auf, indem er zunächst auf 174 Meter und zwei Tage später auf 176 Meter sprang. Den ersten Rekordversuch bezeichnete Innauer in seiner 1992 erschienenen Autobiographie als einen „Sprung, der so perfekt war, daß [er] ihn zerstören mußte, um zu überleben“. Er schrieb darüber:

„Ich kannte diese Dimension nicht. Was mit mir passierte, verwirrte mich. Ich wußte nur, daß ich zur Erde zurückwollte. […] Ich wollte Höhe verlieren, um wieder runterzukommen. Ich stand mit beiden Beinen auf der Bremse und landete trotzdem erst bei 174 Meter, das war Weltrekord. Ich wußte: Auf dieser Schanze ist für mich kein optimaler Sprung möglich. Er würde zu weit hinuntergehen.[17]

Später untersuchte der Schweizer Physiker Benno Nigg diesen Sprung und berechnete, dass Innauer 222 Meter weit gesprungen wäre, hätte er den Versuch nicht abgebrochen. An dieser Stelle ging zu diesem Zeitpunkt in der Oberstdorfer Schanze der Auslauf bereits in den Gegenhang über.[17] Innauer galt wie Walter Steiner als einer der besten Skiflieger der 1970er-Jahre, wurde aber anders als der Schweizer – der mit seinen zwei Erfolgen 1972 und 1977 bis 2002 einziger Doppelweltmeister in dieser Disziplin war – nie Skiflugweltmeister. Dies gelang seinem Teamkollegen Armin Kogler, der den Titel 1979 errang und zwei Jahre später Innauers Weltrekord auf 180 Meter verbesserte. Insgesamt gab es in dieser Zeit keinen großen Unterschied zwischen der Weltspitze im Skispringen und der im Skifliegen: Sowohl Kogler als auch Innauer wurden Weltmeister von der Normalschanze; Walter Steiner gewann 1972 die olympische Silbermedaille im Großschanzenwettkampf.

1980 wurde im tschechischen Harrachov die sechste und bis heute (Stand: 2011) letzte Skifluganlage fertiggestellt. Auf der Čerťák-Skiflugschanze stellte der Tschechoslowake Pavel Ploc im Jahr 1983 mit 181 Metern den einzigen Weltrekord auf. Im gleichen Jahr, in dem die Čerťák eröffnet wurde, organisierte die FIS erstmals einen Skisprung-Weltcup. In diesen war mit der Skiflugwoche in Vikersund ein Skiflugwettkampf integriert, den der Norweger Per Bergerud für sich entschied. Damit gehörte seit der ersten Weltcupsaison jeweils eine Skiflugveranstaltung fest zum Programm der Wettkampfserie. Dieses Weltcup-Skifliegen, das seit 1981 die nach 30 Austragungen abgeschaffte Skiflugwoche ablöste, trugen die fünf Skiflugorte abwechselnd, aber ohne regelmäßigen Turnus aus (Ironwood war lediglich einmal 1981 Veranstalter). Hinzu kam die Weltmeisterschaft, die seit 1986 in jedem Jahr mit einer geraden Jahreszahl stattfand. Der erfolgreichste Skiflieger der 1980er-Jahre war der Finne Matti Nykänen, der zwischen 1983 und 1990 bei jeder Skiflug-WM eine Medaille gewann und zudem in den Jahren 1984 und 1985 viermal die Weltrekordweite verbesserte. Während der Skiflugweltmeisterschaft 1985 stellte Nykänen mit 187 und 191 Metern in beiden Durchgängen Weltrekorde auf und wurde mit 50 Punkten Vorsprung Skiflugweltmeister.[18]

Der Österreicher Andreas Felder stellte Nykänens Rekord im Rahmen der Skiflug-WM 1986 am Kulm ein. Kurz darauf entschied die FIS, den Weltrekord bei 191 Metern „einzufrieren“: Jeder Sprung, der diese Weite übertraf, sollte nicht mehr gemessen und als 191-Meter-Sprung gewertet werden.[19] Diese Maßnahme erwies sich als wirkungslos: Ein Weitenrichter maß den Sprung des Polen Pjotr Fijas beim Planica-Wettkampf 1987 auf 194 Meter und teilte das Ergebnis dem Publikum mit. Später bezeichneten sowohl Toni Innauer als auch Matti Nykänen in ihren Biographien das Rekordverbot des Internationalen Skiverbands als „absurd“ beziehungsweise „unsinnig“.[18][20] Dennoch beeinflusste die Regel teilweise das Wettkampfklassement, unter anderem bei der Skiflug-Weltmeisterschaft 1994. Dort gewann der Norweger Espen Bredesen vor dem Italiener Roberto Cecon die Silbermedaille, obwohl Cecon mit Versuchen auf 160 und 199 Meter insgesamt weiter gesprungen war als Bredesen, der bei 172 und 182 Metern gelandet war. Bei der anschließenden Pressekonferenz tauschte Bredesen mit Cecon die Medaillen und begründete dies damit, dass die Regel „Nonsens“ sei und der Italiener sportlich gesehen die Vizeweltmeisterschaft verdient habe.[21]

Erste Sprünge über 200 Meter und neue Entwicklungen (1990er-Jahre bis heute)

Daniela Iraschko stellte 2003 am Kulm den derzeit gültigen Frauenweltrekord von 200 Metern auf

Im Winter 1990/91 fanden erstmals zwei Skiflug-Weltcupveranstaltungen in einer Saison statt. In diesen vier Wettbewerben ermittelte die FIS mit dem Schweizer Stephan Zünd zum ersten Mal einen Skiflug-Weltcupsieger. Der Beschluss zur Einführung einer solchen Wertung war im Mai 1990 auf dem FIS-Kongress in Montreux gefallen.[22] Obwohl in den Folgewintern teilweise nur ein Skiflugwettkampf ausgetragen wurde, gab es den Skiflug-Weltcup bis einschließlich der Saison 2000/01. Acht Jahre später – mittlerweile fanden pro Jahr sechs Skiflugveranstaltungen statt – führte der Internationale Skiverband die Disziplinenwertung wieder ein.

Anlässlich der Skiflug-Weltmeisterschaft 1994 in Planica wurde die Letalnica vergrößert, sodass sie Sprünge auf über 200 Meter ermöglichte. Bereits im Training am 17. März verbesserte der österreichische Vorspringer Martin Höllwarth den Weltrekord mit einem Sprung auf 196 Meter, ehe sein Teamkollege Andreas Goldberger bei 202 Metern aufkam. Goldberger, der später in seiner Autobiographie schrieb, die 200 Meter hätten für ihn mehr gezählt als der Weltmeistertitel, musste jedoch bei der Landung in den Schnee greifen, wodurch der Versuch ungültig wurde.[23] Am gleichen Tag erreichte Toni Nieminen 203 Meter und stand den Versuch, wodurch die Organisatoren ihn als ersten 200-Meter-Springer mit einem Mercedes prämierten. Während der Weltmeisterschaft gab es etliche weitere Sprünge, die die 200-Meter-Marke übertrafen; insgesamt erreichte Espen Bredesen mit 209 Metern die größte Weite. Die FIS erkannte den Rekord jedoch nicht an, da sie die Bestmarke noch immer bei 191 Metern festgesetzt hatte.[23]

Ab Beginn der 2000er-Jahre gewann das Skifliegen innerhalb des FIS-Programms immer mehr an Bedeutung: Im Winter 2000/01 gingen fünf Wettkämpfe in den vorerst zum letzten Mal ausgetragenen Skiflug-Weltcup ein, was knapp einem Viertel aller Wettbewerbe entsprach. Im Jahr 2004 wurde im Rahmen der Skiflug-Weltmeisterschaft erstmals ein Teamwettbewerb ausgetragen, den die norwegische Mannschaft für sich entschied. Einzelsieger wurde der Norweger Roar Ljøkelsøy, der diesen Erfolg – Doppelweltmeister im Einzel und mit dem Team – auch 2006 wiederholte und damit als erster Skiflieger vier Weltmeistertitel errang. Am 11. Februar 2011 stellte Johan Remen Evensen beim Wettkampf auf der vergrößerten Schanze in Vikersund den aktuell gültigen – von der FIS nicht anerkannten und daher inoffiziellen[24] – Weltrekord von 246,5 Metern auf (Stand: März 2011). Dies war nach 26 Jahren die erste Weltbestmarke, die nicht auf der Letalnica aufgestellt wurde[25]: Von 1985 bis 2005 hatten in Planica 13 verschiedene Athleten insgesamt 19 Mal den Weltrekord übertroffen.

Im Jahr 1997 absolvierte die Österreicherin Eva Ganster als erste Frau einen Sprung auf einer Skiflugschanze, als sie auf dem Kulm den Frauenweltrekord von 167 Metern aufstellte. Ganster, die bereits zuvor die Frauenbestweite von 112 Metern gehalten hatte, erhielt für ihre Weiten mehrere Jahre in Folge Einträge im Guinness-Buch der Rekorde.[26] Sechs Jahre nach Gansters Weltrekord landete ihre Landsfrau Daniela Iraschko am 29. Januar 2003, ebenfalls auf dem Kulm im Rahmen des Skiflug-Weltcups, als erste Frau einen 200-Meter-Sprung. Damit lag sie lediglich fünf Meter unter dem damaligen Schanzenrekord des Japaners Takanobu Okabe. Als Reaktion auf Iraschkos Sprung sprach der deutsche Bundestrainer Reinhard Heß ihr „[s]eine Hochachtung“ aus, gab aber zu bedenken, dass die Österreicherin bei verlängertem Anlauf gesprungen war. Iraschko selbst hingegen erklärte, ihr Sprung habe gezeigt, dass Frauen ebenso gut springen könnten wie Männer.[27] Bis heute gibt es kein eigenes Damenskifliegen: Frauen springen von Skiflugschanzen allenfalls als Vorspringerinnen und Iraschkos Rekord ist noch immer ungebrochen.

Im Februar 2010 sagte der norwegische Nordische Kombinierer Magnus Moan gegenüber dem Norwegischen Rundfunk (NRK), er könne sich gut vorstellen, auch in die Kombination ein Skifliegen einzubauen, auf das dann ein längerer Langlauf von beispielsweise 20 Kilometern folgen würde. Als mögliche Austragungsorte nannte Moan Oberstdorf und den Kulm.[28]

Aerodynamik

Ein Skiflug auf einer 200-Meter-Schanze dauert heute etwa acht Sekunden und ist damit ungefähr doppelt so lange wie ein Sprung auf einer Groß- oder Normalschanze.[29][30] Durch die längere Flugdauer spielt die Aerodynamik beim Skifliegen eine größere Rolle als beim Skispringen, wo hauptsächlich der Absprung über die Weite entscheidet.[6] Daher traten in den 1950er- und 1960er-Jahren viele stilistische Veränderungen zum ersten Mal beim Skifliegen auf, ehe sie sich auch im Skispringen durchsetzten. Der Sportjournalist Bruno Moravetz bezeichnete die Oberstdorfer Skiflugschanze vor diesem Hintergrund als „größte[s] Freiluft-Laboratorium“.[7] Bei der Skiflugwoche 1950 führte beispielsweise der Schweizer Andreas Däscher zum ersten Mal den von Reinhard Straumann entwickelten Fisch-Stil vor. Bei dieser Skisprung-Technik streckte der Athlet die Arme nicht mehr nach vorne aus, sondern legte sie dicht an den Körper an. Durch diese Stilveränderung erreichte Däscher einen geringeren Luftwiderstand und einen größeren Auftrieb. Der Fisch-Stil setzte sich bis Ende der 1950er-Jahre im gesamten Springerfeld durch.

Um trotz der FIS-Einschränkungen weitere Skiflugweltrekorde zu ermöglichen, verbreitete sich in den 1960er-Jahren eine weitere Veränderung: Die Konstrukteure legten den Schanzentisch um einige Meter nach hinten, wodurch sich die Flugkurve verflachte. Heini Klopfer, der Architekt der Oberstdorfer Skifluganlage, erklärte 1967, durch die aerodynamischere flache Flugkurve seien zum einen weitere Sprünge möglich, zum anderen mache sie das Skifliegen sicherer.[2] Aufgrund des verminderten Sturzrisikos verbot die FIS die immer weiter wachsenden Schanzen nicht, obwohl die Sprünge die zulässige Maximalweite von 120 Metern deutlich überschritten. Seit Ende der 1980er-Jahre springen die Athleten im V-Stil, der grundlegend zum weiteren Anwachsen der Weiten beitrug.[31] Die Anlauf- und Landegeschwindigkeiten stiegen hingegen nicht: 1969 betrug das Tempo in Planica vor dem Absprung 114 km/h und während der Landung 145,8 km/h.[32] 2011 wurde die Anfahrtsgeschwindigkeit auf der neu errichteten Schanze in Vikersund mit 108 km/h angegeben[33], die Landegeschwindigkeit lag 2010 bei etwa 130 km/h.[29]

Da die beim Skifliegen erprobten Änderungen wie der Fisch-Stil binnen weniger Jahre auch im Skispringen angewendet wurden, gibt es heute in technischer Hinsicht keine Unterschiede zwischen beiden Varianten. Dennoch gibt es einige Sportler wie den Slowenen Robert Kranjec oder den Österreicher Martin Koch, die aufgrund ihrer guten Ergebnisse im Skifliegen als „Flug-Spezialisten“ gelten.[34][35]

Psychische Belastung

Die beim Skifliegen erreichten Höchstgeschwindigkeiten setzen die Athleten psychisch enorm unter Druck. Eine Studie der Universität Innsbruck ergab, dass die „Flut optischer Reize“ das Nervensystem überstrapaziert. Dies kann schließlich dazu führen, dass die Skispringer in einen katabolen Zustand gelangen und die Belastung nicht mehr ausgleichen können. Der vom Schutzmechanismus Angst hervorgerufene Dauerstress zeigt sich auch körperlich, etwa durch verstärkten Harndrang (Angst-Diurese) oder durch koordinative Störungen.[36] Ein weiteres Problem sind die kaum vorhandenen Trainingsmöglichkeiten: Da die Präparierung der Skiflugschanzen teuer ist, werden sie nur zum Wettkampf sprungreif hergerichtet. Deswegen können die Athleten lediglich in wenigen Trainingssprüngen Skiflugerfahrung sammeln, sodass bestimmte Windverhältnisse für die Springer unbekannt sind. Weil bereits kleine Fehler ein Sicherheitsrisiko darstellen, kommt es beim Skifliegen zudem häufig zu schweren Stürzen, die langfristige Traumata auslösen können. Dies geschah beispielsweise dem Deutschen Jens Weißflog, der als 19-Jähriger in Harrachov 1983 aufgrund einer Windböe stürzte, Prellungen erlitt und in den folgenden Jahren auf großen Schanzen in Panik geriet.[36] Um koordinative Einschränkungen zu verhindern, bereiten Trainer ihre Athleten auf die „Extremsituation Skifliegen“ vor, indem sie etwa besonders die Konzentrationsfähigkeit trainieren. Anfang der 2000er-Jahre ließ der deutsche Bundestrainer Reinhard Heß seine Sportler zunächst Fußball spielen und unmittelbar danach ein Kartrennen bestreiten. Heß begründete diese Übung damit, dass die Springer „neue Grenzen“ kennenlernen sollten. Zudem werde durch die Doppelbelastung die Koordinationsfähigkeit der Athleten auch in ermüdetem Zustand trainiert.[36]

Der zu diesem Zeitpunkt amtierende Weltrekordhalter Bjørn Einar Romøren erklärte vor dem ersten Wettkampf auf dem 2010 ausgebauten Vikersundbakken in Hinblick auf die Verschiedenheit zwischen Skispringen und Skifliegen: „Die Gefahr [beim Skifliegen] ist größer, aber das Gefühl viel besser, wenn du es schaffst, richtig abzuheben. In Vikersund wird es jetzt hoffentlich noch schöner als in Planica.“ Zur gleichen Zeit verglich der ehemalige Skiflug-Weltmeister Dieter Thoma den Unterschied der beiden Disziplinen mit dem Wechsel eines Wasserspringers vom Zehn-Meter-Turm auf eine Klippe. Das Gefühl beim Skifliegen sei „ein Mix aus Verliebtsein und dem Gefühl, gerade noch einem Autounfall entkommen zu sein“.[30]

Reglement

Das Logo der FIS, die für das Skiflug-Reglement zuständig ist

Die Internationale Skiwettkampfordnung (IWO) der FIS behandelt das Skifliegen in einem eigenen Paragraphen, der jedoch lediglich die Unterschiede zum Skispringen beinhaltet. Zum Großteil werden beide Disziplinen nach dem gleichen Regelwerk ausgetragen. So sind der Wettkampfablauf und die Disqualifikationsregeln identisch; auch bei der Bewertung des Stils gibt es keine Differenzen. Die wesentlichen Unterschiede, die in Paragraph 454 der IWO genannt werden, sind folgende[37]:

  • Skiflugschanzen dürfen nur benutzt werden, wenn die FIS dies ausdrücklich genehmigt hat. Die Schanzeneigentümer müssen sich dem Skiverband gegenüber verpflichten, die Anlagen nur für FIS-Wettbewerbe freizugeben.
  • Als Probeflieger dürfen nur Über-18-Jährige eingesetzt werden. Zudem tragen die jeweiligen Skiverbände die Verantwortung, dass die von ihnen nominierten Athleten „die Befähigung zum Skifliegen besitzen“.
  • Die Bewertung hinsichtlich der Sprungweite unterscheidet sich geringfügig von der beim Skispringen: Für das Erreichen des K-Punktes erhält ein Athlet 120 Weitenpunkte (beim Skispringen 60 Weitenpunkte) und der sogenannte Meterwert beträgt 1,2 Punkte (beim Skispringen mindestens 1,8 Punkte). Als Meterwert wird die Punktzahl bezeichnet, die bei einer Abweichung vom K-Punkt pro Meter abgezogen oder addiert wird. Eine genauere und allgemeinere Erklärung des Bewertungssystems beim Skispringen befindet sich im Hauptartikel.

Die Regularien des Skiflug-Weltcups basieren auf dem gleichen Regelwerk wie die des Skisprung-Weltcups: Im FIS-Weltcupreglement schreibt der Internationale Skiverband ausdrücklich, dass „[d]ie Skiflug-Wettkämpfe […] auf der Grundlage des Weltcup-Reglementes für Skispringen […] durchzuführen [sind]“.[38] Nur in wenigen Punkten gelten für das Skifliegen Sonderregeln, der einzige wesentliche Unterschied liegt im kleineren Teilnehmerfeld: Im Skifliegen qualifizieren sich lediglich 40 Athleten für den Wettkampf, beim Skispringen sind es 50. Dafür gilt die Sonderregel, dass das Veranstalterland beim Wettbewerb immer mindestens vier Athleten stellen darf, auch wenn sich diese nicht regulär qualifiziert haben. Der Rest des Qualifikationsmodus ist identisch mit dem des Skisprung-Weltcups, das heißt, dass auch beim Skifliegen die zehn besten Athleten des Gesamtweltcups vorqualifiziert sind. Zudem ist das Taschengeld bei einem Skiflug-Weltcup genau doppelt so hoch wie bei einem Skisprung-Weltcup: Jeder Athlet erhält bei einem Einzelbewerb 90 CHF.[38]

Mitte der 1950er-Jahre, als das Skifliegen hauptsächlich zu Experimentierzwecken stattfand, wurde beim Skifliegen eine von Reinhard Straumann erdachte Bewertungsmethode ausprobiert, die nach ihrem Erfinder den Namen S-Wertung erhielt. Bei dieser gab es keine Stilnoten, allerdings zählte auch nicht allein die Weite wie bei den ersten Skiflugwochen. Stattdessen entwickelte Straumann Geräte, die die Anlaufgeschwindigkeit maßen und diese mit der Sprungweite abglichen. Skiflüge, die bei geringerem Anfahrtstempo genau so weit waren wie solche bei hoher Geschwindigkeit, erhielten eine bessere Bewertung. Straumanns Gedanke dahinter war der, dass auf diese Weise der Athlet ermittelt würde, der den strömungsgünstigsten Flug gezeigt hätte. Dieses Bewertungssystem wurde nur bei den Skiflugwochen angewandt, bei denen es sich bis Ende der 1960er-Jahre hielt.[2][7]

Literatur

  • Jens Jahn und Egon Theiner: Enzyklopädie des Skispringens. Agon Sportverlag. Kassel 2004. ISBN 3-89784-099-5.
  • Kurt Schauppmeier: Das Buch vom Wintersport. Stadion Verlag München 1964. Seiten 58–72.
  • Klaus Ullrich: 124 Meter in Planica. In: Sprung nach vorn. Sportverlag. Berlin 1959. Seiten 89–106.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Weitenjagd in Steamboat Springs. In: Jens Jahn und Egon Theiner: Enzyklopädie des Skispringens. Agon Sportverlag. Kassel 2004. Seiten 15–16. ISBN 3-89784-099-5.
  2. a b c Wolfgang Wünsche: Wo liegt die Grenze beim Skiflug? auf zeit.de. Erschienen am 10. Februar 1967 in der deutschen Zeitung Die Zeit. Abgerufen am 12. März 2011.
  3. a b c Sigmund Ruud: Skispur krysser verden. 1938 (deutsch: Skispuren kreuzen die Welt. Übersetzt aus dem Norwegischen von Werner von Grünau. Hans von Hugo Verlag. Berlin 1939). Seiten 78–93: Planica, größte Skisprungschanze der Welt
  4. a b c d Internationale Skiflugvereinigung KOP im Wandel der Zeit Gestern - Heute - Morgen auf cms.kop-skiflying.org. Referat von Kurt Kreiselmeyer, Oberstdorf anlässlich der KOP-Generalversammlung am 22. Juni 1996 in Harrachov. Abgerufen am 12. März 2011.
  5. Tiefer Sturz auf spiegel.de. Erschienen am 20. März 1967 im deutschen Nachrichtenmagazin Der Spiegel. Abgerufen am 12. März 2011.
  6. a b c Kurt Schauppmeier: Das Buch vom Wintersport. Stadion Verlag München. Seiten 58–72
  7. a b c d e Bruno Moravetz: 20 Jahre Skifliegen in Oberstdorf – Chronik der Rekorde. In: Sport-Illustrierte, Ausgabe 5/1970.
  8. a b c Slalom durch die Luft auf spiegel.de. Erschienen am 14. März 1951 im deutschen Nachrichtenmagazin Der Spiegel. Abgerufen am 12. März 2011.
  9. a b c Klaus Ullrich: 124 Meter in Planica. In: Sprung nach vorn. Sportverlag. Berlin 1959. Seiten 89–106.
  10. Sepp Bradl: Mein Weg zum Weltmeister. Schlüsselverlag. Innsbruck 1952. Seiten 168–171.
  11. Fische fliegen weiter auf spiegel.de. Erschienen am 23. Februar 1955 im deutschen Nachrichtenmagazin Der Spiegel. Abgerufen am 12. März 2011.
  12. Kurt Sölkner: 1962 – Gründungsjahr der internationalen Skiflugvereinigung KOP auf cms.kop-skiflying.org. Abgerufen am 12. März 2011.
  13. Geschichte des Vikersundbakkens auf vikersund.no. Abgerufen am 12. März 2011.
  14. Planica - Letalnica auf berkutschi.com. Abgerufen am 12. März 2011.
  15. Monika Brand: Als der «Vogelmensch» allen davonflog auf 20min.ch. Erschienen am 4. Mai 2010. Abgerufen am 12. März 2011.
  16. Werner Herzog: Über die eigene Todesangst hinauswachsen auf spiegel.de. Erschienen am 17. März 1986 im deutschen Nachrichtenmagazin Der Spiegel. Abgerufen am 12. März 2011.
  17. a b Toni Innauer: Der kritische Punkt. Aufgezeichnet von Christian Seiler. Edition Tau. Bad Sauerbrunn 1992. Seite 59.
  18. a b Matti Nykänen: Grüße aus der Hölle. Aufgezeichnet von Egon Theiner. Verlag wero press GmbH. Pfaffenweiler 2003. Seite 81.
  19. Thomas Karny: Der Sprung in eine neue Epoche auf wienerzeitung.at. Abgerufen am 12. März 2011.
  20. Toni Innauer: Der kritische Punkt. Aufgezeichnet von Christian Seiler. Edition Tau. Bad Sauerbrunn 1992. Seite 96f.
  21. Hans-Jürgen Zeume: Weiter ist lebensbedrohlich auf berlinonline.de. Erschienen am 21. März 1994. Abgerufen am 12. März 2011.
  22. Übersicht über alle FIS-Kongresse auf fis-ski.com. Abgerufen am 12. März 2011.
  23. a b Andreas Goldberger: Absprung. Aufgezeichnet von Günther Hartl. Edition Tau. Bad Sauerbrunn 1996. Seite 117ff.
  24. Jörg Hahn: Nervenkitzel und Nervenflattern auf faz.net. Erschienen am 12. Februar 2011. Abgerufen am 20. März 2011.
  25. Norweger Evensen flog mit 246,5 m Weltrekord auf sport.oe24.at. Erschienen am 11. Februar 2011. Abgerufen am 12. März 2011.
  26. Geschichte des Kulms auf berkutschi.com. Abgerufen am 12. März 2011.
  27. Skiflug-Weltrekord: Schülerin macht es Hannawald vor auf spiegel.de. Erschienen am 30. Januar 2003 im deutschen Nachrichtenmagazin Der Spiegel. Abgerufen am 12. März 2011.
  28. Olav Traaen: Vil ha skiflyging i kombinert auf nrk.no. Erschienen am 2. Februar 2010. Abgerufen am 12. März 2011.
  29. a b Florian A. Lehmann: Skifliegen – selbst für Ammann ein Stress auf bernerzeitung.ch. Erschienen am 19. März 2010. Abgerufen am 14. Juni 2011.
  30. a b Melanie Haack: Skiflieger riskieren neue Rekordjagd auf welt.de. Erschienen am 6. Februar 2011. Abgerufen am 20. März 2011.
  31. V-Stil: Revolution im Skispringen auf wissenswertes.at. Abgerufen am 20. März 2011. „Durch die V-Stil-Technik veränderte sich auch das Skifliegen. Es war mit klassischen Skier etwas Besonders, über 190 Meter zu fliegen. Mit dem V-Stil wurde der Rekord auf 239 Meter hinaufgeschraubt.“
  32. Im Flug wie Fische auf spiegel.de. Erschienen am 31. März 1969 im deutschen Nachrichtenmagazin Der Spiegel. Abgerufen am 20. März 2011.
  33. "Adler" jagen den Weltrekord auf heute.at. Erschienen am 23. Februar 2011. Abgerufen am 14. Juni 2011.
  34. Kranjec überrascht im ersten Bewerb am Kulm auf derstandard.at. Erschienen am 9. Januar 2010. Abgerufen am 20. März 2011.
  35. Oberstdorf: Österreichs "Adler" gewinnen Teambewerb auf diepresse.com. Erschienen am 30. Januar 2010. Abgerufen am 20. März 2011.
  36. a b c Maik Großekathöfer: Mit schlotternden Knien auf spiegel.de. Erschienen am 24. Februar 2001 im deutschen Nachrichtenmagazin Der Spiegel. Abgerufen am 20. März 2011.
  37. Internationale Skiwettkampfordnung (IWO) – Band III: Skispringen (Ausgabe 2008) auf fis-ski.com. Paragraph 454: Skiflugwettkämpfe. Seite 75f. Aktualisierte Version vom Juni 2011, in der ausschließlich veränderte Paragraphen wiedergegeben sind. Abgerufen am 25. Juni 2011.
  38. a b Reglement für den FIS Weltcup Skispringen (Herren) auf fis-ski.com. Abgerufen am 25. Juni 2011.

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