Singvogel

Singvogel
Singvögel
Tigerwaldsänger (Dendroica tigrina)

Tigerwaldsänger (Dendroica tigrina)

Systematik
Reihe: Landwirbeltiere (Tetrapoda)
Klasse: Vögel (Aves)
Ordnung: Sperlingsvögel (Passeriformes)
Unterordnung: Singvögel
Wissenschaftlicher Name
Passeri

Die Singvögel (Passeri oder auch Oscines) sind in der Ornithologie eine Unterordnung der Sperlingsvögel (Passeriformes). Die größte Art ist mit über 60 cm Körperlänge der Kolkrabe.

Inhaltsverzeichnis

Anatomie

Der Körper der Singvögel ist auf das Fliegen und somit eine schnelle Fortbewegung in der Luft ausgerichtet. Zudem ist ihr Körperbau auch auf das Singen spezialisiert.

Das Skelett ist sehr leicht und trotzdem stabil gebaut. Viele Knochen, darunter auch der kräftige Schnabel, sind innen hohl, so dass in sie Ausstülpungen der Luftsäcke hineinragen. Sie werden deshalb „pneumatisierte Knochen“ genannt. Die schweren Körperteile, vor allem Flug- und Beinmuskeln, liegen eng am Brustkorb und an der Wirbelsäule an, so dass der Vogel im Flug sehr gut das Gleichgewicht halten kann.

Die Flugmuskulatur mit ihrem äußerst aktiven Stoffwechsel gilt als effizienteste Skelettmuskulatur aller Wirbeltiere. Jedoch verbrennt ein Singvogel im Flug 15 Mal so viel Energie wie im Ruhezustand.

Die Lungen sind etwa zehn Mal leistungsfähiger als bei etwa gleich großen Säugetieren, aber auch erheblich kleiner. Auch in großen Höhen können sie noch Sauerstoff entnehmen. Von den Lungen aus erstrecken sich mehrere Luftsäcke in den Bauchraum zwischen die großen Flugmuskeln und andere Körperteile. Diese sind direkt oder indirekt mit den Bronchien verbunden und nehmen bis zu einem Fünftel des Körpervolumens ein. Der Kanarengirlitz atmet durch Heben und Senken des Brustbeins. Die Luftsäcke sorgen vor allem für Kühlung, damit die Muskeln des Vogels nicht „überhitzen“. Zudem dienen sie als Luftreservoir und helfen beim Druckausgleich. Außerdem verringert sich durch die Luftsäcke das spezifische Gewicht des Vogels.

Der Gesang der Singvögel wird im unteren Kehlkopf (Syrinx), wo sich die Luftröhre in die beiden Hauptbronchien gabelt, gebildet. Beim Singen reckt das Männchen seinen Hals, holt tief Luft und singt aus „voller Kehle“. Die Töne werden erzeugt, indem Membranen angespannt und in Schwingungen versetzt werden. Das geht nur beim Ausatmen.

Dass Kanarien scheinbar ohne zwischendurch Luft zu holen weitersingen können, liegt daran, dass sie rasch und schwingend mit einer Frequenz von 25 pro Sekunde Luft ausstoßen. Indem sie die beiden Membranen an ihrem Stimmorgan, der Syrinx, unabhängig voneinander schwingen lassen, könnten sie im Duett mit sich selbst singen.

Sinnesleistungen

Singvögel haben einen Gesichtskreis von 300° bis 320°, da sie ihre seitlich gelegenen Augen unabhängig voneinander in verschiedene Richtungen bewegen können. Mit diesem Gesichtskreis sind sie in der Lage, alles das wahrzunehmen, was vor ihnen, seitlich und schräg hinter ihnen passiert. Singvögel vermögen Farben zu unterscheiden. Im Dunkeln können sie jedoch nichts mehr erkennen.

Das Hörvermögen der Singvögel ist sehr ausgeprägt. Die untere Hörgrenze liegt bei 1500 Hz und die obere bei 29000 Hz. Manche Vertreter dieser Unterordnung können zudem sehr schnelle Tonfolgen unterscheiden, im Gedächtnis speichern und wiedergeben. Das Tonunterscheidungsvermögen der Singvögel ist so ausgeprägt, dass sie zwei Töne unterscheiden können, die nur um 0,3 Prozent in der Höhe abweichen. Zudem können sie auf etwa 20° genau erkennen, woher ein Ton kommt.

Singvögel haben ein empfindliches Gleichgewichtsorgan mit Sitz im Innenohr. Sie können auf dünnen Ästen und in der Luft das Gleichgewicht halten.

Nicht besonders gut ausgeprägt ist ihr Geruchssinn und damit ihr Geschmackssinn. Ob Nahrung zum Verspeisen geeignet ist, entscheiden nach den Augen Tastkörperchen an den Schnabelrändern. Wenn auch nicht besonders gut, so können Singvögel doch schmecken. Außerdem haben nicht alle artgleichen Singvögel denselben Geschmack.

Systematik

Die Singvögel sind mit über 90 beschriebenen Familien und etwa 4000 Arten das umfangreichste Taxon der Vögel. Ihre innere Systematik lag lange Zeit im Dunkeln und ist noch heute umstritten. Sibley und Alquist veröffentlichten 1990 eine auf DNA-Hybridisierung beruhende neue Vogelsystematik [1] in der sie die Singvögel in zwei Untergruppen teilten, die sie Parvorder nannten. Die Parvorder waren die "Corvoidea", benannt nach den Rabenvögeln (Corvidae) und die "Passerida", die nach den Sperlingen (Passeridae) benannt wurden. Zu den "Corvoidea" zählten, neben den Rabenvögeln, vor allem im Australoasiatischen Raum lebende Familien, die größer werdende Arten enthalten, zu den "Passerida" eher klein bleibende Singvogelfamilien, wie Finken, Meisen, Drosseln und andere. Die Sibley-Ahlquist-Taxonomie wurde allerdings wegen methodischer Schwächen heftig kritisiert und konnte sich nicht durchsetzen.

Durch eine Reihe von phylogenetischen Untersuchungen auf molekulargenetischer Grundlage in den letzten Jahren wurde nachgewiesen das die Parvorder "Corvoidea" kein Monophylum ist, sondern neben einem "Core Corvoidea" genannten Kern auch die im Stammbaum der Singvögel basal stehenden Familien enthält. Die "Passerida" sind dagegen eine monophyletische, d.h. von einem gemeinsamen Vorfahren abstammende und all dessen Nachkommen enthaltende Gruppe.

Der Ursprung der Singvögel scheint in der späten Kreidezeit (ermittelt mit Hilfe der molekularen Uhr) im australisch-ozeanischen Raum zu liegen, da nur dort die basalen Familien vorkommen. Nachdem sich Australien im Zuge der Kontinentaldrift Südostasien genähert hatte, breiteten sie sich nach Norden aus. Die "Passerida" sind das Ergebnis einer Radiation von Singvögeln auf den Nordkontinenten. [2] [3] [4]

Die basalen australisch-ozeanischen Gruppen

Alle basalen Familien der Singvögel sind in Australien, Neuguinea und den naheliegenden Inseln östlich der Wallace-Linie endemisch oder nur mit wenigen Arten darüber hinaus verbreitet. Sie sind relativ artenarm. [4]

Graurücken-Leierschwanz (Menura novaehollandiae)
Prachtstaffelschwanz (Malurus cyaneus), Pärchen

Die restlichen "Corvoidea"

Die übrigen "Corvoidea" bilden eine monophyletische Einheit.

Raggi-Paradiesvogel (Paradisaea raggiana)
Eichelhäher
(Garrulus glandarius)

Zwei weitere Familien stehen zwischen "Corvoidea" und Passerida

Die "Passerida"

Rauchschwalbe
(Hirundo rustica)
Seidenschwanz
(Bombycilla garrulus)
Rotkehlchen
(Erithacus rubecula)
Buchfink
(Fringilla coelebs palmae)

Die "Passerida" sind wahrscheinlich eine monophyletische Gruppe, die weit artenreicher ist als alle basalen und "Corvoidea"-Familien zusammen. Mit Ausnahme des Pirols (Oriolus oriolus), der Würger und der Rabenvögel gehören alle europäischen Singvögel zu den "Passerida".

Einzelnachweise

  1. Sibley & Ahlquist (1990): Phylogeny and classification of birds. Yale University Press, New Haven, Conn.
  2. Ericson, P. G. P., L. Christidis, A. Cooper, M. Irestedt, J. Jackson, U. S. Johansson, & J. A. Norman. 2002. A Gondwanan origin of passerine birds supported by DNA sequences of the endemic New Zealand wrens. Proceedings of the Royal Society of London Series B 269:235–241. PDF
  3. F. Keith Barker, Alice Cibois, Peter Schikler, Julie Feinstein< & Joel Cracraft: Phylogeny and diversification of the largest avian radiation. PNAS, July 27, 2004, Vol. 101, no. 30, PDF
  4. a b F. Keith Barker, George F. Barrowclough & Jeff G. Groth: A phylogenetic hypothesis for passerine birds: taxonomic and biogeographic implications of an analysis of nuclear DNA sequence data. Proc. R. Soc. Lond. B (2002) PDF
  5. Fleischer, Robert C.; Helen F. James; Storrs L. Olson: Convergent Evolution of Hawaiian and Australo-Pacific Honeyeaters from Distant Songbird Ancestors. Current Biology (Cell Press) 18 (24), 2008: S. 1927-1931. Abstract.

Literatur

  • Jürgen Nicolai, Einhard Bezzel: Singvögel. Die wichtigsten Arten Europas bestimmen, kennenlernen, schützen. Gräfe und Unzer, München 1999, ISBN 3-7742-3159-1
  • John P. S. Mackenzie: Vögel der Welt: Singvögel. Parkland, Köln 1997, ISBN 3-88059-874-6
  • Harald Fuchs: Zum Singen geboren. Der Gesang der Vögel am Beispiel des Kanarienvogels. Rainar Nitzsche Verlag, ISBN 3-930304-24-4

Weblinks


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