Sinaida Hippius

Sinaida Hippius
Leon Bakst Porträt von Hippius, 1906
Sinaida Hippius, Fotografie, um 1910

Sinaida Nikolajewna Hippius (Gippius) (russisch: Зинаида Николаевна Гиппиус; wiss. Translit.: Zinaida Nikolaevna Gippius; * 8. Novemberjul./ 20. November 1869greg. in Beljow bei Tula; † 9. September 1945 in Paris) war eine russische symbolistische Lyrikerin und Autorin. Sie wurde 1869 als Kind einer deutschstämmigen Familie (von Hippius) in Beljow, einem kleinen Ort im russischen Oblast Tula geboren.

Sie war seit 1888 verheiratet mit dem Philosophen Dmitri Sergejewitsch Mereschkowski. Ihre Verbindung dauerte, obwohl angeblich nicht physisch vollzogen, 52 Jahre. Sie veröffentlichte auch unter dem Pseudonym Anton Krainy.

Inhaltsverzeichnis

Emigration

Hippius und Mereschkowski waren Anhänger der russischen Revolution 1905 und der Februarrevolution 1917, von der sie eine demokratische und freiheitliche Entwicklung Russlands erhofften. Sie lehnten aber als Parteigänger Kerenskis die Machtergreifung der Bolschewiki im November 1917 ab und hofften vergeblich auf eine Intervention der britischen Flotte bei St.Petersburg. Sinaida Hippius hat diese Zeit in einem wenig später auszugsweise veröffentlichten Tagebuch festgehalten. Als die Niederlagen Kolschaks (in Sibirien) und Denikins (in Südrussland) deutlich machten, dass eine politischen Entwicklung in dem gewünschten Sinn aussichtslos schien, beschloss das Paar zu emigrieren. Am 24. Dezember 1919 verließen die Eheleute mit ihrem Freund Dmitri Filossofow und ihrem Sekretär Wladimir Slobin Petersburg, angeblich um Lesungen vor Soldaten der Roten Armee in Gomel abzuhalten, während sie in Wirklichkeit auf von Polen besetztes Gebiet flohen und sich eine Weile in Minsk und Warschau niederließen. Hier lasen sie vor russischen Emigranten und verfassten politische Pamphlete.

Leben und Werk

Lange Zeit stand Hippius im Schatten ihres Mannes, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Westeuropa den Prototyp des russischen Autors verkörperte und sogar als Kandidat für den Literaturnobelpreis gehandelt wurde. Wie viele andere Schriftstellergattinnen stellte sie ihre eigenen Bedürfnisse zurück, um ihren Mann zu unterstützen. Bei Hippius war sich allerdings die Kritik einig, dass sie viel interessanter und ansprechender als ihr Gatte schreibe.

Überall, wo das Paar sich länger aufhielt, eröffnete es einen Literarischen Salon und wurde bald zum Mittelpunkt eines Kreises junger Schriftstellertalente.

Hippius war eine streitbare Intellektuelle, die sich vor dezidierten ästhetischen Urteilen nicht scheute. Ihre Artikel unterschrieb sie entweder mit einem Pseudonym oder mit S. Hippius, um das Geschlecht des Autors nicht zu benennen - von der Frauenbewegung hielt sie nicht viel, der neue Mensch war ihr Thema, nicht die neue Frau. Sie spielte mit den Geschlechterrollen und inszenierte und mythologisierte sich so, dass hinter diesen Bildern kein Original mehr zu entdecken war. In ihrem Leben vermochte sie Paradoxien zu vereinigen: Sie war eine traditionelle Ehefrau, die ihren Mann förderte und unterstützte, lehnte aber Sinnlichkeit und Sexualität ab.

Als Symbol dieser neuen Erotik galt ihr der Kuss, der in der Tierwelt nicht existiert und deshalb die Erhebung über das animalische Kopulieren anzeigt. Die meiste Zeit lebte das Ehepaar in einer ménage à trois, zunächst mit dem homosexuellen Publizisten Dmitri Filossofow, der ihnen allerdings nicht ins Pariser Exil folgte und im unabhängigen Polen blieb. Später übernahm der junge Dichter Wladimir Slobin diese Rolle, der allerdings von Hippius nicht als gleichberechtigt anerkannt wurde.

Die Tragödie einer Schriftstellerin, im Exil zu leben und zu arbeiten, bildete eine Konstante im weiteren Werk von Hippius. Im Exil veröffentlichte sie verschiedene Arbeiten, die bereits in Russland erschienen waren. Eine Sammlung von Kurzgeschichten erschien unter dem Titel Nebesnie slowa 1921 in Paris, ein Band mit Gedichten Gedichte: Tagebuch 1911-1912 1922 in Berlin, und in München erschien ein Band der vier Autoren (Mereschkowski, Hippius, Filosofow und Slobin) Tsarstwo Antichrista (Das Königreich des Antichristen), in dem die beiden ersten Teile der Petersburger Tagebücher zum ersten Mal veröffentlicht wurden, und mit einem einführenden Artikel von Hippius Die Geschichte meines Tagebuchs.

Literatur

  • Temira Pachmuss: Zinaida Hippius. An Intellectual Profile. Southern Illinois University Press u. a., Carbondale IL u. a. 1971, ISBN 0-8093-0409-0
  • Ursula Keller, Natalja Sharandak: Sinaida Gippius: Madonna der Décadence. In: Ursula Keller, Natalja Sharandak: Abende nicht von dieser Welt. St. Petersburger Salondamen und Künstlerinnen des Silbernen Zeitalters. Grambin u. a., Berlin 2003, ISBN 3-932338-18-9, S. 32–61, Textauszug.
  • Christa Ebert: Sinaida Hippius. Seltsame Nähe. Ein Porträt. Oberbaum Verlag, Berlin u. a. 2004, ISBN 3-933314-80-1.

Werke

  • Between Paris and St. Petersburg Selected Diaries of Zinaida Hippius. (Hrsg. v. Temira Pachmuss). Chicago 1975
  • Stichotvorenija (Hrsg. v. A.V. Lavrov). St. Petersburg 1999
  • Gedichte. 1938.
  • Des Teufels Puppe - eine Lebensbeschreibung in 33 Kapiteln. Aus dem Russischen von Arthur Luther. München 1912.
  • Sinaida Hippius: Petersburger Tagebuch - Schicksale im 20. Jahrhundert. Aufbau Verlag, Berlin 1993.
  • Sinaida Hippius: Verschiedener Glanz. Oberbaumverlag, Berlin 2002. ISBN 3928254111
  • Sinaida Hippius, Bettina Eberspächer: Literarische Porträts. Oberbaum Verlag, Berlin, erscheint im September 2008. ISBN 3933314798
  • Bettina Eberspächer (Hrsg): Sinaida Hippius, Tagebücher Bd. 1: 1914-1917. Oberbaum Verlag, Berlin, erscheint im September 2008. ISBN 3933314763
  • Bettina Eberspächer (Hrsg): Sinaida Hippius, Tagebücher Bd. 2: 1917-1919. Oberbaum Verlag, Berlin, erscheint im September 2008. ISBN 3933314771
  • Bettina Eberspächer (Hrsg): Sinaida Hippius, Tagebücher Bd. 3: 1919. Oberbaum Verlag, Berlin 2004. ISBN 393331478X

Quellen

Weblinks

 Commons: Zinaida Gippius – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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