Siegauentunnel

Siegauentunnel
Südportal des Siegauentunnels mit Trogbauwerk

Der Siegauen-Tunnel ist ein zweigleisiger Tunnel der Schnellfahrstrecke Köln–Rhein/Main. Seine Errichtung gilt als die schwierigste der ganzen Neubaustrecke.[1] Er unterquert dabei die Aue der Sieg und trägt daher seinen Namen.

Der Tunnel zählt zum 5120 m langen Bauabschnitt 2.4 der Neubaustrecke, der im Mai 1998 von der DB ProjektBau in funktionaler Leistungsausschreibung an die Ed Züblin AG vergeben wurde.[2]

Inhaltsverzeichnis

Verlauf

Das Nordportal des Tunnels befindet sich bei 50° 47′ 2″ N, 7° 12′ 57″ O50.7838888888897.21580555555567Koordinaten: 50° 47′ 2″ N, 7° 12′ 57″ O, das Südportal bei 50° 45′ 44″ N, 7° 13′ 31″ O50.7623472222227.22536944444457.

Die Röhre durchfährt, von Nord nach Süd, die Siegaue, die Sieg, den Stadtkern von Niederpleis − mit dem Gemeindezentrum Sankt Martinus, einer Pfarrkirche und einem Friedhof −, die A 560 und die Pleisbachaue zwischen Siegburg und Sankt Augustin.[2]

Der Tunnel hat eine Länge von 2502 Metern. An die Röhre schließen sich nördlich 491 Meter und südlich 463 Meter lange Trogbauwerke an. Der Tunnel hat eine Höhe von 8 Metern und eine Breite von 12,30 Metern. Seine tiefste Stelle erreicht er unter der A 560, seine größte Überdeckung mit 14 Metern unter der Kirche St. Martinus. Nach dem Tunnelbau festgestellte Risse im Bauwerk wurden den Untergrundarbeiten zugeschrieben. Der Tunnel wurde im Jahre 2000 fertiggestellt. Für seinen Bau wurde die Sieg vorübergehend verlegt. Das provisorische Flussbett wurde später in die Renaturierungsmaßnahmen einbezogen.

Die Röhre nimmt zwei Gleise in Fester Fahrbahn auf. Im nördlichsten Tunnel der Neubaustrecke liegt die zulässige Geschwindigkeit im nördlichen Bereich bei 250 km/h, im südlichen Abschnitt bei 300 km/h.

Nördlich der Röhre endet die Neubaustrecke mit dem Bahnhof Siegburg/Bonn. Südlich des Bauwerks trifft die Strecke auf die Bundesautobahn 3, deren Verlauf sie bis Frankfurt Flughafen weitgehend folgt.

Geologie

Der Tunnel liegt im Übergangsbereich von Kölner Bucht und Mittelrheingebiet, im Übergang der Sieg-Neiderung in das Pleiser Hügelland. Unterfahren werden im Wesentlichen Bodenschichten von Auffüllungen (überwiegend Kies und Sand, nicht künstlich), quartäre (überwiegend schluffige Kiese und Sande) und tertiäre (mit unterschiedlich hohen Feinsandanteilen sowie bis zu ein Meter dicken Bändern von Braunkohle) Schichten.[2]

Geschichte

Hintergrund

Der Tunnel war in der ursprünglichen Planung nicht vorgesehen und geht auf örtliche Forderungen zurück. Anfänglich sollte an seiner Stelle nur eine Brücke gebaut werden. Im Rahmen der am 27. Mai 1997 beschlossenen Konsens-Trasse zwischen Regierungsbezirk, Kreis, Gemeinden und der DB ProjektBau wurde die Röhre nochmals um 1027 m verlängert und die Trasse tiefergelegt.[1]

Im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens wurde der Tunnel zweimal verlängert. Damit wurden, nach Bahnangaben, u. a. die ursprünglich ermittelten Eingriffe in die Pleisbachaue minimiert.[3]

Bau

Auf einer Länge von 2132 m wurde der Tunnel in offener Bauweise errichtet. Südlich der Sieg-Unterquerung wurde ein 370 m langer Abschnitt, unterhalb des Stadtkerns von Niederpleis (Unterquerung A 560 bis hinter der Straße Am Kirchenberg[3]), in bergmännischer Bauweise (Ulmenstollenvortrieb) vorgetrieben.[2]

Mittels eines Pilotstollens von 2,8 m Durchmesser und 355 m Länge wurde im Vortriebsbereich das Grundwasser um bis zu fünf Meter abgesenkt. Trotz dieser Maßnahme führte der hohe Wasserdruck unter der A 560, in Verbindung mit einer undichten Spundwand, zur Bildung eines Hohlraumes, in dessen Folge sich ein handgroßes Stück Beton gelöst hatte und Wasser und Sand in die Tunnelröhre eindrangen. Dadurch musste die Fernstraße für vier Tage gesperrt werden. Es war der einzige Wassereinbruch der 30 Tunnelbaustellen.[4] Mit flüssigem Stickstoff wurde das Wasser im Erdreich verfestigt. Die -196 Grad Celcius kalte Substanz wurde durch Rohre gepumpt und vereiste das umgebende Erdreich und Wasser. Der Boden konnte daraufhin mit Baggern abgetragen werden. Insgesamt wurden 1,5 Mio. m³ flüssiger Stickstoff aufgewendet.[5][6]

Der Siegauentunnel ist darüber hinaus die einzige Röhre der Neubaustrecke, bei der ein Druckluftverfahren, auf einer Länge von 155 Metern, zur Anwendung kam; der Druck in der Röhre wurde dabei um bis zu ein Bar erhöht, um das umgebende Grundwasser zurückzuhalten.[5][4]

Am 28. September 2000 erfolgte am Siegauentunnel der letzte Durchstich eines in bergmännischer Bauweise errichteten Tunnels der Schnellfahrstrecke.[7]

Die 14 bis 23 Meter tiefen und rund 17 Meter breiten Baugruben konnten aufgrund Platzmangels zumeist nicht geböscht angelegt werden. Im Bereich des quartiären Kieses und Sandes wurde ein wasserdichter Verbau mit Rückverankerungen durchgeführt. In tertiären Tonen erfolgte die Ausführung eines wasserdurchlässigen Verbaus, der ausgesteift war, da das Risiko von Erdankern als zu hoch bewertet wurde. [2]

Der Tunnelausbruch wurde im Oktober 2000 abgeschlossen, Innenschale und Fahrbahn im Frühjahr 2001 fertiggestellt.[2]

Insgesamt verbaut wurden rund 175.000 m³ Beton, etwa 19.000 t Bewehrungsstahl, rund 16.000 m² Spundwände, zirka 30.000 m² Rammträgerverbau, etwa 26.000 m² Pfahlwände. Für einen Bahndamm wurden rund 150.000 m³ Boden verwendet.[2] Ein Teil des Tunnelaushubs wurde entlang der A 3 ausgeschüttet und anschließend begrünt.[3]

Siegquerung

Die Unterquerung der Sieg, auf einer Länge von etwa 50 Metern, erfolgte in zwei Phasen: In einem ersten Schritt wurden die Baugruben von Norden und Süden untermittelbar bis an das Flussbett geführt. Zu ihrer Absicherung wurden wasserundurchlässige Spundwände errichtet. Nach der Fertigstellung von vier Tunnelblöcken nördlich der Sieg wurde dieser Abschnitt mittels Querschotts abgedichtet, die Baugrube wiederverfüllt und die Sieg über diesen Abschnitt umgeleitet. Das ursprüngliche Flussbett wurde anschließend durch die Aufschüttung einer Arbeitsebene eingeengt. Im Anschluss wurden ebenfalls Spundwände errichtet und die Baugrube ausgehoben. Nach Fertigstellung der Röhre im Querungsbereich wurde das Flussbett der Sieg in seiner ursprünglichen Form wiederhergestellt. Die Oberkante des Verbaus wurden für die maximale Flusshöhe der Sieg in den letzten zehn Jahren zuzüglich einer Sicherheitsreserve von 50 cm erstellt.[2]

Der provisorische Flusslauf wurde von Fachleuten dem natürlichen Strömungsverhalten der Sieg nachempfunden und den vorkommenden Tier- und Pflanzenarten angepasst.[3]

Bergmännischer Abschnitt

Als schwierigster Abschnitt des Tunnels gilt der bergmännisch vorgetriebe Abschnitt unter der A 560 und dem Gemeindezentrum (Bau-Km 27,220 bis 27,590). In einem ersten Schritt wurde hier ein Pilotstollen von 2,8 m Durchmesser oberhalb der zukünftigen Tunnelröhre vorgepresst, wobei im Querungsbereich mit dem Staukanal DN 2200 eine offene Bauweise erforderlich war.[2]

Ursprünglich war geplant, die A 560 mit einer mehrere Meter starken Deckelvereisung bergmännisch zu unterfahren. Auf dieses Verfahren konnte, nach Abstimmung der Beteiligten, verzichtet werden. Stattdessen kam eine weniger aufwändigere Deckelbauweise zum Einsatz. Während der Errichtung des Deckels wurde je eine Fahrbahn der zweispurigen Autobahn auf die jeweils andere Seite umgelegt. Nach Wiederherstellung beider Fahrbahnen und einem Voraushub von etwa drei Meter Höhe, wurde der Tunnelquerschnitt vollständig ausgehoben.[2]

Im folgenden Abschnitt (150 m), unterhalb des Gemeindezentrums und der Kirche, kam ein bergmännischer Vortrieb unter Druckluft zur Anwendung. Ein Überdruck von 0,8 bis 0,9 bar wurde von einer Teilabsenkung des Grundwassers mittels Vakuumtiefbrunnen begleitet. Über den Pilotstollen und weitere Großbrunnen, die auf dem Vorplatz der Kirche hergestellt worden waren, konnte keine ausreichende Entwässerung für den geplanten, konventionellen Vortrieb von Nord und Süd erreicht werden. Abdichtungsmethoden, beispielsweise HDI-Verfahren oder Vereisungsschirme, schieden aufgrund ungünstiger Randbedingungen aus. Der Druckluftvortrieb erfolgte, ausschließlich von Süden, zwischen November 1999 und März 2000.[2]

Im nächsten Abschnitt (220 m), in dem u. a. das Gemeindezentrum und der Friedhof unterfahren wird, kam ein bergmännischer Vortrieb mit Grundwasserabsenkung über den Pilotstellen zur Anwendung. Stellenweise wurden Injektionen vorgenommen, um Setzungen zu vermeiden.[2]

Sicherheitskonzept

An beiden Portalen wurden Rettungsplätze und Notausstiege platziert.[3]

Der Tunnel verfügt darüber hinaus über zwei Notausgänge bei 50° 46′ 15″ N, 7° 13′ 18″ O50.7709722222227.22155555555567 und 50° 46′ 32″ N, 7° 13′ 11″ O50.7756944444447.21986111111117, die über Treppenschächte zu Rettungsplätzen ins Freie führen. Vor der Inbetriebnahme der ICE-Neubaustrecke wurde am 24. Mai 2002 eine großangelegte Rettungsübung im Tunnel bei Kilometer 28,8 durchgeführt, an der ca. 1000 Feuerwehrleute, Sanitäter und Polizeibeamte teilnahmen. Simuliert wurde ein ICE-Brand im Tunnel, bei dem zirka 300 Personen zu retten waren.

Einzelnachweis

  1. a b Ohne Autor: Das Planungsstadium. In: Eisenbahn JOURNAL: Tempo 300 − Die Neubaustrecke Köln–Frankfurt. In: Eisenbahn Journal, Sonderausgabe 3/2002, ISBN 3-89610-095-5, S. 12–17
  2. a b c d e f g h i j k l Christian Sänger, Stefan Hofmann: Mit Hochdruck unter der Sieg. In: DB ProjektBau GmbH, Frankfurt (Hrsg.): Neubaustrecke Köln–Rhein/Main. Brücken und Tunnel. Ohne ISBN, S. 50–59
  3. a b c d e DBProjekt GmbH Köln–Rhein/Main, Projektleitung (Hrsg.): Neubaustrecke Köln–Rhein/Main: Bauabschnitt Nord: Köln–Sankt Augustin, Broschüre (18 Seiten), Frankfurt am Main, Februar 2000, S. 5, 13, 14
  4. a b Ein Jahrzehnt für 58 Minuten. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12. Juli 2001, S. 9
  5. a b Ohne Autor: Das Projekt Neubaustrecke Köln–Rhein/Main. In: Eisenbahn JOURNAL: Tempo 300 − Die Neubaustrecke Köln–Frankfurt. In: Eisenbahn Journal, Sonderausgabe 3/2002, ISBN 3-89610-095-5, S. 34–63
  6. Meldung Umweltfreundliche Bodenvereisung mit Flüssigstickstoff. In: Eisenbahntechnische Rundschau. 49, Nr. 4, 2000, S. 256
  7. Ohne Autor: Zeittafel − Chronologie einer Strecke. In: Eisenbahn Journal, Sonderausgabe 3/2002, ISBN 3-89610-095-5, S. 86 f.

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