Sicherheitsbehörde (Österreich)

Sicherheitsbehörde (Österreich)

In Österreich sind die Sicherheitsbehörden für die Sicherheitsverwaltung zuständig. (Im Unterschied zu Deutschland handelt es sich um Bundesorgane.) Der Sammelbegriff Sicherheitsverwaltung umfasst innenpolitisch besonders sensible Verwaltungsangelegenheiten, die den Sicherheitsbehörden durch § 2 Sicherheitspolizeigesetz (SPG) übertragen worden sind.

Inhaltsverzeichnis

Gliederung

Sicherheitsverwaltung

  • Die Sicherheitspolizei (eine staatliche Aufgabe, nicht Name einer Behörde!) besteht aus der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit und aus der ersten allgemeinen Hilfeleistungspflicht (siehe unten). Zur Sicherheitspolizei zählen vor allem die Exekutivorgane der Sicherheitsbehörden (siehe unten), die uniformiert und bewaffnet als „die Polizei“ in öffentliche Erscheinung treten (und bis vor wenigen Jahren in bestimmten Städten offiziell Sicherheitswache bzw. ansonsten Gendarmerie genannt wurden). Der Dienst im Sinne der Strafjustiz (Kriminalpolizei) zählt nicht zur Sicherheitspolizei (iSD §3 SPG).
  • Die Sicherheitsverwaltung (als staatliche Aufgabe) besteht neben der Sicherheitspolizei aus dem Pass- und dem Meldewesen, der Fremdenpolizei, der Überwachung des Eintrittes in das Bundesgebiet und des Austrittes aus ihm, dem Waffen-, Munitions-, Schieß- und Sprengmittelwesen sowie aus dem Pressewesen und den Vereins- und Versammlungsangelegenheiten.

Sicherheitsbehörden

Die Sicherheitsverwaltung obliegt folgenden Sicherheitsbehörden:

  • Bundesministerium für Inneres: Der Bundesminister für Inneres trägt die oberste Verantwortung für die innere Sicherheit.
    • Sicherheitsdirektionen (eine pro Bundesland): Sie unterstehen dem Innenminister, leiten die Arbeit der Sicherheitsverwaltung im jeweiligen Bundesland und halten dazu ständigen Kontakt mit der jeweiligen Landesregierung.
      • Bundespolizeidirektionen: Sie unterstehen der jeweiligen Sicherheitsdirektion (in Wien ist der Sicherheitsdirektor zugleich Polizeipräsident) und sind derzeit (inkl. Wien) in 14 Städten eingerichtet.
      • Bezirkshauptmannschaften: Die Bezirkshauptleute werden von der jeweiligen Landesregierung bestellt und verwalten im betreffenden politischen Bezirk Agenden der mittelbaren Bundesverwaltung (mittelbar: der Bund verwaltet nicht durch seine eigenen Organe) ebenso wie Landesagenden. Ihnen sind auch sicherheitsbehördliche Aufgaben übertragen, die sie mit Hilfe der Posten der Bundespolizei in ihrem Bezirk erfüllen. Für die Teile der Sprengel von Bezirkshauptmannschaften, die zum örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeidirektion gehören (Stadtgemeinde Leoben im Bezirk Leoben und Stadtgemeinde Schwechat samt Flughafen im Bezirk Wien-Umgebung) ist die Bundespolizeidirektion Sicherheitsbehörde 1. Instanz.
      • Bürgermeister: In Krems und Waidhofen an der Ybbs, dies sind jene Statutarstädte, die nicht zum örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeidirektion gehören, ist der Bürgermeister als Bezirksverwaltungsbehörde Sicherheitsbehörde 1. Instanz. Der Bürgermeister ist in allen Gemeinden Fundbehörde sowie Meldebehörde. In Gemeinden, die zum Wirkungsbereich einer Bundespolizeidirektion gehören, ist der Bürgermeister auch Passbehörde. Bis 2003 war in solchen Gemeinden sowohl für Pass- und Meldewesen als auch als Fundbehörde die Bundespolizeidirektion zuständig.

Mitarbeiter

Exekutivbedienstete

Als Exekutivbedienstete (EB) werden Beamte oder Vertragsbedienstete bezeichnet, welche Exekutivdienste verrichten. Dies sind meist Angehörige der Wachkörper Bundespolizei und Justizwache, aber auch z. B. Angehörige des EKO Cobra oder der Flugpolizei. Exekutivbediensteter ist gemäß dem Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 ein Amtstitel. Zusätzlich trägt jeder EB einen Dienstgrad als Verwendungsbezeichnung.

Der Begriff des EB ist der Nachfolger der Bezeichnungen Wachmann (eigentlich Sicherheitswachebeamter aus dem Bereich des Bundessicherheitswachekorps) sowie des Gendarmen (eigentlich Gendarmeriebeamter aus dem Bereich der Bundesgendarmerie).

Angehörige des rechtskundigen Dienstes

Neben Vertragsbediensteten und Angehörigen des Wachkörpers Bundespolizei verrichten vor allem Beamte des rechtskundigen Dienstes, sogenannte Polizeijuristen, Dienst in den Sicherheitsdirektionen und Bundespolizeidirektionen. Sie sind Uniformträger, haben aber das Recht, ihren Dienst auch in Zivil zu verrichten. Ihre Amtstitel lauten:

  • Kommissär
  • Oberkommissär
  • Rat
  • Oberrat
  • Hofrat

Darüber hinaus gibt es noch die folgenden Verwendungsbezeichnungen:

  • Polizeidirektor: Leiter einer Bundespolizeidirektion außerhalb Wiens
  • Polizeivizepräsident: Stv. Leiter der Bundespolizeidirektion Wien
  • Polizeipräsident: Leiter der Bundespolizeidirektion Wien

In Wien sind die Polizeijuristen vor allem in den Polizeikommissariaten (PK) eingesetzt, wo sie als Referenten für strafrechtliche Vorgänge oder Verwaltungsakte tätig sind. Der Leiter eines PK, ebenfalls Polizeijurist, wird als Stadthauptmann bezeichnet. Weibliche Stadthauptleute sind gemäß Verfassung berechtigt, ihre Verwendungsbezeichung in weiblicher Form zu führen, doch wird derzeit die Anrede „Frau Stadthauptmann“ dem ungewohnten Titel „Stadthauptfrau“ vorgezogen.

Aufgaben und Befugnisse

Aufgaben der Sicherheitsbehörden und Exekutivorgane

Erste Allgemeine Hilfeleistungspflicht

Sind Leben, Gesundheit, Freiheit oder Eigentum von Menschen gegenwärtig gefährdet oder steht eine solche Gefährdung unmittelbar bevor, so trifft die Sicherheitsbehörden die erste allgemeine Hilfeleistungspflicht. Wenn Grund zur Annahme einer solchen Gefährdung besteht, sind die Sicherheitsbehörden verpflichtet festzustellen, ob diese auch tatsächlich besteht und haben bejahendenfalls die Gefahr abzuwehren, wobei sie auch Rettung und Feuerwehr zu Hilfe rufen können.

Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung

  • Den Sicherheitsbehörden obliegt:
    • die Abwehr allgemeiner Gefahren; sie haben gefährlichen Angriffen unverzüglich ein Ende zu setzen (Gefahrenabwehr);
    • der besondere Schutz (vorbeugender Schutz)
      • von Menschen, die sich selbst nicht ausreichend schützen können;
      • der verfassungsmäßigen Einrichtungen und ihrer Handlungsfähigkeit (vgl. Bundesheer);
      • der Vertreter ausländischer Staaten, internationaler Organisationen und anderer Völkerrechtssubjekte
      • von Sachen, die gewahrsamsfrei geworden sind (die Entgegennahme, Aufbewahrung und Ausfolgung obliegt jedoch seit neuestem dem Bürgermeister als Fundbehörde);
      • von Menschen, die über einen gefährlichen Angriff oder eine kriminelle Verbindung Auskunft erteilen können und deshalb besonders gefährdet sind („Zeugenschutz“);
    • die Ermittlung des Aufenthalts von Menschen bzw. Gegenständen, nach denen gesucht wird (Personen- und Sachfahndung);
    • die Vorbeugung von Delikten durch die Förderung der Fähigkeiten der Bürger, selbst präventive Maßnahme zu setzen, wie z.B. Einbruchssicherheit zu erhöhen (Kriminalpolizeiliche Beratung);
    • die Aufrechterhaltung der Ordnung an öffentlichen Orten (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung).

Befugnisse der Sicherheitsbehörden und Exekutivorgane

Polizeiliches Platzverbot in der Umgebung der Wiener Staatsoper während des Wiener Opernballs 2008

Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind befugt, Auskünfte zu verlangen; die Identität eines Menschen festzustellen; ein Platzverbot auszusprechen; Besetzungen aufzulassen; Wegweisungen (auch bei Gewalt in Wohnungen) durchzuführen; Grundstücke zu betreten und zu durchsuchen (soweit dies zur Erfüllung der ersten allgemeinen Hilfeleistungspflicht unerlässlich ist); Personen, die festgenommen wurden, zu durchsuchen; Personen im Rahmen von Großveranstaltungen zu durchsuchen; Sachen sicherzustellen; Sachen in Anspruch zu nehmen (z.B. Kraftfahrzeuge von unbeteiligten Dritten zur Verfolgung eines gefährlichen Flüchtigen).

Verwaltungsstrafen

Verwaltungsrechtliche (nicht gerichtliche) Delikte in Bezug auf die Sicherheitsbehörden sind vor allem Störung der öffentlichen Ordnung; Aggressives Verhalten gegenüber Organen der öffentlichen Aufsicht; sowie Missachtung von Betretungsverboten. Sie werden mit Geld- oder Arreststrafen sanktioniert. Als Berufungsinstanz fungiert der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) des jeweiligen Bundeslandes.

Eine Verwaltungsübertretung als solche wird nicht verfolgt, wenn der Tatbestand einer gerichtlich strafbaren Handlung (siehe unten) vorliegt. Dies entspricht dem menschenrechtlichen Gebot, wegen einer Handlung nicht zweimal zu bestrafen.

Mitwirkung bei der Strafverfolgung

Die für die Verfolgung von gerichtlichen Straftaten zuständigen Organe sind die dem Bundesminister für Justiz unterstehenden Staatsanwaltschaften. Ihnen obliegt die Leitung der Ermittlungsverfahren und die Anklage vor Gericht. Die Staatsanwaltschaften sind nicht berechtigt, selbst Zwangsmittel einzusetzen. Sie können bzw. müssen sich dazu der Exekutivorgane der Sicherheitsbehörden, insbesondere der Bediensteten des Wachkörpers Bundespolizei, bedienen. In diesem Fall werden die Sicherheitsbehörden laut StPO als Kriminalpolizeibehörden tätig.

Die Sicherheitsbehörden werden für Staatsanwaltschaften vor allem im operativen Außendienst tätig: zum Beispiel zur Ermittlungstätigkeit und zur Festnahme von Verdächtigen. Für die Beaufsichtigung von Strafgefangenen, die in Haftanstalten der Justiz angehalten werden, ist nicht die Polizei, sondern die Justizwache zuständig.

Anzeige

Wird der Begriff Anzeige in Österreich ohne Beifügung verwendet, ist damit stets die Meldung eines (wie der Anzeiger vermutet) rechtswidrigen Vorganges bei der nächsten Polizeidienststelle gemeint. Anzeigen können in jeder Form auch direkt bei den Sicherheitsbehörden erstattet werden, im Fall vermuteter gerichtlich strafbarer Handlungen auch bei den Staatsanwaltschaften.

Ermittlungsverfahren

Ein Ermittlungsverfahren hat den Zweck, der Staatsanwaltschaft zu ermöglichen, entweder die Anzeige zurückzulegen, weil „nichts dran ist“, oder die Anklage (bzw. vor dem Bezirksgericht den Strafantrag) schriftlich einzubringen, um eine (öffentliche) Hauptverhandlung vor Gericht zu erreichen.

Die Leitung der Vorerhebungen obliegt dem Staatsanwalt, dieser nimmt jedoch selbst keine Beweise auf, sondern bedient sich dazu des Wachkörpers Bundespolizei. Die Exekutivbediensteten sind verpflichtet, alle vom Staatsanwalt verlangten Beweise aufzunehmen und Vernehmungen von Verdächtigen durchzuführen.

Vor allem in kleineren Fällen ermittelt die Polizei üblicherweise so weit, bis sie den Fall für abgeschlossen hält, und leitet ihn erst dann an die Staatsanwaltschaft weiter, wenn sie diese zur Anordnung von prozessualen Zwangsmitteln (z.B. Haftbefehl, Hausdurchsuchung, Beschlagnahme) benötigt.

Zukunft

Im November 2011 wurde von Innenministerin Mikl-Leitner und Staatssekretär Ostermayer das Konzept einer neuen Sicherheitsbehördenstruktur. Das Konzept sieht vor, die bisher bestehenden 9 Sicherheitsdirektionen, 14 Bundespolizeidirektionen und 9 Landespolizeikommanden zu 9 Landespolizeidirektionen, je eine pro Bundesland, zu fusionieren. Damit wird auf Landesebene Behörde und Wachkörper unter einem Dach zusammengeführt. [1]

Einzelnachweise

  1. Verwaltungsreform: Effizientere Sicherheitsstruktur durch Zusammenlegung von Behörden

Weblinks


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