Shocked

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Michelle Shocked

Michelle Shocked (* 24. Februar 1962 als Karen Michelle Johnston in Dallas, Texas) ist eine US-amerikanische Folk-Sängerin und Songwriterin. Zusammen mit Ani DiFranco gilt sie als eine wesentliche Vorläuferin des Antifolk.

Inhaltsverzeichnis

Biografie

Ihre Kindheit und Jugend verbrachte Michelle Shocked unter der Obhut ihrer Mutter, einer strenggläubigen Mormonin, und von derem zweiten Ehemann, einem Angehörigen der Streitkräfte der Vereinigten Staaten. In Gilmer (Verwaltungssitz von Upshur County in Osttexas nahe der Grenze zum US-Bundesstaat Louisiana) besuchte sie die High School. Mit 16 riss sie von zu Hause aus und lebte in der Folgezeit bei ihrem Vater, einem Hippie, erklärten Atheisten und Musiker. Durch dessen Plattensammlung lernt sie die Musik von Blues-Musikern wie Big Bill Broonzy, Folksängern wie Leadbelly und Siebzigerjahre-Songwritern wie Randy Newman kennen.

Zunächst studiert Michelle Shocked an der University of Texas in Austin. Periodenweise lebt sie bei ihrem Vater, mit dem sie in den Semesterferien mehr oder weniger ausgedehnte Streifzüge durch die USA unternimmt. Erste eigene Songs entstehen in den frühen Achtzigern. Die angehende Folksängerin spielt zunächst Geige und Mandoline und tingelt mit diversen Straßenmusikern durch Kalifornien. Dort lernt sie die Hardcore Punk-Szene um die Bands Dead Kennedys und MDC kennen und nimmt in der Folge den Künstlernamen Michelle Shocked an – ein Wortspiel aus ihrem Spitznamen 'Chel und „Shell Shock“ für „Kriegstrauma“.

In den Achtzigerjahren nimmt sie an unterschiedlichen autonomen und linkspolitischen Aktivitäten teil. Kurzfristig kehrt sie zu ihrer Mutter nach Texas zurück. Diese veranlasst aufgrund ihrer „gottlosen Umtriebe“ eine Einweisung in die Psychiatrie, aus der die Künstlerin jedoch nach 30 Tagen als „geheilt“ entlassen wird. Sie zieht nach New York und engagiert sich in der dortigen Hausbesetzer-Szene. Die folgenden Jahre führen sie als umherreisende Politaktivistin nach Europa, unter anderem auch nach Paris und Madrid. Auch in Amsterdam ist sie in der Hausbesetzer-Bewegung aktiv und besetzt zusammen mit einer Reggae-Band aus Birmingham selbst ein Haus. Darüber hinaus arbeitet sie zeitweilig bei einem niederländischen Piratensender mit und ist Teilnehmerin am Anti-Cruise Missile-Friedenscamp 1983 in Comiso, Sizilien.

1986 kehrt Michelle Shocked nach Texas zurück. Sie hilft bei der Organisation des Kerrville Folk Festivals mit und entwickelt ein stärkeres Interesse für die Musik der beiden Country-Songwriter Guy Clark und Townes Van Zandt. Peter Lawrence, ein Mitarbeiter des britischen Independent-Labels Cooking Vinyl Records, gibt sich ihr gegenüber als Journalist aus und nimmt einige ihrer Songs mit seinem Walkman auf. Trotz der schlechten Aufnahmequalität veröffentlicht Cooking Vinyl Records die Titel als Platte unter dem Namen „The Texas Campfire Tapes“. Die ohne Wissen und Zustimmung von Michelle Shocked aufgenommene Platte platziert sich in den Independent-Charts; die Musikerin selbst erfährt durch einen Telefonanruf von ihrem Erfolgsdebüt.

Nach einer Club-Tour durch England bekommt Michelle Shocked einen Vertrag bei dem Major-Label Mercury Records. Ihre im selben Jahr erschienene zweite Platte („Short Sharp Shocked“) wird von Peter Anderson, Produzent von Country-Musikern wie Dwight Yoakam, innerhalb von nur zwei Wochen aufgenommen. Michelle Shockeds geradlinige und schnörkellose Mixtur aus Folk-, Rock- und Blues-Elementen sowie engagierten und persönlichen Texten kommt sowohl bei der Musikpresse als auch einem breiteren Publikum an; die Single-Auskoppelung „Anchorage“ platziert sich wochenlang in den Charts. Ihre nächsten beiden Mercury-Alben „Captain Swing“ (1989) und „Arkansas Traveler“ (1992) sind stilistisch unterschiedlich akzentuiert. Während Shocked mit „Captain Swing“ der Swing-Musik aus den Vierzigern eine Referenz erweist, reist sie für „Arkansas Traveler“ durch drei Kontinente, um mit unterschiedlichen Künstlern wie Taj Mahal und Gatemouth Brown folkbasierte Roots-Songs aufzunehmen.

Anfang der Neunziger zieht sie auf ein Hausboot bei Los Angeles. Ihr viertes Studio-Album, „Kind Hearted Woman“, spielt sie solo ein, unterstützt lediglich vom Produzenten Tony Berg, und bietet es nur im Selbstverkauf auf Konzerten feil. Grund herfür sind Auseinandersetzungen mit ihrem Label Mercury Records, die sich immer weiter zuspitzen. Die Plattenfirma will die stilistischen Wechsel der Musikerin nicht akzeptieren. Einerseits weigert sich die Firma, bereits produziertes Material zu veröffentlichen, andererseits will sie die Künstlerin nicht aus dem Vertrag entlassen. Um ihre künstlerisch wie existenziell verfahrene Situation zu verändern, reicht Michelle Shocked schließlich Klage gegen ihre Plattenfirma ein. Sie beruft sich dabei auf den 13. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten, welcher die Sklaverei verbietet, sowie ein kalifornisches Gesetz, das Verträge über persönliche Dienstleistungen auf sieben Jahre limitiert. Die Auseinandersetzung endet für die Künstlerin mit einem Sieg. Sie wird aus den Verträgen entlassen und erhält darüber hinaus auch die Verfügungsgewalt über ihren Backkatalog.

Eine in Band-Besetzung u.a. mit Mitgliedern der Hothouse Flowers, mit denen sie seit der Zusammenarbeit an „Arkansas Traveler“ freundschaftlich verbunden ist, neueingespielte, von Bones Howe, einem Bekannten von Tom Waits, produzierte Version von „Kind Hearted Woman“ veröffentlichte sie auf dem Independent-Label Private Music. Nachdem dieses im Rahmen eines Verkaufs und einer Umstrukturierung aufgelöst wurde, gründete Michelle Shocked ihr eigenes Label Mighty Sounds. Darauf erschien 2002 ein Doppelalbum mit Folk-, Blues- und Gospel-inspirierten Stücken und instrumentalen Dub-Versionen der Songs („Deep Natural/Dub Natural“). 2005 wurde die Trilogie „Threesome“ herausgebracht, welche aus den drei Einzelalben „Don't Ask, Don't Tell“, „Got No Strings“ und „Mexican Standoff“ besteht. Während viele Kritiker in der ersten CD der Trilogie eine konsequente Fortsetzung von „Short Sharp Shocked“ sehen, offeriert die zweite Klassiker aus Disney-Filmen im Western Swing-Gewand. In „Mexican Standoff“ schließlich präsentiert Michelle Shocked lateinamerikanische Klänge sowie Mariachi-Stücke aus Nordmexiko und ihrem Heimat-Bundesstaat Texas. Eine weitere Trilogie mit Jazz-, Blues- und Swing-Aufnahmen wurde bereits vor der Fertigstellung von „The Threesome“ in Angriff genommen, ist jedoch noch nicht veröffentlicht.

Ihre ersten vier Alben einschließlich der „Texas Campfire Tapes“, nun umbenannt in „Texas Campfire Takes“, wurden ebenfalls bei Mighty Sounds als Deluxe-Editionen, erweitert um zahlreiche Bonus-Tracks, neuherausgebracht. Ihre zuvor nur in limitierter Auflage als Selbstpressungen auf Konzerten verkauften Alben „Good News“ und „Artists Make Lousy Slaves“, letzteres ein Gemeinschaftswerk mit Fiachna O'Braonain von den Hothouse Flowers, sind im Internet-Store auf ihrer Website als selbsgebrannte CDs zu beziehen bzw. im Mp3-Format herunterzuladen. 2003 spielte Shocked bei einem Bluegrass Festival ein reines Gospel-Set, welches 2007 als CD unter dem Titel „To Heaven U Ride“ veröffentlicht wurde.

Unter dem Motto „No Bush War“ tourte Michelle Shocked 2002 mit ihrer Begleitband Perverse All Stars durch Europa. Mit dabei war auch ihr damaliger Ehemann und Manager Bart Bull, von dem sie sich mittlerweile privat und geschäftlich getrennt hat. Seit Mitte der 90er Jahre bekennt sich Michelle Shocked explizit zum Christentum, was auch einige christlich inspirierte Texte nach sich zieht. Abgesehen von ihrem musikalischen Wirken engagiert sich Michelle Shocked für unterschiedliche soziale Projekte, insbesondere Hilfsprojekte für HIV-infizierte Kinder in Afrika. Der auf „Deep Natural/Dub Natural“ veröffentlichte Song „Good News“ wird von der Umweltorganisation Greenpeace verwendet, mit der Michelle Shocked zusammenarbeitet, um auf die Umweltschädigungen durch PVC-Gifte hinzuweisen, die den Mississippi River in Louisiana verunreinigen. Der Umweltaktivistin Julia Butterfly Hill widmete sie den Song „Butterfly Hill“.

Stil und Kritiken

Starke Stilsprünge sowie eine ausgeprägte Aversion gegenüber kommerziellen Vermarktungstechniken sind für Michelle Shocked zum Markenzeichen geworden. Die meisten ihrer Alben sind als Bestandteile von Trilogien konzipiert. Ihre schnörkellose, klare Darbietungsweise, die bei Konzerten immer wieder von kleinen Geschichten zu den jeweiligen Stücken unterbrochen wird, bedient sich vor allem traditioneller Stile wie Folk, Country, Swing, Western Swing, Rock, Blues, Gospel und Reggae. Der Erfolg von Songwriterinnen wie Michelle Shocked, Tracy Chapman, Tanita Tikaram und Suzanne Vega Ende der Achtziger brachte verstärkt feministische Impulse in die Rockmusik und trug dazu bei, die Stellung von Frauen im Rock-Business zu verbessern. Aufgrund ihrer Folksongs, die in manchen Aspekten an Joan Baez und Bob Dylan erinnern, gilt Michelle Shocked – zusammen mit der politisch ebenfalls stark engagierten Ani DiFranco – als Vorläuferin des Anti-Folk.

Zu ihrer persönlichen Motivation äußerte sie sich gegenüber der Tageszeitung taz im Jahr 2002 wie folgt: „Mein Plan war, Aktivistin zu werden, Community-Organisatorin, Vagabundin, zielloser Bohemien. Es war dies die Reaktion auf eine Kultur, die zunehmend darauf hinauslief, uns nur in dem Maße wertzuschätzen, wie wir einen ökonomischen Beitrag zur Gesellschaft leisten. Ich suchte nach einem Weg, mein Leben komplett frei von solchen Kriterien zu leben.“ Das deutsche Musikmagazin Musik Express beschrieb sie als „Einzelkämpferin und Antistar“. Der Boston Globe charakterisiert Shockeds Stil als rauhen Soul-Gesang mit der Offenherzigkeit eines Folksingers und der Blues-Gitarre eines Delta-Punks. Der Musician sah in ihr „Woody Guthries lange verlorene Tochter“.

Diskografie

Alben:

  • The Texas Campfire Tapes (Cooking Vinyl/ Mercury/Reprise, 1986/ 1987)
  • The Texas Campfire Takes (Mighty Sounds, 2003; 2-CD-Deluxe-Edition inkl. Bonus-Tracks)
  • Short Sharp Shocked (Mercury, 1988)
  • Short Sharp Shocked (Mighty Sounds, 2003; 2-CD-Deluxe-Edition inkl. Bonus-Tracks)
  • Captain Swing (Mercury, 1989)
  • Captain Swing (Mighty Sounds, 2004; Deluxe-Edition inkl. Bonus-Tracks)
  • Arkansas Traveler (Mercury, 1992)
  • Arkansas Traveler (Mighty Sounds, 2004; Deluxe-Edition inkl. Bonus-Tracks)
  • Kind Hearted Woman (Privatpressung, 1994; Solo-Version)
  • Artists Make Lousy Slaves (Privatpressung, 1996; mit Fiachna O'Braonain)
  • Kind Hearted Woman (Mood Swing/ Private Music, 1996; Band-Version)
  • Mercury Poise: 1988–1995 (Mercury, 1996)
  • Good News (Privatpressung, 1998)
  • Dub Natural (Mood Swing Privatpressung, 2001)
  • Deep Natural/ Dub Natural (Mighty Sounds, 2002)
  • Threesome: Don't Ask, Don't Tell/ Got No Strings/ Mexican Standoff (Mighty Sounds, 2005; auch als Einzelalben erhältlich)
  • To Heaven U Ride (2003 aufgenommenes Livealbum; VÖ: 2007)

Titel auf Kompilationen:

  • Sgt. Pepper Knew My Father (NME, 1988): „Lovely Rita“ (Tribute-Album für „Sgt: Pepper's Lonely Hearts Club Band“ von den Beatles)
  • 'Til Things Are Brighter (Red Rhino, 1988): „One Piece at a Time“ (Tribute-Album für Johnny Cash)
  • Christmas Guitars (Green Linnet, 1989): „The Christmas Song“
  • A Child's Celebration of Folk Music (Music for Little People, 1996): „See the Sea“
  • Big Blues (Music for Little People, 1996): „Flying Lesson“
  • Lounge-A-Palooza (Hollywood, 1997): „Wichita Lineman“ (Glen Campbell & Michelle Shocked with Texas Tornados)
  • Dead Man Walking – Music from and inspired by the Motion Picture (Columbia, 1996): „The Quality of Mercy“
  • Blue Haze – Songs of Jimi Hendrix (Ruf Records, 2000): „House Burning Down“
  • Shout, Sister, Shout! – A Tribute to Sister Rosetta Tharpe (M.C. Records, 2003): „Strange Things Happen Every Day“
  • Beautiful Dreamer – The Songs of Stephen Foster (American Roots Publishing, 2004): „Oh! Susanna“
  • Creole Bred – A Tribute to Creole and Zydeco (Vanguard Records, 2004): „Paper in My Shoe“
  • Give Us Your Poor (Appleseed/ in-akustik, 2007): „Becky's Tune“

Weblinks


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