Shikhara

Shikhara
Shikhara-Turm mit Begleittürmchen auf der Cella (garbhagriha) des Kandariya-Mahadeva-Tempels (um 1050) in Khajuraho; in der Seitenansicht ähnelt der Tempel der Felslandschaft eines Gebirges.

Als Shikhara wird ein hochaufragender Tempelturm in Nordindien bezeichnet. In Südindien werden auch abgeflachte bzw. kuppelartige Konstruktionen, die den oberen Abschluss eines Tempelturms bilden, manchmal als Shikhara bezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Etymologie

Shikhara bedeutet wörtlich 'Gipfel' oder 'Bergspitze'. Dies rührt daher, dass man die Tempel als den Weltenberg Meru oder als Abbild des Himalaya begriff, dem Sitz der indischen Götter.

Andere Namen

In Orissa werden die beinahe senkrecht aufragenden Tempeltürme rekha-deul genannt. Die pyramidenförmigen Tempeltürme Südindiens werden meist vimana genannt; die oft steil und hoch aufragenden Tortürme werden dagegen als gopurams bezeichnet.

Funktion

Shikharas dienen − neben ihrer Funktion als Dach − der 'Überhöhung' des Tempels, genauer des Sanktums (garbhagriha). Darüber hinaus bilden sie in vielen Fällen auch eine weithin sichtbare Landmarke; wohl nicht ohne Grund stehen die Tempel mit den höchsten Shikhara-Türmen in freiem, ebenem Gelände.

Architektur

Naresar - gestufte Pyramidendächer und frühe Shikhara-Formen ohne Spitze auf Kleintempeln des 7. Jh.

Die hochaufragenden, leicht konvex gekrümmten, Tempeltürme Nordindiens gleichen optisch am oberen Ende zusammengebundenen Bambus- oder Astkonstruktionen, von denen sich jedoch nichts erhalten hat und über deren Funktion nur spekuliert werden kann. Die steinernen Shikharas sind − im Innern teilweise hohle − Kragsteinkonstruktionen, die jedoch niemals zur Cella (garbhagriha) des Tempels hin geöffnet sind[1]; ihre vertikale Gliederung folgt zumeist der Außenwandgliederung des Tempelbaus.

Die höchsten Shikharas werden meist von kleinen Türmchen (urah-shringas) begleitet, die in verkleinerter Form den Hauptturm imitieren, ihn aber auch gleichzeitig stabilisieren. Oben schließen die nordindischen Tempeltürme regelmäßig mit einem oder mehreren geriffelten kissen- oder kürbisförmigen Schlusssteinen (amalakas) ab, auf welchen meist noch eine krugartige Spitze (kalasa) aufsitzt. Der Schlussstein selbst ist als Ring gearbeitet bzw. aus mehreren Segmenten zu einem Ring zusammengefügt und verweist somit möglicherweise auf hölzerne oder geflochtene Vorbilder.

Vor- bzw. Frühformen von Shikhara-Türmen − jedoch ohne Spitze − finden sich in Aihole (6. Jh.) und Naresar (7. Jh.). Eine Weiterentwicklung findet vor allem in den Pratihara-Tempeln des 8. Jh. statt. Ihre Blütezeit erleben die Shikharas in den Tempelbauten des 10. bis 12. Jh. in Khajuraho und Bhubaneswar.

Zitat

„Im Oberbau eines Hindu-Tempels, möglicherweise seinem charakteristischsten Merkmal überhaupt, wird die Gleichsetzung von Tempel und Berg augenfällig; der Oberbau selbst wird als 'Bergspitze' oder 'Gipfel' (shikhara) bezeichnet. Die geschwungenen Konturen einiger Tempelaufbauten und ihre gestaffelte Anordnung haben viel dem Wunsch zu verdanken, die visuelle Wirkung einer Bergspitze zu suggerieren.[2]

Literatur

  • George Michell: Der Hindu-Tempel. Baukunst einer Weltreligion. DuMont, Köln 1990, S. 86 ISBN 3-7701-2770-6
  • Andreas Volwahsen, Henri Stierlin (Hrsg.): Indien. Baukunst der Hindus, Buddhisten und Jains. Taschen-Verlag Köln o.J., S.144ff ISBN 3-8228-9532-6

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Andreas Volwahsen, Henri Stierlin (Hrsg.): Indien. Baukunst der Hindus, Buddhisten und Jains. Taschen-Verlag Köln o.J., S. 144f ISBN 3-8228-9532-6
  2. George Michell: Der Hindu-Tempel. Baukunst einer Weltreligion. DuMont, Köln 1990, S. 86 ISBN 3-7701-2770-6

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