Severin von Norikum

Severin von Norikum
Darstellung des Heiligen am Severinaltar in Neapel (um 1470)
Severin von Noricum im italienischen Stadtwappen von San Severo

Severin von Noricum (Severinus; * um 410; † 8. Januar 482 in Favianis, vermutlich dem heutigen Mautern bei Krems) war ein spätantiker Missionar und Klostergründer in Noricum, der später heilig gesprochen wurde. Über sein Leben berichtet die vita sancti Severini des Eugippius.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Über Severins Abstammung ist wenig bekannt, man geht von einer italienischen Herkunft aus. Seine Ausbildung scheint er im Osten erhalten zu haben (Nahmer). Eine Identifikation des Heiligen Severin mit dem römischen Konsul Flavius Severinus, die Friedrich Lotter über den Umweg einer Gleichsetzung des inlustrissimus vir Severinus der vita Antoni des Ennodius mit Severin von Noricum erreichte, ist in der Forschung strittig (Wolff). Severin kam nach dem Tod des Hunnenkönigs Attila (453) von Pannonien nach Ufernoricum, der früheren römischen Provinz nördlich der Ostalpen, die zu jener Zeit bereits durch den Zerfall des Weströmischen Reiches infolge der Völkerwanderung bedroht war. Er hielt sich hauptsächlich im Donauland zwischen Carnuntum im Wiener Becken und der Gegend bei Passau auf.

Zunächst trat er offenbar im Gebiet Niederösterreichs in Erscheinung, in Asturis (Klosterneuburg), Comagenis (Tulln), und Favianis (Mautern).[1] Seine Lebensbeschreibung handelt dann von Cucullis (Kuchl bei Salzburg) und Iuvavum (Juvao, Salzburg).[2] Ein weiterer Abschnitt beschreibt sein Wirken an der Donau bei Passau.[3] Dort geht es um die Kastelle und Siedlungen Quintanis (Künzing, oberhalb der Vils), Batavis (Passau links des Inn, beide gehörten zur Nachbarprovinz Raetia secunda), Boiotro (Bojotro, Passau rechts des Inn, Grenzkastell Noricums) und Joviaco (Schlügen, einige Kilometer flussabwärts in Ufernoricum). Er unterstützte und bestärkte demnach zunächst deren romanische Bevölkerung angesichts der ständigen germanischen Überfälle, betrieb dann aber ihren Rückzug nach Lauriacum (Lorch) an der Enns,[4] bald wegen anhaltender Bedrohungen weiter zurück in die niederösterreichische Nachbarschaft seines früheren Wirkungsorts Favianis (Mautern gegenüber Krems an der Donau), dies auf Druck des Rugierkönigs Feletheus.[5] Hier verbrachte Severin offenbar den Rest seines Lebens im Bereich des von ihm gegründeten Klosters (Konvents, Dickerhoff).

Severin bekleidete selbst kein Amt, sondern scheint auch nach der Konventsgründung weiter als Anachoret gelebt zu haben.[6] Er betätigte sich als Mahner, Helfer und Seelsorger. Er setzte sich für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der Pflege des christlichen Glaubens ein und organisierte Lebensmittel- und Kleiderlieferungen. In den Jahren 469/470 erlangte er die Freilassung von römischen Kriegsgefangen vom alemannischen König Gibuld bei Passau[7] – im Umgang mit Germanen wie auch den Rugiern half ihm anscheinend eine charismatische Ausstrahlung.

Das heutige Wissen über das Leben des Heiligen Severin, aber auch über die regionale Geschichte des 5. Jahrhunderts stammt von der Lebensbeschreibung eines Abtes eines seiner Klöster, Eugippius. Er schrieb 511 die vita sancti Severini. Diese Heiligen-Biografie – immer wieder geht es um Wunder wie Vorahnungen, Heilungen[8] oder eine Ölvermehrung[9] – ist die einzige Quelle aus der Zeit der untergehenden Römerherrschaft in Österreich, wenn auch in der modernen Forschung teils Zweifel aufkommen, ob die Angaben über den Rückzug der Römer aus dem Noricum nicht übertrieben dargestellt sind (Herwig Wolfram).

Severin starb 482 in Favianis – und nicht, wie früher manchmal behauptet, in Wien. Eugippius nennt den 8. Januar als Todestag.[10] Den eigenen Tod wie auch den Abzug der Römer aus Ufernoricum soll er nach der legendarisch überformten Darstellung des Eugippius noch geahnt haben. Das von ihm gegründete Konvent schloss sich dann einem Zug über die Alpen an, den Hunwulf 488 im Auftrag seines Bruders Odoaker durchführte und siedelte samt den Gebeinen Severins nach Italien über. Zu diesem Zweck wurden die Gebeine des Severin geborgen. Translation und Erkenntnis der Heiligkeit (Unverwestheit) fallen so zusammen.[11] Neuer Standort der Gemeinschaft wurde Castellum Lucullanum bei Neapel. Der Konvent dürfte zu dieser Zeit von Lucillus geführt worden sein (ibd.). Nach der Übersiedlung folgte ihm dann Marcianus.[12] Die Gebeine des Severin scheinen bis nach der Konventsgründung in Neapel gelagert worden zu sein. Nach Eugippius musste man erst einen Platz für die Bestattung finden. Boden und Grabbau wurden schließlich von einer frommen Dame namens Barbaria gestiftet, die die Witwe des Flavius Orestes und die Mutter des Romulus Augustulus gewesen sein könnte (Nüsslein). Die Translation von Neapel nach Lucullanum fand, wie Eugippius berichtet, mit Erlaubnis des Papstes Gelasius statt. Die Beisetzung wurde vom neapolitanischen Bischof Viktor (ca. 492–496) vollzogen.[13]

Seit 1807 liegen die Gebeine des Severin in der Pfarrkirche von Frattamaggiore in Kampanien.

Gedenktag und Verehrung

Darstellung

Der Heilige wird predigend oder an einem Grabmal betend dargestellt. Attribute sind Buch und/oder Abtstab, in der rechten Hand ein Kruzifix.[14]

Quelle

  • Eugippius: Vita Sancti Severini. Lateinisch/Deutsch. Übersetzt und herausgegeben von Theodor Nüsslein. Reclam, Stuttgart 1999, ISBN 3-15-008285-4.

Literatur

  • Inge Resch-Rauter: Die Wachau und der heilige Severin. Wien 2006, ISBN 3-9500-1672-4.
  • Harald Dickerhof: De institutio sancti Severini. Zur Genese der Klostergemeinschaft des Heiligen Severin. In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 46, 1983, S. 3–36.
  • Peter Dörfler: Severin – der Seher von Norikum. Dichtung und Geschichte. Herder, Wien 1948.
  • Ida Friederike Görres: Der heilige Severin. Herder, Freiburg i. B. 1945.
  • Johanna Haberl: Wien ist älter. Der heilige Severin und die Frühgeschichte Wiens. Amalthea, Wien u. a. 1981, ISBN 3-85002-136-X.
  • Friedrich Lotter: Severinus und die Endzeit römischer Herrschaft an der oberen Donau. In: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 24, 1968, S. 309–338.
  • Friedrich Lotter: Inlustrissimus vir Severinus. In: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 26, 1970, S. 200–207.
  • Friedrich Lotter: Antonius von Lérins und der Untergang Ufernorikums. In: Historische Zeitschrift 212, 1970, S. 265–315.
  • Friedrich Lotter: Severinus von Noricum, Legende und historische Wirklichkeit: Untersuchungen zur Phase des Übergangs von spätantiken zu mittelalterlichen Denk- und Lebensformen. Hiersemann, Stuttgart 1976 (= Monographien zur Geschichte des Mittelalters, 12).
  • Friedrich Lotter: Die historischen Daten zur Endphase römischer Präsenz in Ufernorikum. In: J. Werner, E. Ewig (Hrsg.): Von der Spätantike zum frühen Mittelalter. Thorbecke, Sigmaringen 1979, S. 27–90 (= Vorträge und Forschungen, 25).
  • Friedrich Lotter: Severin von Noricum, Staatsmann und Heiliger. In: Theologisch-praktische Quartalschrift 130, 1982, S. 110–124.
  • Friedrich Lotter: Inlustrissimus vir oder einfacher Mönch? Zur Kontroverse um den heiligen Severin. In: Ostbairische Grenzmarken 25, 1983, S. 281–297.
  • Friedrich Lotter: Zur Interpretation hagiographischer Quellen. Das Beispiel der „vita Severini“ des Eugippius. In: MJb 19, 1984, S. 36–62.
  • Dieter von der Nahmer: Severin von Noricum. In: Lexikon des Mittelalters. Bd. 7, 1995, Sp. 1805f. (mit Lit.)
  • Walter Pohl (Hrsg.): Eugippius und Severin. Der Autor, der Text und der Heilige. Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2001, ISBN 3-7001-3019-8.
  • Gerolamo Prigione u. a.: St. Severin heute. Ansprachen und Reden. Veritas, Linz-Wien 1982, ISBN 3-85329-303-4.
  • Dietmar Straub (Hrsg.): Severin – zwischen Römerzeit und Völkerwanderung. Amt der Oberösterrischen Landesregierung, Linz 1982.
  • Gertrud Thoma: Severin von Noricum. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 9, Herzberg 1995, ISBN 3-88309-058-1, Sp. 1504–1507.
  • Hartmut Wolff: Kritische Bemerkungen zum säkularen Severin. In: Ostbairische Grenzmarken 24, 1982, S. 24–51.
  • Hartmut Wolff: Ein Konsular und hoher Reichsbeamter im Mönchsgewand? Nachtrag zu Friedrich Lotters Severinsbild. In: Ostbairische Grenzmarken 25, 1983, S. 298–318.
  • Rudolf Zinnhobler: Woher stammte der hleilige Severin?. In: Jahrbuch Kollegium Petrinum 76, 1979/80, S. 29–36.
  • Rudolf Zinnhobler: Sankt Severin in Lorch. In: Rudolf Zinnhobler (Hrsg.): Lorch in der Geschichte. Duschl, Linz 1981, S. 128–144 (= LPhThR, 15).
  • Rudolf Zinnhobler, Erich Widder: Der heilige Severin, sein Leben und seine Verehrung. Duschl, Linz 1982, ISBN 3852143578.
  • Rudolf Zinnhobler: Zum gegenwärtigen Stand der Severins-Forschung. In: Oberösterreichische Heimatblätter 36, 1982, S. 5–15.
  • Rudolf Zinnhobler: Der heilige Severin. Sein Leben und seine Verehrung. Duschl, Linz 2002, ISBN 3-933047-71-4.

Weblinks

Anmerkungen

  1. Eugippus, Vita Sancti Severini, 1–11.
  2. Vita Sancti Severini, 11–14.
  3. Vita Sancti Severini, 15ff.
  4. Vita Sancti Severini 27.
  5. Vita Sancti Severini 31.
  6. Vita Sancti Severini 39,1.
  7. Vita Sancti Severini 19
  8. Vita Sancti Severini 38.
  9. Vita Sancti Severini 28.
  10. Vita Sancti Severini 43,9
  11. Vita Sancti Severini 44,5 f.
  12. Vita Sancti Severini 37,1.
  13. Vita Sancti Severini 46.
  14. Erna und Hans Melchers, Das große Buch der Heiligen. Geschichte und Legende im Jahreslauf, Südwest Verlag, München 1978, S. 27.

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