Senatus consultum

Senatus consultum
Darstellung einer Senatssitzung, die nicht in der Kurie, sondern in einem Tempel stattfand: Cicero greift den rechts isoliert sitzenden Catilina an (Fresko Cesare Maccaris aus dem Jahr 1888).

Der römische Senat war bis zum Ende der Republik die wichtigste Institution des römischen Staates. Nicht nur der Senat als Gremium war verantwortlich für diese Bedeutung, auch seine Mitglieder, die Senatoren, waren stets bedeutende und im Reich allgemein anerkannte Personen. Obwohl die Rechte des Senats, der vornehmlich eine Versammlung ehemaliger Amtsträger war, und die Rechtskraft seiner Beschlüsse nie niedergeschrieben wurden, bestimmte er bis in die Zeit des Augustus und in Ausnahmesituationen auch noch danach die römische Politik.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte des Senats

Der Senat im Königtum

Die Informationen über den Senat in der Zeit, als Rom noch von Königen beherrscht wurde, sind sehr spärlich gesät, und vieles ist unter Althistorikern sehr umstritten. Vermutlich entsprach das Gremium damals noch einem Kronrat, der den König in dessen Politik beriet, selbst aber keine Handlungsmöglichkeit besaß; denkbar ist aber auch, dass es sich um eine Versammlung der Häupter der großen Familien handelte, die grundsätzlich in Opposition zum König stand. Die Behauptung vieler antiker Autoren, dass der legendäre Stadtgründer Romulus den ersten Senat einberief, darf angezweifelt werden.

Der Senat, der anfangs vielleicht 100 Mitglieder besessen haben dürfte, setzte sich laut Cicero aus senes, also älteren und erfahrenen Männern, sowie vor allem aus den patres, den Oberhäuptern des römischen Adels, zusammen. Daher kommt auch die Übersetzung „Rat der Ältesten“ oder „Ältestenrat“. Zusätzlich zu der Beratungsfunktion stellten die Senatoren auch den Interrex, den obersten Verwalter für die Zeit zwischen dem Tode des früheren und der Einberufung eines neuen Königs.

Daneben waren die Aufgaben des Senats wahrscheinlich größtenteils sakraler Natur. Erst etwa unter König Tarquinius Priscus, der den Senat um hundert Mitglieder erweitert haben soll, soll er diese Funktion unter griechischem Einfluss allmählich aufgegeben haben; wie alle Überlieferungen über die römische Frühzeit könnte dies aber auch spätere Konstruktion sein.

Der Senat in der Republik

SPQR senatus populusque romanus

Nach Ende der Königszeit übernahm der Senat die Rolle von Gesetzgeber und Regierung im noch kleinen Rom. Im System der Magistrate, das sich bald herauskristallisierte, war der Senat die einzige Institution, die wirklich von Dauer war – schließlich wurden die Beamten jährlich neu gewählt. Äußerliche Zeichen der Bedeutung der Senatoren waren ein breiter Purpurstreifen (latus clavus) auf der Tunika und ein goldener Siegelring (symbolum).

In Anbetracht der langen Tradition, die der Senat schon zu Beginn der Republik innehatte, fiel ihm die Rolle des kontrollierenden und leitenden Gremiums zu, obwohl diese eigentlichen Gewohnheitsrechte niemals gesetzlich verankert wurden (auctoritas senatus). In den Jahrhunderten der Republik, die nun folgten, bestimmte der Senat, der durch die Aufnahme von Sabinern und Etruskern auf rund 300 Mitglieder angewachsen war, die Richtlinien der Politik. Er regelte faktisch die Außenpolitik, erließ Gesetze und schaffte sie auch ab, vergab anfangs wohl bestimmte Magistraturen, konnte die Beamten unter bestimmten Umständen auch absetzen und verwaltete vor allem die Staatsfinanzen. Später wurden die meisten dieser Entscheidungen und die Gesetzgebung zwar der Volksversammlung übertragen, doch entschied diese im Normalfall nur über Vorlagen, die der Senat zuvor diskutiert und abgesegnet hatte. Verbunden mit der altehrwürdigen Tradition machten diese wichtigen Aufgaben den Senat klar zum Herzen des Staates. Den Senat nicht zu respektieren, hieß für einen einfachen Römer, den Staat nicht zu respektieren. Diese Verbundenheit schlug sich auch in der vielmals beschworenen Formel SPQR, senatus populusque romanus („der Senat und das römische Volk“), nieder.

Die Zusammensetzung des Senats wurde durch das Erstellen der Senatsliste festgelegt (lectio senatus), eine Aufgabe, die für den größten Abschnitt der römischen Republik in den Verantwortungsbereich des obersten Magistrats fiel, zunächst des praetor maximus und bis 313 v. Chr. der Konsuln, dann der Zensoren. Jedoch durften diese nicht willkürlich Senatoren ernennen, sondern waren an die überlieferten Sitten (mores) der Republik gebunden. Diese besagten vor allem, dass ein Angehöriger des Senats zumindest einen Teil des cursus honorum, der traditionellen Ämterlaufbahn, absolviert haben sollte. Die Eintrittsschwelle wurde im Laufe der Jahrhunderte immer weiter abgesenkt. Hatten zunächst nur ehemalige Prätoren und Konsuln – einzig diese Ämter waren mit einem imperium, also militärischer Kommandogewalt, ausgestattet – einen Anspruch darauf, in den Senat aufgenommen zu werden, galt dies seit Ende des 3. Jahrhunderts v. Chr. auch für die kurulischen Ädile, seit Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr. für die Volkstribune und plebejischen Ädile und seit 81 v. Chr. schon für die Quästoren. Da die Erstellung der Senatsliste in der hohen Republik bei der Zensur, also in der Regel nur alle fünf Jahre erfolgte, mussten ehemalige Amtsinhaber zumeist einige Jahre warten, bis sie offiziell Senatoren wurden (qui in senatu sunt). In der Zwischenzeit besaßen sie einen Sonderstatus und durften im Senat ihre Meinung kundgeben (quibus in senatu sententiam dicere licet). Es konnten aber ausnahmsweise auch einzelne Personen in den Senat aufgenommen werden, nur weil sie dem verantwortlichen Magistrat dessen würdig erschienen (optimus quisque), auch wenn sie noch kein öffentliches Amt bekleidet hatten. Umgekehrt konnten ehemalige Amtsträger, denen nach der Tradition ein Sitz im Senat zugestanden hätte, übergangen werden, wenn sie als unwürdig empfunden wurden. Erst seit den Reformen Sullas in der späten Republik traten die Beamten nach Ablauf ihrer Amtszeit – also seit der zeitgleichen Festschreibung des cursus honorum normalerweise nach der Quästur – automatisch und sofort in den Senat ein. Damit entfiel ab 81 v. Chr. die Rolle der Zensoren bei der Zusammenstellung der Senatsliste (allerdings konnte ein Zensor nach wie vor „unwürdige“ Senatoren ausschließen).

Der Senat war in der römischen Republik eine Domäne der oberen Schichten. Nach den Ständekämpfen des 4. Jahrhunderts v. Chr. war es zwar auch den Plebejern möglich, in den Senat einzutreten, doch bis in die hohe Kaiserzeit hinein war der Senat stets fest in der Hand der Nobilität, zu der neben den Patriziern (patres) auch jene plebejischen Familien gehörten, die es bis zum Konsulat gebracht hatten: Aus Patriziern und aufgestiegenen Plebejern bildete sich eine Gruppe von nur wenigen Familien, die über Jahrhunderte den Staat kontrollierten. Zwar wurde die offizielle Anrede für die Senatoren nach den Ständekämpfen auf patres conscripti („Väter und (neu) Eingetragene (Plebejer)“, möglicherweise auch „eingetragene Väter“) erweitert, doch die scharfe Kontrolle über den Zugang zum Senat machte es einem Nichtadligen recht schwer, Senator zu werden, und fast unmöglich, als homo novus bis zum Konsulat aufzusteigen. Senatoren waren weitestgehend Großgrundbesitzer, in der späten Republik von Latifundien, zumal ihnen seit der lex Claudia de nave senatorum von 218 v. Chr. die Ausübung von Handelsgeschäften (außer der Vermarktung der eigenen landwirtschaftlichen Erzeugnisse) und Gewerbe verboten war.

Doch die Geldmittel für den cursus honorum standen in der Regel nur Mitgliedern der römischen Ritterschicht (wie etwa Cicero) zur Verfügung: Der Wahlkampf war sehr kostspielig, das Amt unbezahlt. Dennoch war es ehrgeizigen Männern (meist mit Unterstützung durch reiche Förderer) durchaus möglich, die niedrigen senatorischen Ämter zu bekleiden und als ehemalige Quästoren oder Volkstribune auf den hinteren Bänken des Senats Platz zu nehmen. Selbst die Prätur war für solche Männer mitunter erreichbar, Konsul wurden sie aber nur in Ausnahmefällen. Gelang es ihnen doch, war dies faktisch gleichbedeutend mit der Aufnahme ihrer Familie in die Nobilität.

Unter Sulla wurde der Senat auf 600 Mitglieder erweitert. Später erhöhte Caesar die Anzahl noch einmal auf rund 900 bis 1000.

Auch untereinander hatten die Senatoren eine eigene Hierarchie, die sich an der Herkunft (so hatten die Patrizier beispielsweise gegenüber den Plebejern anfangs ein erweitertes Stimmrecht), dem zuvor ausgeübten Amt und dem Alter orientierte: Der älteste ehemalige Konsul (bzw. derjenige, der am häufigsten Konsul gewesen war, oder der älteste gewesene Zensor) war demnach prinzipiell der angesehenste Senator, doch konnte der jeweilige Vorsitzende hier eigene Akzente setzen. Zusätzlich wurde derjenige Senator, der sich bei einer Senatstagung als erstes in die Liste eintragen und als erster sein Votum abgeben durfte, princeps senatus („Erster des Senats“) oder auch caput Senatus („Haupt des Senats“) genannt. Den Vorsitz der Tagung jedoch führte stets der Beamte, der den Senat einberufen hatte. Das Recht dazu hatten die Konsuln, die Prätoren und nach den Standeskämpfen auch die Volkstribunen.

Die Senatssitzungen mussten in geweihten Räumen innerhalb der Stadt Rom stattfinden oder maximal eine Meile außerhalb des Pomeriums, etwa wenn Promagistrate, die die Stadt nicht betreten durften, im Senat sprechen sollten. Der wichtigste Tagungsort war die Curia Hostilia am Rand des Forum Romanum, nach ihrer Zerstörung 52 v. Chr. die Curia Iulia. Daneben gab es eine Curia auch auf dem Kapitol und im Komplex des Pompeiustheaters (bekannt als Ort der Ermordung Caesars). Der Senat konnte auch im Inneren eines Tempels tagen; bekannt ist dies etwa für den Tempel des kapitolinischen Iuppiter, des Iuppiter Stator, des Castor und Pollux und des Apollo.[1]

Der Senat übte seine administrativen Aufgaben nach Gewohnheitsrecht aus. Die wenigen in Gesetze gefassten Aufgaben bestanden unter anderem in der Zuweisung bestimmter Aufgaben an die verschiedenen Feldherren im Krieg oder von Provinzen an die gewesenen Prätoren und Konsuln (allerdings konnten die entsprechenden Beschlüsse unter Umständen durch die Volksversammlung aufgehoben bzw. ersetzt werden). Zusätzlich war der Senat aufgrund seiner langen Tradition und der damit verbundenen Autorität Hüter von Sitte und Ordnung und Bewahrer der Traditionen. Insgesamt stand die Republik ganz im Zeichen der senatorischen Gewalt; trotz demokratischer Elemente war die römische Republik daher eine Aristokratie, die von der Nobilität kontrolliert wurde.

Der Senat im Kaiserreich

Nach dem Jahrhundert der Bürgerkriege hatten die meisten Senatoren akzeptiert, dass die Ära der nahezu unbeschränkten Senatsherrschaft vorbei war. Der letzte Versuch, die Republik mit der Ermordung Caesars in ihrer alten Form zu erhalten, endete in einem blutigen Desaster, das für viele Senatoren tödlich ausging. Als Oktavian nach seinem Sieg bei Actium 31 v. Chr. eine Neuordnung des römischen Staatssystems durchführte, leisteten nur noch die wenigsten Senatoren ernsthaften Widerstand. Im Jahr 27 erhielt Oktavian den Ehrennamen Augustus, weil er äußerlich die Republik erneuerte, in Wahrheit aber eine Monarchie errichtete. Im nun folgenden System des Prinzipats, das formell die Republik zwar weiterbestehen ließ, entscheidende Vollmachten jedoch dem princeps, also dem "Ersten" des Staates, übertrug, büßte der Senat faktisch die Entscheidungsgewalt ein. Doch zugleich bemühte sich der erste princeps (bzw. Kaiser), das Ansehen der Senatoren, die erst jetzt zu einem eigenen Stand (ordo) wurden, zu heben. Augustus erließ daher Sittengesetze, und die Anzahl der Senatoren wurde wieder auf 600 verringert, um die Exklusivität zu erhöhen. Die Selbstbezeichnung als princeps weckte daher bewusst Assoziationen mit der republikanischen Position des princeps senatus.

Unter Augustus konnte der Senat, ausgeblutet und dankbar für das Ende der Bürgerkriege, ein relativ freundliches Verhältnis zu dem neuen Machthaber aufbauen. Augustus selbst trachtete stets danach, mit dem Senat äußerlich in friedlicher Koexistenz zu regieren, zumal er auf die Kooperation der Senatoren angewiesen war, wenn er das Reich verwalten wollte. Durch Ehegesetze, die verheiratete Senatoren und insbesondere Senatoren mit Kindern bevorzugten, versuchte er erfolglos, die alten senatorischen Familien zu erhalten. Bereits zu Beginn des 2. Jahrhunderts gab es nur noch eine einzige alte Patrizierfamilie. Neue gentes, die ihre Stellung allein den Kaisern verdankten, traten an die Stelle der alten republikanischen Geschlechter.

Immer mehr Mitglieder des Senats waren romanisierte Provinziale, die zunächst aus dem Westen des Reiches, später aus Griechenland, Kleinasien und dem Orient und im 3. Jahrhundert schließlich aus Illyrien und Nordafrika stammten. Am Ende des 2. Jahrhunderts stammte nur noch knapp die Hälfte der Senatoren aus Italien. Die Senatorenwürde löste sich nun mehr und mehr von der Teilnahme an den Senatssitzungen, die weiterhin zweimal monatlich in Rom stattfanden. Ehemalige Magistrate lebten als Ehrensenatoren auf Landgütern überall im Reich, die direkt dem Statthalter unterstellt waren.

Der erste Konflikt zwischen Kaiser und Senat entstand schon bei Augustus’ Tod im Jahre 14. Weder sein Nachfolger Tiberius noch der Senat wussten mit dieser völlig neuen Situation – sollte doch die eigentlich einzigartige Stellung des ersten princeps nun auf einen Erben übergehen – umzugehen und begegneten einander mit scharfem Misstrauen. In den späteren Jahren seiner Herrschaft kooperierte Tiberius aber recht eng mit dem Senat. Er betrachtete ihn als nicht nur beratendes, sondern auch entscheidendes Gremium und übertrug ihm wichtige Rechte der Volksversammlung; damit stärkte er das Organ, das in Augustus' letzten Jahren faktisch stark an Bedeutung verloren hatte, wieder. Der Prinzipat war jedoch bereits so etabliert, dass viele Senatoren sein Entgegenkommen für unangemessen und heuchlerisch hielten.

Seit Tiberius versuchte der Senat stets, das ihm weiterhin zugestandene Recht der formalen Ernennung zum Kaiser für sich zu behalten. Formal legitimiert wurde eine Kaiserherrschaft eigentlich erst durch einen entsprechenden Senatsbeschluss (wobei spätestens seit Vespasian alle Sondervollmachten durch eine einzige lex de imperio verliehen wurden), doch gab es in der römischen Geschichte genug Fälle, in denen sich neue Kaiser nicht darum scherten, sondern allein mit den sie unterstützenden Legionen im Rücken regierten und die Zustimmung des Senats schlicht erzwangen: Zum Imperator wurde man von der Armee ausgerufen, nicht von den Senatoren. Dagegen war der Senat machtlos, auch wenn er mitunter versuchte, einen Gegenpol zur ständig wachsenden Einflussnahme der Militärs darzustellen. Noch im Jahr 41, nach der Ermordung Caligulas, diskutierte man (vergeblich) die Wiedereinführung der Republik. Den Höhepunkt erreichte diese Auseinandersetzung wohl im Sechskaiserjahr 238, als der Senat nach dem Tode der beiden Gordiane, die gegen Maximinus Thrax rebelliert hatten, eigenmächtig mit Pupienus und Balbinus gleich zwei neue Kaiser einsetzte – ein einzigartiger Vorgang. Nur 99 Tage später wurden die beiden zerstrittenen Herrscher aber von den Soldaten der Prätorianergarde ermordet, was die realen Machtverhältnisse illustrierte.

Der Einfluss des Senats hing im Prinzipat stark vom jeweiligen Kaiser ab. Suchten in den ersten drei Jahrhunderten des Kaiserreichs noch viele Herrscher (wie beispielsweise Vespasian oder auch Trajan und Severus Alexander), demonstrativ im Einvernehmen mit dem Gremium zu herrschen, wurde der Senat vor allem ab dem 3. Jahrhundert, in der Zeit der Soldatenkaiser, mehr und mehr marginal. Seit den späten 260er Jahren verzichteten die Kaiser in aller Regel darauf, den Senat um eine formale Bestätigung ihrer Herrschaft zu bitten – diese war überflüssig geworden. Dies hing auch damit zusammen, dass Kaiser Gallienus um 260 die Senatoren vom Militärdienst ausgeschlossen hatte: Waren die Kaiser seit Augustus zunächst lange auf die Mitarbeit der Senatoren in Militär und Verwaltung angewiesen gewesen, so gelangte diese Phase nun an ihr Ende, und damit sank auch die Bedeutung des Senats weiter ab. Seit dieser Zeit der Reichskrise war es zudem nicht mehr nötig, Senator zu sein, um Kaiser werden zu können. Die wenigen Bereiche, in denen der Senat nun noch mit gesetzlichem Recht entscheiden durfte, waren keinesfalls für die große Politik von Bedeutung. Allein die Gesetzgebung oblag formal weiterhin dem Senat, obwohl der Kaiser faktisch auch ohne Zustimmung Gesetze einführen konnte (die dann aber in der Regel nicht als lex bezeichnet wurden).

Der Senat in der Spätantike

Die Curia Iulia auf dem Forum Romanum

Diokletian gab der Senatscuria ihre heute erhaltene Gestalt. Durch die ständige Abwesenheit der meisten Kaiser in der Spätantike – spätestens seit 312 hielten sich nur wenige Kaiser längere Zeit in der Stadt auf – war der Senat anfangs bisweilen imstande, sich so selbst wieder einen größeren politischen Freiraum zu schaffen. Dennoch konnte der beständige Niedergang der Senatsbedeutung insgesamt nicht aufgehalten werden; der Senat verlor rasch auch die letzten Reste an realer Macht. Die Kaiser bedurften nicht mehr der Anerkennung durch den Senat, und das Recht auf Gesetzgebung bestand zwar de iure weiter, wurde aber nicht mehr genutzt. Übrig blieb eigentlich nur das Privileg, über Standesgenossen zu richten, wenn diese des Hochverrats angeklagt waren. Allerdings genossen die Senatoren weiterhin ein enormes Sozialprestige, und vereinzelt bot die Versammlung zumindest eine Bühne für politische Entscheidungen.

Seit der Reichsteilung von 395 war der Senat dann faktisch eigentlich kaum viel mehr als der Stadtrat von Rom, denn seit Konstantin saß auch in Konstantinopel ein Senat, der seit Constantius II. die gleichen Privilegien besaß wie der weströmische. Allerdings waren die oströmischen Senatoren offenbar nie so extrem wohlhabend wie ihre italischen „Kollegen“, und der römische Senat galt weiterhin als die Verkörperung der Größe Roms. Einige mächtige senatorische Geschlechter wie die Anicier waren in beiden Reichshälften präsent und bildeten damit ein verbindendes Glied. In Ost und West unterteilten sich die Senatoren in die Rangklassen der clarissimi, spectabiles und illustres; als ihre Zahl um 450 zu groß geworden war, nahm man den clarissimi und spectabiles das Recht zur Teilnahme an Senatssitzungen. Damit wurde der Senat faktisch zu einer Versammlung der höchsten aktiven und ehemaligen kaiserlichen Beamten, er zählte fortan kaum mehr als 100 tatsächliche Mitglieder und repräsentierte die weltliche Reichselite.

Bis zur Niederschlagung der Usurpation des Eugenius 394 war der Senat in Rom ein Hort der paganen Traditionen: Wenn auch im Verlauf des 4. Jahrhunderts immer mehr Christen dem Senat angehörten, wie etwa der extrem einflussreiche Sextus Petronius Probus, so stellten die heidnischen Senatoren doch noch eine beträchtliche Oppositionsgruppe dar.[2] Die bekanntesten Vertreter dieser Gruppe waren am Ende des 4. Jahrhunderts Quintus Aurelius Symmachus, Virius Nicomachus Flavianus und Vettius Agorius Praetextatus (siehe auch Streit um den Victoriaaltar). Nach dem gewaltsamen Ende des Eugenius verschwanden die heidnischen Traditionalisten aber bald in der Bedeutungslosigkeit; kaum einer ergriff jedenfalls noch öffentlich Partei für die alten Götterkulte, die unter Theodosius I. verboten worden waren.

Bemerkenswerterweise war es nicht so, dass mit dem Ende des weströmischen Kaisertums 476 auch der Senat sein Ende gefunden hätte. Stattdessen bestand der westliche Senat noch das ganze 6. Jahrhundert hindurch weiter, auch wenn seine Bedeutung unter der nach dem Reichsende folgenden germanischen Herrschaft unklar ist. Offenbar kooperierte man aber insgesamt erfolgreich mit den neuen Herren. Noch unter Odoaker oder Theoderich wurden die Privilegien der Senatoren bestätigt, man prägte Münzen mit der Legende SC (Senatus consultum), und es wurden weiterhin jährlich zwei Konsuln ernannt – je einer im Osten und einer in Italien. Im Colosseum erneuerte man um 500, wie erhaltene Inschriften beweisen, noch einmal die bevorzugten Sitze für die Senatoren. Nach 534 – im folgenden Jahr begann der Angriff der oströmischen Truppen auf das Ostgotenreich – ist für den Westen dann kein Konsul mehr aufgelistet, der Senat jedoch bestand weiter. Allerdings ruinierte der lange Krieg zwischen den Goten und Ostrom die Senatoren. Als Kaiser Justinian nach seinem Sieg 554 fast alle senatorischen Ämter Italiens (nur die Stadtpräfektur blieb erhalten) abschaffte, sank die Bedeutung des Senates noch einmal rapide, und mit dem Einfall der Langobarden war sein Schicksal endgültig besiegelt. Die letzte sicher bezeugte Aktion bestand in der Entsendung zweier Botschafter zum Reichsgericht in Konstantinopel in den Jahren 578 und 580. Auch bei der Erhebung von Papst Gregor dem Großen soll der Senat noch einmal eine kleine Rolle gespielt haben.

Seit 542 gab es auch in Konstantinopel keinen Konsul mehr, der Senat im Byzantinischen Reich bestand jedoch noch bis zu dessen Ende weiter – allerdings verschwand die oströmische Senatsaristokratie nach der Mitte des 7. Jahrhunderts. Sie wurde während der Abwehrkämpfe gegen die Araber durch neue Aufsteigerfamilien ersetzt, die aber nicht mehr über das alte Standesbewusstsein oder über die klassische Bildung (paideia) verfügten, die für die antiken Senatoren typisch gewesen waren. Der Senat der mittel- und spätbyzantinischen Ära erinnerte daher nur noch entfernt an jenen der Antike.

Senatorische Sonderbefugnisse und Geschäftsordnung

Der Senatsbeschluss

Der Senatsbeschluss (senatus consultum, abgekürzt SC), gelegentlich auch als decretum oder sententia bezeichnet, war eine Anweisung, die der Senat nach erfolgter Diskussion und Abstimmung einem Beamten erteilte. Theoretisch gesehen war ein solcher Beschluss (oder wörtlich: "Ratschlag") nicht bindend, in den Tagen der Republik wagte es jedoch kaum jemand, sich einem solchen "Rat" zu widersetzen, da dies eine Auflehnung gegen den expliziten Willen der Nobilität und damit in aller Regel das Karriereende bedeutet hätte.

Nach der Abstimmung wurde der Senatsbeschluss niedergeschrieben und im Saturntempel, in dem auch der Staatsschatz ruhte, archiviert. Weniger wichtige Schriftstücke, beispielsweise Protokolle, nicht sonderlich wichtige Reden und so weiter wurden im Tabularium, einem 78 v. Chr. erbauten Staatsarchiv, aufbewahrt. Zudem waren die Senatoren verpflichtet, ihre Beschlüsse zu veröffentlichen. Seit Caesar wurden die Beschlusslisten auf dem Forum Romanum für die gesamte Öffentlichkeit ausgehängt.

Bisweilen kam es vor, dass einem Senatsbeschluss verfassungsmäßige Hindernisse in den Weg gelegt wurden. So konnte es zum Beispiel vorkommen, dass ein Volkstribun sein Veto einlegte oder religiöse Bedenken bzw. Vorwände vorgebracht wurden. In diesem Fall wurde das Abstimmungsergebnis von einem senatus consultum zu einer senatus auctoritas, also einer Willensabsicht des Senats, herabgestuft und musste erneut zur Abstimmung vorgelegt werden.

Seit 133 v. Chr. existierte zusätzlich ein so genanntes senatus consultum ultimum, also ein außerordentlicher Senatsbeschluss, der bestimmten Beamten für eine gewisse Zeitdauer außerordentliche Rechte verlieh. Mit dieser Maßnahme sollte die Notwendigkeit der Ernennung eines Diktators möglichst selten vorkommen. In der Regel bestand diese Handlung darin, den beiden Konsuln für ihre einjährige Amtszeit uneingeschränkte Macht zu verleihen, um die angeblichen Feinde (hostes) des Staates mit allen Mitteln zu bekämpfen (Rechtsformel videant consules, ne quid res publica detrimenti capiat, dt. „mögen die Konsuln darauf schauen, dass das Gemeinwesen keinerlei Schaden nehme“). Die Rechtmäßigkeit dieses Instrumentes, mit dem sich der Senat in der späten Republik offen als die oberste Entscheidungsinstanz präsentierte (während dies ja theoretisch die diversen Volksversammlungen sein sollten), war allerdings stets sehr umstritten.

In der Kaiserzeit kamen unabhängig vom Kaiser eingebrachte Gesetzesabstimmungen immer seltener vor; der späteste bekannte Fall dieser Art lag vor, als 178 mit dem senatus consultum Orfitianum (lateinisch: orfanus = Waisenkind) per Gesetz das Vererbungsrecht im Falle des Todes einer Frau zugunsten ihrer Kinder neu geregelt wurde.

Rechtsprechung im Senat

Als Gegenmaßnahme zur schwindenden Macht des Senats unter den Kaisern wurde ab 4 v. Chr. dem Senat das Recht zugebilligt, in Fällen von repetundae (Prozess gegen einen Provinzstatthalter wegen illegaler Gelderaneignung) sowie maiestas (Hochverrat) in entsprechenden Ausschüssen Gericht zu sprechen. Mit dem ersten Fall dieser Art unter Augustus entwickelte sich so ein Gewohnheitsrecht.

Ein Prozess de repetundis (also über Rückforderung illegal erlangter Gelder) kam sehr häufig vor, da die Statthalter einer Provinz praktisch durch keinerlei Gesetz in ihrer Gier gezügelt werden konnten. Am bekanntesten ist hier wohl die von Plinius in seinen Briefen beschriebene Anklage gegen Marcus Priscus, den Statthalter von Africa. Plinius und Tacitus klagten hier gegen den Statthalter und behaupten übereinstimmend, dass der Angeklagte auch strafrechtliche Konsequenzen zu fürchten hatte.

Das Verfahren entsprach der üblichen Vorgehensweise bei Gerichtsprozessen: Je zwei Senatoren waren für Anklage beziehungsweise Verteidigung zuständig. Nach einem dreitägigen Prozess hielten alle vier Betreffenden ihre Abschlussrede. Danach wurden von den Konsuln und Prokonsuln verschiedene Strafen zur Debatte gestellt. Schlussendlich wurde mit einer Abstimmung über den Angeklagten geurteilt.

Die Anklage wegen maiestas ist weniger gut bekannt. Tatsächlich war der Begriff des Hochverrats bei den Römern extrem weit auslegbar; seit Augustus galt auch und vor allem die Beleidigung des Kaisers als ein Vergehen gegen die "Majestät" des Staates. Der Senat urteilte über Fälle, deren Bandbreite von einem bewaffneten Putsch bis hin zu der Mitnahme einer Münze (mit dem kaiserlichen Portrait darauf) auf die Toilette oder dem Verkauf einer Kaiserstatue reichen konnte. Theoretisch konnte fast jeder wegen Hochverrats angeklagt werden, sofern sich ein Ankläger fand, was unter anderem zu den Schrecken der Hochverratsprozesse unter Tiberius oder Nero führte, bei denen Hunderte umgebracht wurden, während es als Zeichen eines „guten“ Kaisers galt, solche Anklagen nicht zuzulassen, Senatoren zu verschonen oder zumindest den Senat über ihr Schicksal entscheiden zu lassen. Noch in der Spätantike gewährten einige Kaiser den Senatoren mitunter das Recht, über des Hochverrats angeklagte Standesgenossen zu Gericht zu sitzen – doch war dies nurmehr eine freundliche Geste des Herrschers. In solchen Fällen berief man nun meist das "Fünfmännergericht" (iudicium quinquevirale) ein, das aus dem Stadtpräfekten und vier weiteren Senatoren bestand und beispielsweise den Prozess gegen Boethius durchführte.

In zivilrechtlichen Angelegenheiten hatte der Senat bereits in der Republik gewisse Gerichtsbarkeitsmöglichkeiten, die in der Kaiserzeit ein wenig erweitert werden konnten. Jedoch ist in der späten Republik auch ein Fall bekannt, als vor dem Senat ein Hochverratsprozess durchgeführt wurde: Als Catilina mit seinem Putschversuch gescheitert war, wurde im Senat über ihn geurteilt. Verschiedene hohe Politiker, so Gaius Iulius Caesar, prangerten das als unrechtmäßig an und konnten die Hinrichtung der Catilinarier zwar so nicht verhindern, aber dem verantwortlichen Konsul Cicero später erhebliche Schwierigkeiten machen.

Siehe auch

Literatur

  • Jochen Bleicken: Die Verfassung der Römischen Republik. Schöningh, 7., völlig überarbeitete Auflage, Paderborn 1995 (UTB 460) ISBN 3-8252-0460-X
  • Ursula Hackl: Senat und Magistratur in Rom von der Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. bis zur Diktatur Sullas. Lassleben, Kallmünz/Opf 1982 ISBN 3-7847-4009-X
  • Arnold Hugh Martin Jones: The Later Roman Empire 284–602. A Social, Economic and Administrative Survey. 3 Bde. durchgehend nummeriert, Oxford 1964 (ND in 2 Bde., Baltimore 1986). (Umfassende Darstellung der Spätantike, in der auch auf den spätrömischen Senat eingegangen wird.)
  • Richard Talbert: The Senate of Imperial Rome. Princeton 1985, ISBN 0-691-05400-2 (Standardwerk)

Einzelnachweise

  1. Jochen Bleicken: Die Verfassung der römischen Republil. 3. Auflage. Schöningh, Paderborn 1982, ISBN 3-506-99173-6, S. 110.
  2. Zum Wandel der Senatsaristokratie, die förmlich „christianisiert“ wurde, vgl. die wichtige Studie von Salzman: Michele R. Salzman, The Making of a Christian Aristocracy: social and religious change in the western Roman Empire, Cambridge/Mass. 2002.


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