Semana tragica

Semana tragica
Arbeiterdemonstration während der „Tragischen Woche“ in Barcelona

Die tragische Woche (katalanisch Setmana Tràgica, spanisch Semana Trágica) ist die Bezeichnung für eine Serie blutiger Konfrontationen zwischen der von Anarchisten und Radikalrepublikanern unterstützten Arbeiterklasse Barcelonas und anderer katalanischer Städte und der spanischen Armee zwischen dem 25. Juli und dem 2. August 1909. Sie wurde durch 40.000 Einberufungsbefehle an Reservisten ausgelöst, die Premierminister Antonio Maura Montaner zur Verstärkung der spanischen Kolonialtruppen in Marokko am 9. Juli ausheben wollte.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Kriegsminister Arsenio Linares y Pombo mobilisierte die dritte gemischte Jägerbrigade in Katalonien, die sowohl aus Aktiven, als auch aus Reservisteneinheiten bestand. Unter ihnen waren 520 Mann, die ihren aktiven Wehrdienst bereits seit sechs Jahren beendet hatten und seitdem nicht wieder einberufen worden waren. Die Mehrheit der Einberufenen waren verheiratete Familienväter. Wer seine Einberufung vermeiden wollte, konnte sich freikaufen, was den Militärdienst zu einem Opfergang der Mittellosen machte. Gegen 6.000 Reales konnten sich Reiche einen Vertreter beschaffen, was jenseits der Möglichkeiten der Arbeiter lag.

Der Marokkokrieg, in dem die spanische Armee die Angriffe der Rifkabylen auf die spanische Bergwerksgesellschaft bei Melilla abwehren sollte, wurde von den katalanischen Arbeitern als ein Klassenkrieg angesehen, in dem es nicht um die nationalen Interessen Spaniens, sondern um die privaten Bereicherungs- und Bergbauinteressen der besitzenden Klasse ging. Diese Bergbaugesellschaft befand sich im Privatbesitz des liberalen Grafen Romanoes und des Markgrafen de Comillas. Nach einer Serie von Rückschlägen spanischer Verbände ereignete sich am 23. Juli 1909 die Katastrophe in der Wolfsschlucht, bei der 200 spanische Soldaten getötet wurden.

Verlauf

Daraufhin entfaltete sich im ganzen Land eine Woge anarchistische, anitmilitaristische und antikolonialistische Propaganda. Am Bahnhof Atocha in Madrid entluden sich die Spannungen und insbesondere die Gewerkschaft Solidaridad Obrera in der katalanischen Hauptstadt Barcelona, die durch Anarchisten und Sozialisten geleitet wurde, rief am Montag, dem 26. Juli 1909 zum Generalstreik auf. Obwohl der Zivilgouverneur Ossorio y Gallardo rechtzeitig eine Warnung vor wachsender Unzufriedenheit erhalten hatte, konnten sich die jóvenes bárbaros (dt. Junge Barbaren), die Parteijugend des Partido Republicano Radical Socialista (dt. Radikalsozialistisch-republikanische Partei) von Alejandro Lerroux provozierend und vandalisierend betätigen. Dienstags übernahmen Arbeiter Barcelona, indem sie Züge und Straßenbahnen anhielten und zu Barrikaden umstürzten. Donnerstags brach ein offener Straßenkampf aus, der von einem allgemeinen Aufstand, Streiks und Brandstiftungen begleitet war.

Viele der Aufständischen waren antimilitaristisch, antikolonial und – antiklerikal, wie insbesondere Lerroux’ Radikalrepublikaner. Lerroux hatte mit seiner radikalen republikanisch-antikapitalistisch-kirchenfeindlichen Rhetorik in Barcelona viele Anhänger gewonnen. Der Generalstreik und die Antikriegsdemonstrationen wandelten sich in einen anarchistischen und antiklerikalen Aufstand. Die Aufständischen verdächtigten die Kirche und den Klerus, Teil der korrupten bourgeoisen Struktur zu sein, deren Söhne nicht in den Krieg ziehen mussten, aber vom Proletariat die Erfüllung patriotischer Pflichten einforderte. Lerroux machte die Kirche für die Unwissenheit und Armut der Arbeiter verantwortlich, da sie die Bildung in Spanien dominierte und nicht unwesentliche Eigentümerin von Immobilien und Ländereien war. Anarchistische Elemente in der Stadt warfen Brandsätze auf Kirchen und Klöster, von kirchlichen Institutionen unterhaltene Schulen und kirchliche Asyle.

Nach Beginn der Unruhen in der Innenstadt Barcelonas schossen Sicherheitskräfte auf Demonstranten in den Ramblas, um den Bau von Straßenbarrikaden zu unterbinden, was zu vielen Verletzten führte. Die Zentralregierung, die das Kriegsrecht verhängte, entsandte die Armee, um die Revolte zu unterdrücken; Hunderte von Menschen wurden dabei getötet. Nachdem die in Barcelona stationierten Truppen sich weigerten, auf ihre Landsleute zu schießen, wurden Truppen aus Valencia, Saragossa, Pamplona und Burgos herangeführt, die letztlich den Aufstand niederwarfen.

Nachspiel

Die Aufstände forderten 8 Tote und 124 Verwundete unter den Kräften der Polizei und Armee. Nach unterschiedlichen Berichten wurden 104 bzw. 150 Zivilisten getötet. Die Reaktion der Zentralregierung auf die Aufstände war nicht nur brutal, sondern willkürlich. Über 2.500 Personen wurden festgenommen, von denen 1.700 vor Militärgerichten wegen bewaffneter Rebellion verurteilt wurden. 17 Personen wurden zum Tode verurteilt und 5 von ihnen hingerichtet. Unter ihnen befand sich der Gründer der Escuela Moderna, der Pädagoge Francisco Ferrer, dem vorgeworfen wurde, der Anführer des Aufstands zu sein. Seine Hinrichtung am 13. Oktober 1909 zusammen mit vier anderen in der Kaserne Montjuïc löste in ganz Europa Proteste aus, da er bei den Ereignissen keine bedeutende Rolle gespielt hatte. 59 Personen wurden zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt. Die Verfassung wurde bis November suspendiert, anarchistische und linksnationalistische Zeitungen wurden verboten, kulturelle Arbeiterzentren und Versammlungsorte, sowie weit über 100 laizistische Schulen wurden geschlossen. Alejandro Lerroux floh ins Exil.

Aufgrund der allgemeinen Verurteilung in der europäischen Presse war König Alfons XIII. durch die Reaktion zu Hause und im Ausland alarmiert. Demonstrationen und Anschläge vor bzw. auf die Botschaften waren die Folge. Daraufhin löste der König den konservativen Premierminister Antonio Maura durch den liberalen Segismundo Moret y Prendergast im Gefolge der traurigen Woche ab. Die Pläne des Parteichefs der Konservativen einer „Revolution von oben“ waren damit endgültig erledigt.

An der Kolonialpolitik änderte der Aufstand nichts. Trotz der überwältigenden, landesweiten Wirkung des Aufstands erfolgte keine Revision der allgemeinen Politik.

Die tragische Woche wurde 1977 während der Transición in dem katalanischen Film La Ciutat cremada (dt. Die verbrannte Stadt) Gegenstand einer filmischen Darstellung – siebenundsechzig Jahre nach den tragischen Ereignissen, zwei Jahre nach dem Tod des Diktators Francisco Franco.

Literatur


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