Selbstversenkung

Selbstversenkung

Als Selbstversenkung eines Schiffes bezeichnet man die absichtliche Versenkung durch die eigene Mannschaft. Sie geschieht in der Regel durch das Öffnen des Rumpfes unterhalb der Wasserlinie. In der Geschichte wurden Selbstversenkungen von einzelnen Schiffen und ganzen Flotten aus verschiedenen Gründen herbeigeführt. Dabei gerieten oft diejenigen, die die Maßnahmen der Selbstversenkung durchführten, in Gefahr, sich nicht mehr rechtzeitig von dem sinkenden Schiff retten zu können.

Inhaltsverzeichnis

Methoden

Jedes Schiff kann selbstversenkt werden, indem der Rumpf durch Sprengladungen aufgerissen wird. Dies ist bei Einsatz ausreichender Sprengmittel oft die schnellste Methode, ein Schiff zu versenken.

Außerdem kann das Aufreißen des Schiffsrumpfes auch durch das gezielte Rammen von Hindernissen wie Riffen oder Felsen herbeigeführt werden. Diese Methode ist besonders geeignet, eine Selbstversenkung wie einen Unfall erscheinen zu lassen. Dabei besteht aber auch die Möglichkeit, dass das Schiff auf dem Hindernis aufliegen bleibt und darum nicht versinkt.

Bei Schiffen mit Holz- oder Kunststoffhüllen kann man das eigene Schiff versenken, indem man mit Äxten oder ähnlichen Werkzeugen Löcher in die Bordwand schlägt oder das Schiff in Brand setzt, wodurch letztlich auch der Rumpf undicht wird. Bei Schiffen mit Metallrümpfen müssen andere Maßnahmen angewendet werden.

  • Dazu können vorhandene Öffnungen im Rumpf unterhalb der Wasserlinie, die z. B. Kühlwasser zur Maschine leiten oder Abwässer ableiten, zum Schiffsinneren geöffnet werden. Dies kann durch das Öffnen von Seeventilen oder das Lösen von angeschlossenen Leitungen erfolgen. Da diese Leitungsöffnungen in der Regel klein sind, würden sie alleine das Versinken des Schiffes nur sehr langsam herbeiführen.
  • Ab dem 18. Jahrhundert wurden sogenannte Bodenventile im Schiffskörper angebracht. Eigentlich dazu gedacht in der Werft Bilgenwasser ablaufen zu lassen, konnte durch diese Öffnungen auch Wasser in den Schiffskörper einlaufen und diesen zum Sinken bringen.
  • Zusätzlich kamen später auch Flutventile in Gebrauch, die zur Trimmung bei ungleichmäßiger Beladung oder bei Kriegsschiffen zum Gegenfluten nach Beschädigungen vorgesehen waren. Um diese zum Selbstversenken eines Schiffes zu nutzen, müssen bei modernen Schiffen zusätzlich die Luken zwischen den wasserdichten Abteilungen, die sonst Wassereinbrüche begrenzen, geöffnet werden.

Zweck

Meistens geschahen Selbstversenkungen in kriegerischen Auseinandersetzungen, um Schiffe nicht dem Gegner in die Hände fallen zu lassen, damit sie nicht gegen den Eigentümer eingesetzt werden konnten oder an Bord keine Erkenntnisse über Militärtechnik oder Geheimdokumente gewonnen werden konnten. In einzelnen Fällen war dabei nicht die endgültige Zerstörung beabsichtigt, sondern das Schiff sollte später wieder für den eigenen Gebrauch gehoben und instandgesetzt werden können. Zumeist ältere Schiffe wurden durch Selbstversenkung auch als Mittel der Kriegsführung zur Blockade von Häfen oder Seewegen genutzt.

Handelsschiffe und Sportboote werden auch immer wieder in betrügerischer Absicht selbstversenkt, um eine (überhöhte) Versicherungsprämie ausgezahlt zu bekommen.

Nur im weiteren Sinne selbstversenkt wurden Schiffe auch als Wellenbrecher in flachem Wasser und als fester Untergrund zum Anlegen anderer Schiffe. Bei der Landung der Alliierten in der Normandie im Zweiten Weltkrieg wurden so zwei künstliche Häfen (→Mulberry-Hafen) zur Anlandung der Truppen geschaffen. In neuerer Zeit wurden wiederholt Schiffe als künstliche Riffe und Attraktionen im Tauchtourismus versenkt. Dies stellt im eigentlichen Sinne keine Selbstversenkung mehr dar, da diese Schiffe schon außer Dienst waren, für die Versenkung technisch vorbereitet wurden und gar keine Besatzung mehr hatten, die eine Selbstversenkung durchführen konnte.

Beispiele

Die Admiral Graf Spee brannte drei Tage, bevor sie sank
Selbstversenkung der Vichy-Flotte im Port militaire de Toulon 1942
  • Im 11. Jahrhundert versenkten Wikinger bei Skuldelev im Roskildefjord wiederholt mit Steinen beladene Schiffe, um die Zufahrt durch den Fjord zu erschweren oder zu blockieren.
  • 1916 wurde das Dampfschiff Graf Goetzen von seinen deutschen Besatzungsmitgliedern in seichten Gewässern des Tanganjikasees versenkt. Dabei wurden die Laderäume mit Sand gefüllt und die Maschine stark eingefettet, um eine spätere Wiederinbetriebnahme zu erleichtern.
  • 1919 versenkte sich die Kaiserliche Hochseeflotte in Scapa Flow, um eine Übernahme durch die Weltkriegssieger zu verhindern. Dazu wurden die Flutventile geöffnet und anschließend so behandelt, dass sie nicht mehr zu schließen waren, und die Türen zwischen den wasserdichten Sektionen in offener Stellung verkeilt.
  • Am 6. Dezember 1939 wurde das deutsche Passagierschiff Ussukuma selbstversenkt, um nicht von dem britischen Kreuzer HMS Ajax aufgebracht zu werden.
  • Im Dezember 1939 versenkte die Besatzung die Admiral Graf Spee der deutschen Kriegsmarine selbst vor der Küste Uruguays, da der Kapitän sein Schiff nach kurzem Einsatz zu Beginn des Zweiten Weltkrieges in aussichtsloser Situation sah.
  • 1942 versenkte sich die Flotte des französischen Vichy-Regimes auf Befehl der Admiralität in Toulon selbst. Die Schiffe sollten der Übernahme durch die Deutschen entzogen werden.
  • Am 29. August 1943 versenkte sich der größte Teil der dänischen Marine selbst, um eine Übernahme der Schiffe durch die deutsche Kriegsmarine zu verhindern. Einige Einheiten entkamen nach Schweden und bildeten dort die Dänische Flottille.
  • Im Zweiten Weltkrieg versenkten sich deutsche U-Boote, die in aussichtsloser Lage zum Auftauchen gezwungen waren, selbst. Auch kurz vor und nach der Kapitulation der Wehrmacht im Mai 1945 wurde ein großer Teil der noch verbliebenen U-Boote nach Ausgabe des Codes „Regenbogen“ von den eigenen Besatzungen versenkt.

Quellen

  • Gino Galuppini: Enzyklopädie der Kriegsschiffe. Weltbildverlag, Augsburg 1995, ISBN 3-89350-828-7
  • Dan van der Vat: Schlachtfeld Atlantik. Heyne Verlag, München 1990, ISBN 3-453-04230-1

Siehe auch


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