Sekundärer Alkohol

Sekundärer Alkohol
Die funktionelle Gruppe der Alkohole

Als Alkohole (aus dem Arabischen al-kuhūl الكحول, oder al-ghawl الغول: „das Allerfeinste“ (Antimonpulver), „reine Substanz“, „Essenz“) bezeichnet die Chemie organische Verbindungen, die mindestens eine funktionelle Hydroxylgruppe (–O–H) und an demselben Kohlenstoffatom keine höherwertigen Substituenten besitzen. In allen aliphatischen Alkoholen ist die Hydroxylgruppe an ein sp3-hybridisiertes Kohlenstoffatom (C-Atom mit 4 Substituenten) gebunden. Ist die Hydroxylgruppe dagegen an ein Kohlenstoffatom gebunden, das Teil eines aromatischen Ringes ist, so nennt man die Verbindungen Phenole, die nicht zu den Alkoholen gezählt werden, weil dort die Hydroxylgruppe wie in einer Carboxylgruppe sauer reagiert.[1][2]

Alkohole, die sich von den Alkanen ableiten, werden nach IUPAC als Alkanole bezeichnet. Ethanol, welches umgangssprachlich als „Alkohol“ bezeichnet wird, ist namensgebend für die Gruppe der Alkohole.

Inhaltsverzeichnis

Nomenklatur

Der Name einfacher Alkohole ergibt sich als Zusammensetzung aus dem Namen des ursprünglichen Alkans, plus die Endung „-ol“. Zusätzlich wird die Position der OH-Gruppe durch eine vorangestellte Zahl verdeutlicht, z. B. Propan-2-ol.

Einteilung

Zahl der Nichtwasserstoffnachbarn

von links nach rechts: Methanol, Ethanol (primär), Propan-2-ol (sekundär), tert-Butanol (tertiär)

Man unterscheidet Alkohole nach der Zahl der Nichtwasserstoffnachbarn des Kohlenstoffatoms, an welchem sich die OH-Gruppe befindet. Bei primären Alkoholen trägt es zwei, bei sekundären ein und bei tertiären kein Wasserstoffatom. Ein Sonderfall ist das Methanol, das neben der Hydroxygruppe drei Wasserstoffatome am Kohlenstoffatom trägt.

Wertigkeit der Alkohole

Ist mehr als eine Hydroxylgruppe in einem Alkoholmolekül vorhanden, wird deren Anzahl durch Einfügen einer der Anzahl der Hydroxylgruppen entsprechenden griechischen Silbe (-di-, -tri-, usw.) vor der Endung -ol angegeben und man spricht von mehrwertigen Alkoholen. Ein Alkandiol ist das Ethylenglykol (Ethan-1,2-diol, auch Ethylenglykol), ein Alkantriol das Glycerin (Propan-1,2,3-triol). Die Zahl vor der Endung -ol gibt die Position der funktionellen Gruppe(n) an. Dies gilt auch für einwertige Alkohole, z. B. Propan-2-ol (Trivialname Isopropanol).

Glykole, Diole, Polyole

Doppel- bzw. Dreifachbindungen

In Bezug auf das Vorhandensein von Doppel- bzw. Dreifachbindungen unterscheidet man Alkanole, Alkenole und Alkinole.

Kettenlänge

Über die Kettenlänge werden Alkohole ebenfalls unterschieden. Die Bezeichnung Fettalkohole verwendet man für Alkohole mit endständiger primärer –OH-Gruppe mit gerader Kette und einer Länge von sechs (Hexanol) bis hin zu 22 Kohlenstoffatomen (Behenylalkohol). Sie werden meist durch Reduktion der –COOH-Gruppe aus Fettsäuren gewonnen. Die höheren primären Alkohole mit 24 bis 36 Kohlenstoffatome bezeichnet man als Wachsalkohole.

Physikalische Eigenschaften

Hohe Siedepunkte

Wasserstoffbrückenbindung zwischen Alkoholen
Abhängigkeit des Siedepunktes von der Anzahl der OH-Gruppen

Sauerstoff ist elektronegativer als Wasserstoff und Kohlenstoff, d. h. er zieht Elektronen stärker an als diese. Das führt zu einer unsymmetrischen Verteilung der Elektronen entlang der C-O-H-Bindung, man spricht von einer polaren Bindung, es bildet sich ein molekularer Dipol aus. Diese Dipole können untereinander Wasserstoffbrückenbindungen ausbilden, die die Anziehung der einzelnen Moleküle untereinander drastisch verstärken. Dies führt für Alkohole zu relativ hohen Siedepunkten gegenüber ihren unpolaren Homologen vergleichbarer molarer Masse (z. B. Alkane). So hat beispielsweise das unpolare Methan (CH4) einen Siedepunkt von -162 °C, während Methanol (CH3OH) diesen erst bei 65 °C erreicht.

Zusammenfassend:

  1. Im Vergleich zu Alkanen mit einer vergleichbaren molaren Masse haben Alkohole einen höheren Schmelz- und Siedepunkt, da die Hydroxylgruppe (OH-Gruppe) Wasserstoffbrückenbindungen ausbildet.
  2. Je mehr Hydroxylgruppen ein Molekül aufweist, desto mehr Wasserstoffbrückenbindungen können ausgebildet werden und desto höher ist der Siedepunkt.
  3. Zwischen den Alkylresten bilden sich zusätzlich Van-der-Waals-Kräfte aus. Deswegen steigt der Siedepunkt mit der Länge des Alkylrestes
  4. Da die Stärke der Van-der-Waals-Wechselwirkungen nicht nur von der Größe des Alkylrestes, sondern auch von dessen Oberfläche abhängig ist, weisen stark verzweigte, eher kugelförmige Moleküle mit einer mittelständigen Hydroxylgruppe einen niedrigeren Siedepunkt als unverzweigte, langgestreckte, primäre Alkohole auf.

Hydrophilie

Die OH-Gruppe ist ebenfalls in der Lage, Wasserstoffbrückenbindungen mit Wasser einzugehen. Sie erhöht damit die Hydrophilie, die Wasserlöslichkeit, der Verbindung. Organische Alkylreste selbst sind nicht wasserlöslich, also hydrophob. Die Wasserlöslichkeit sinkt daher mit der Größe des organischen Anteils und steigt mit der Zahl der Hydroxylgruppen.

Zusammenfassend:

  1. Die Hydroxylgruppe eines Alkohols ist aufgrund der ungleichen Ladungsverteilung polar. Somit ist die Fähigkeit derselben, auch zu ebenfalls polaren Wassermolekülen Wasserstoffbrückenbindungen ausbilden zu können, für die gute Löslichkeit vor allem kurzkettiger Alkohole verantwortlich.
  2. Je mehr Hydroxylgruppen ein Alkohol aufweist, desto mehr Wasserstoffbrücken können diese mit dem Wasser ausbilden. Daher steigt mit wachsender Anzahl der hydrophilen Hydroxylgruppen die Wasserlöslichkeit.
  3. Diesem Effekt wirkt allerdings der hydrophobe, also wasserabweisende, unpolare Alkylrest entgegen: Je länger er ist, desto geringer ist die Wasserlöslichkeit des Alkohols.

Azidität

Der pKs-Wert (Säurestärke) von Alkoholen liegt bei etwa 15. Sie reagieren somit in wässriger Lösung näherungsweise neutral. Es ist möglich, sie mit einer starken Base zu deprotonieren. Die deprotonierte Form eines Alkohols heißt Alkoholat. Ebenso ist es möglich, sie in gewissem Umfang mit starken Säuren zu protonieren:

Industriell werden Alkoholate durch Umsetzung der entsprechenden Alkohole mit elementarem Natrium hergestellt:

\mathrm{2 \; ROH + 2 \; Na \longrightarrow 2 \; RO^{-}+ 2 \; Na^{+} + H_2}

Spektroskopie von Alkoholen

Im IR-Spektrum von Alkoholen ist deutlich die breite Bande der O-H-Valenzschwingung im Bereich von 3200–3650 cm−1 zu erkennen. Die Breite des Peaks wird durch Wasserstoffbrückenbindungen mit Wassermolekülen verursacht und ist in Spektren von wasserfreien Alkoholen in einem engeren Bereich von 3620–3650 cm−1 zu finden.

Chemische Eigenschaften

Reaktion mit konz. Schwefelsäure

Unterhalb von 140 °C bildet sich der Ester der Schwefelsäure.

\mathrm{R{-}CH_2OH + H_2SO_4 \longrightarrow R{-}CH_2{-}O{-}SO_3H + H_2O}

Bei ca. 140 °C findet die Kondensationsreaktion zu einem Ether statt.

\mathrm{2 \ R{-}CH_2OH \longrightarrow R{-}CH_2{-}O{-}CH_2{-}R + H_2O}

Oberhalb von 170 °C werden primäre Alkohole zu Alkenen dehydratisiert. (Eliminierung)

\mathrm{R{-}CH_2{-}CH_2OH \longrightarrow R{-}CH{=}CH_2 + H_2O}

Veresterung

Mit Carbonsäuren reagieren Alkohole unter Wasserabgabe zu Estern, diese Reaktion wird auch Veresterung genannt. Diese Reaktion wird durch Säuren katalysiert.

Oxidation

Primäre Alkohole lassen sich zu Aldehyden, sekundäre Alkohole zu Ketonen oxidieren. Tertiäre Alkohole lassen sich nicht weiter oxidieren, es sei denn unter Zerstörung des Kohlenstoffgerüsts.

Oxidation eines primären Alkohols zu einem Aldehyd (Alkanal):

\mathrm{R{-}CH_2OH + CuO \longrightarrow R{-}CHO + Cu + H_2O}

Oxidation eines sekundären Alkohols zu einem Keton:

\mathrm{R{-}CHOH{-}R + CuO \longrightarrow R{-}CO{-}R + Cu + H_2O}

Acetalbildung

Mit Aldehyden reagieren Alkohole in Gegenwart saurer Katalysatoren zu Halbacetalen bzw. Acetalen.

Nachweis von Alkoholen

Umsetzung mit metallischem Natrium

Wenn man zu einer flüssigen Alkoholprobe Natrium hinzufügt, so entsteht Wasserstoff, welches man mit der Knallgasprobe nachweisen kann. Diese Methode gilt zwar als Alkoholnachweis, ist jedoch nicht eindeutig, da alle ausreichend protonenaktiven Substanzen, z. B. Carbonsäuren, anorganische Säuren oder Wasser, die gleiche Reaktion eingehen.

Alcotest

Der Umsatz von Alkoholen mit Dichromaten in schwefelsaurer Lösung ist geeignet, um Alkohole quantitativ nachzuweisen und wurde früher in den Alcotest-Röhrchen eingesetzt:

\mathrm{3 \ CH_3CH_2OH + Cr_2O_7^{2-} + 8 \ H^+ \longrightarrow 3 \ CH_3CHO + 2 \ Cr^{3+} + 7 \ H_2O}

Das Nachweisprinzip beruht auf dem Farbumschlag von gelb-orange (saure Dichromatlösung) nach grün (Chrom(III)-Ionen) und kann spektralphotometrisch gemessen werden.

Certest

Eine weitere Möglichkeit besteht in der Umsetzung mit Cer(IV)-ammoniumnitrat. Hierbei wird eine konzentrierte Lösung von Cer(IV)-ammoniumnitrat mit einer verdünnten Lösung der unbekannten Substanz versetzt. Enthält die unbekannte Substanz Alkohol-Gruppen, färbt sich das Gemisch rot (manchmal auch grün). Enthält die Substanz Phenole, fällt ein brauner Niederschlag aus. Der Grund für diese Farbreaktion ist eine Komplexbildung, genauer gesagt eine Ligandensubstitution, bei der ein Alkohol/Phenol mit dem Sauerstoffatom am Cer(IV) koordiniert. Durch die Veränderung der Ligandensphäre verändert sich die Farbe des Cer(IV) von hellgelb zu rot/grün/braun. Leicht oxidierbare Alkohole/Phenole können einen negativen Nachweis ergeben, indem sie das Cer(IV) zu Cer(III) reduzieren.

Lucas-Reagenz

Der Nachweis des Substitutionsgrades eines Alkohols, also ob es sich dabei um einen primären, sekundären oder tertiären Alkohol handelt, erfolgt über nucleophile Substitution der OH-Gruppe gegen Chlorid durch die Lucas-Probe. Die Substitution hat zur Folge, dass sich die entstehende Substanz nicht mehr in Wasser löst und damit eine eigene Phase ausbildet. Dabei ist die Geschwindigkeit dieser Phasenbildung entscheidend:

  • Tertiäre Alkohole reagieren bei Raumtemperatur und schnell,
  • Sekundäre Alkohole reagieren träge, u. U. ist eine Erwärmung nötig,
  • Primäre Alkohole reagieren auch beim Erwärmen nur sehr langsam oder gar nicht.

Voraussetzung für diesen Test ist, dass sich der ursprüngliche Alkohol im Wasser löst. Auch darf keine andere unter den Reaktionsbedingungen substituierbare Gruppe vorliegen.

Spektroskopie und Derivatisierung

Die eindeutige Identifizierung eines unbekannten Alkohols erfolgt entweder spektroskopisch oder durch Synthese eines charakteristischen Derivates, das einen Schmelzpunkt hat, der von den Schmelzpunkten gleicher Derivate ähnlicher Alkohole gut zu unterscheiden ist. Oftmals werden sie über Ester der 4-Nitrobenzoesäure oder der 3,5-Dinitrobenzoesäure identifiziert. Hierzu wird die zu analysierende Substanz in Gegenwart geringer Mengen Schwefelsäure umgesetzt. Die Schmelzpunkte dieser Derivate sind in der Regel scharf.

Nachweis von Isopropanol als Derivat der 4-Nitrobenzoesäure:
4-Nitrobenzoesäure-2-propylester (Smp.: 100,5 °C[3])
Nachweis von Isopropanol als Derivat der 3,5-Dinitrobenzoesäure:
3,5-Dinitrobenzoesäure-2-propylester (Smp.: 123 °C[3])

Die Derivate der 3,5-Dinitrobenzoesäure besitzen in der Regel höhere Schmelzpunkte als die der 4-Nitrobenzoesäure.[3] Sie werden dann bevorzugt gewählt, wenn der Schmelzpunkt mit der 4-Nitrobenzoesäure zu niedrig ist und keine genaue Bestimmung mehr möglich wird.

Liste wichtiger Alkohole mit Schmelz- und Siedepunkten

Einzelnachweise

  1. MS Encarta: Alkohole, abgerufen am 11. Oktober 2008
  2. R. E. Dickerson, I. Geis: Chemie: Eine lebendige und anschauliche Einführung. Wiley-VCH, 1999, ISBN 9783527298822
  3. a b c CRC Handbook of Tables for Organic Compound Identification, Third Edition, 1984, ISBN 0-8493-0303-6.
  4. Cyclopentanol bei ChemIDplus

Weblinks


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