Seebad Prora

Seebad Prora
Der „Koloss von Prora“ von der Meerseite
Plan Prora 1945/2009

Das Seebad Prora war ein zwischen 1935 und 1939 geplantes und zum Teil auch errichtetes Seebad auf Rügen. Nach seiner Fertigstellung sollten hier durch die Organisation Kraft durch Freude (KdF) 20.000 Menschen gleichzeitig Urlaub machen können. Nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges wurden die Bauarbeiten jedoch eingestellt, so dass heute der Koloss von Prora den Kern des Komplexes bildet. Dies sind acht auf einer Länge von etwa 4,5 Kilometern entlang der Küste aneinandergereihte baugleiche Häuserblocks, die ursprünglich Gästehäuser werden sollten. Da die zukünftige Nutzung weiterhin ungeklärt ist, verfällt der denkmalgeschützte Komplex zusehends.

Inhaltsverzeichnis

Lage

Der Koloss von Prora liegt auf der Ostseeinsel Rügen zwischen den Orten Sassnitz und Binz an der Prorer Wiek, einer weitläufigen Meeresbucht, auf der so genannten Schmalen Heide (mit der Prora, einer bewaldeten Hügelkette), die den Kleinen Jasmunder Bodden vom Prorer Wiek der Ostsee trennt. Der Bau des Seebades führte in der direkten Umgebung zur Entstehung des Binzer Ortsteils Prora. Der Gebäuderiegel erstreckt sich über eine Länge von etwa fünf Kilometern in einem Abstand von circa 150 Metern zum Strand. Die Küste der Schmalen Heide bietet einen langen flachen Sandstrand, der von Binz bis zum neuen Fährhafen Sassnitz im Ortsteil Neu Mukran reicht und ideal für die Errichtung eines Seebades war. Der Bereich zwischen Gebäuden und Küste ist heute mit Kiefern und niedrigem Gebüsch bewachsen.

Hintergrund

„Koloss von Prora“ von der Landseite mit rechtwinkelig herausragenden Treppenhäusern mit Sanitäranlagen

Während der Zeit des Nationalsozialismus betrieb der Staat eine umfangreiche, ideologisch besetzte Sozialpolitik. Die Organisation Kraft durch Freude sollte durch Projekte wie den KdF-Wagen und günstigen Urlaub den allgemeinen Lebensstandard der Bevölkerung heben. Neben Kreuzfahrten auf KdF-eigenen Schiffen war der Bau von insgesamt fünf Seebädern für jeweils 20.000 Menschen geplant, die es der Bevölkerung ermöglichen sollten, günstig und propagandistisch beeinflusst jeweils zwei Wochen im Jahr Urlaub zu machen. Das einzige in Teilen realisierte Projekt aus diesem Plan ist das KdF-Seebad Rügen, Prora.

Architektur und Konzeption

Panorama der Seeseite eines Blocks des Prora-Komplexes (der Eindruck der Krümmung entsteht durch den nahen Sichtpunkt und Zylinderprojektion)
Panorama der Seeseite eines Blocks des Prora-Komplexes (der Eindruck der Krümmung entsteht durch den nahen Sichtpunkt und Zylinderprojektion)

Vorlage:Panorama/Wartung/Para4

Panorama der Landseite eines Blocks des Prora-Komplexes
Panorama der Landseite eines Blocks des Prora-Komplexes

Vorlage:Panorama/Wartung/Para4

Der Auftrag zur Errichtung des Seebades wurde nach einer Ausschreibung im Februar 1936 an den Architekten Clemens Klotz (1886–1969) erteilt. Zwar waren insgesamt zehn renommierte Architekten an dem Verfahren beteiligt, allerdings hatte Klotz bereits andere nationalsozialistische Propagandabauten errichtet und im Auftrag seines Förderers, des KdF-Führers Robert Ley, auch für diese Anlage vorher schon Pläne entwickelt. Sie wurden nach dem Wettbewerb auf Weisung Hitlers nur dahingehend modifiziert, dass aus dem Entwurf des Architekten Erich Putlitz die große Festhalle als weiteres zentrales Element übernommen und architektonisch angepasst wurde. Der Gesamtentwurf wurde auf der Weltausstellung in Paris 1937 mit einem Grand Prix ausgezeichnet. Er wurde während der Bauausführung bis 1939 noch verändert; zum Beispiel verzichtete man auf die genannte Festhalle.

Typisches Zimmer im vierten Stock mit Meerblick (Zustand 11.2010)

Die Planungen sahen vor, für die Unterbringung der Urlauber acht jeweils 550 Meter lange, sechsgeschossige, völlig gleichartige Häuserblocks mit insgesamt 10.000 Gästezimmern zu errichten. Durch diese langgestreckte, über etwa fünf Kilometer entlang der Küstenlinie reichende Bauweise sollte erreicht werden, dass alle Zimmer Meerblick hatten, während die Flure zur Landseite hin gelegen waren. Die geplante Ausstattung der nur 2,5 mal 5 Meter großen Zimmer, von denen jeweils zwei mittels einer Tür verbunden werden konnten, war an heutigen Maßstäben gemessen recht karg: zwei Betten, eine Sitzecke, ein Schrank und ein Handwaschbecken. Weitere sanitäre Einrichtungen fanden sich jeweils in den landwärts gerichteten Treppenhäusern der Blocks. Alle Gästezimmer sollten über Lautsprecher verfügen.

Aus der Uniformität der Architektur der Gästeblocks und der sehr zweckmäßigen Einrichtung, die zusammengenommen eine Errichtung nach dem Baukastenprinzip erlaubten, wird deutlich, dass hier anders als bei anderen nationalsozialistischen Großprojekten zumindest in diesem Teil der Anlage die Funktionalität über die Architektur gestellt wurde.

Das Leben in der Ferienanlage sollte, dem totalitären Anspruch des Systems folgend, in der Gemeinschaft stattfinden. Zu diesem Zweck waren Gemeinschaftshäuser mit Gastronomie- und Wirtschaftsräumen sowie Kegelbahnen und Leseräumen geplant, die in regelmäßigen Abständen „wellenbrecherartig“ küstenwärts aus der Häuserfront heraus gebaut wurden. Offene, beheizbare Liegehallen innerhalb der Bettentrakte sollten den Urlaub vom Wetter unabhängiger machen.[1] Als weitere Gemeinschaftseinrichtungen sollten unter anderem zwei Wellenschwimmbäder, ein Kino und mehrere Gastronomiebetriebe errichtet werden. Weitere zentrale Elemente der Anlage waren der in der Mitte zwischen den Blocks geplante Aufmarschplatz und die Kaianlagen, die ein Anlegen von Seebäderschiffen ermöglichen sollten.

Parallel zu den Anlagen für die Urlauber musste die komplette Infrastruktur für eine derartige Menge Menschen aufgebaut werden. Landeinwärts wurden zu diesem Zweck ein Bahnhof, Personal- und Wirtschaftsgebäude geplant und auch zum Teil realisiert.

Von der ursprünglichen Planung der Hauptanlage konnten bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges nur die Bettenhäuser und die südliche Festplatzrandbebauung fertiggestellt werden. Baudirektor und Oberbauleiter war Willi Heidrich. Nach dem Krieg wurde der südlichste Block von der Roten Armee gesprengt und abgetragen und die beiden nördlichen Blocks nach Sprengübungen als Ruine hinterlassen. Der nachfolgende Nutzer, die Kasernierte Volkspolizei, komplettierte bis 1956 die Rohbauten. Da diese als Kasernen aber in erster Linie zweckmäßig sein mussten und die Originalpläne nicht mehr verfügbar waren, lässt sich an den Blocks heute zum Teil deutlich nachweisen, in welcher Periode Teile des Baus ergänzt wurden.

Heute steht der gesamte Komplex unter Denkmalschutz.

Bau

Die für das Seebad Prora benötigten Flächen wurden durch die KdF-Organisation bereits 1935 von Malte zu Putbus erworben. Die Grundsteinlegung erfolgte am 2. Mai 1936, obwohl zu diesem Zeitpunkt die Ausschreibung für das Bauvorhaben noch lief. Der Termin war aber bewusst so früh gewählt worden, weil es sich um den symbolträchtigen dritten Jahrestag der Gewerkschaftszerschlagung handelte. Die eigentlichen Arbeiten begannen erst ein halbes Jahr später.

Das KdF Seebad Prora während der Bauphase

In den drei Jahren zwischen 1936 und 1939 wurden die acht Gästeblöcke errichtet. Neun renommierte Baufirmen (Philipp Holzmann, Hochtief, Dyckerhoff & Widmann, Siemens-Bauunion, Boswau & Knauer, DEUBAU, Sager & Woerner, Polensky & Zöllner, Beton- und Monierbau) waren an den Bauarbeiten beteiligt, es arbeiteten zeitweise 9.000 Bauarbeiter am KdF-Seebad Rügen. Außer der Firma Sager & Woerner (Bau der Kaianlage) errichteten alle anderen beteiligten Baufirmen jeweils einen Block, es entwickelte sich dabei eine Art Wettbewerb um die schnellste Bauleistung.

Damals fanden die Bauarbeiten internationale Beachtung. So wurde bei der Weltausstellung 1937 in Paris ein Modell des Seebades Prora mit einem Grand Prix ausgezeichnet.[2] Zu diesem Zeitpunkt zeichnete sich ab, dass die von DAF-Chef Robert Ley vorgegebene Kostengrenze in Höhe von 50 Mio. Reichsmark (40 Mio. RM Baukosten und 10 Mio. RM Ausstattung) deutlich überschritten wurde. Eine von der KdF-Bauleitung 1938 erstellte „Kostenzusammenstellung zum Neubau des KDF-Seebades Rügen“ beziffert die Baukosten auf 237,5 Mio. RM (heutiger Gegenwert etwa 800 Mio. € bis 1 Mrd. €).[3]

Bei Kriegsbeginn 1939 wurden die Bauarbeiten weitgehend gestoppt. Mit Ausnahme eines Blocks waren die acht Wohnblöcke, die südliche Festplatzrandbebauung und die Kaianlage bereits im Rohbau fertiggestellt, nicht jedoch die Schwimmbäder, die Festhalle und weite Teile der Wirtschaftsgebäude. Sie wurden niemals verwirklicht. An den Rohbauten wurden noch die nötigsten Sicherungsarbeiten durchgeführt, dann wurden die Bautätigkeiten endgültig eingestellt. Das angelieferte Baumaterial verblieb vor Ort, was auf eine geplante Wiederaufnahme der Arbeiten nach Kriegsende schließen lässt.

Nutzung

1939–1945

Im Krieg diente die Anlage als Ausbildungsstätte für Luftwaffenhelferinnen und ein Polizeibataillon. 1943 wurden Teile der südlichen Blocks ausgebaut, um Ersatzquartiere für im Rahmen der Operation Gomorrha ausgebombte Hamburger zu schaffen. Ab 1944 diente Prora der Wehrmacht als Lazarett und gegen Ende des Krieges fanden dort auch Flüchtlinge aus den Ostgebieten eine Bleibe.

1945–1990

Als ab Mai 1945 die Sowjetunion die Kontrolle auf Rügen übernahm, wurde die Anlage zur Internierung von Grundbesitzern und weiterhin zur Unterbringung von Heimatvertriebenen aus den Ostgebieten genutzt. Teile der Anlagen wurden für den Abtransport als Kriegsreparationen demontiert. Zwischen 1948 und 1953 wurden die Bauten von der Roten Armee genutzt, die den südlichsten Rohbau sprengte und abtrug. An den beiden nördlichsten Häuserblocks wurden ebenfalls Sprengübungen durchgeführt. Die Bauten wurden dabei aber nur schwer beschädigt und blieben teilweise stehen. Stationiert war hier die sowjetische 13. Panzerjäger-Brigade.

Die nach 1949 ebenfalls eingezogene Kasernierte Volkspolizei, aus der 1956 die Nationale Volksarmee (NVA) der DDR hervorging, nutzte die Gebäude als Kaserne und erklärte das umliegende Gebiet zum Sperrgebiet. Die entsprechenden Umbauten waren 1956 abgeschlossen, danach wurden in Prora bis zu 10.000 Soldaten stationiert. In dem Komplex befand sich die Militärtechnische Schule „Erich Habersaath“ der NVA, außerdem wurden seit 1981 Soldaten aus politisch befreundeten Entwicklungsländern wie Angola und Mosambik an der Offiziershochschule für die Ausbildung ausländischer Militärkader „Otto Winzer“ ausgebildet. In den 1980er Jahren waren in Prora bis zu 500 Bausoldaten zeitgleich stationiert, die beim Bau des in der nördlichen Umgebung des Objektes gelegenen Fährhafens Mukran arbeiteten. Der südlichste Teil der Anlage stand Angehörigen von NVA und Grenztruppen als Erholungsheim (benannt nach Walter Ulbricht), Kinderferienlager und Ferienort zur Verfügung.

Seit 1990

Nach der Deutschen Wiedervereinigung 1990 übernahm die Bundeswehr den Komplex, stellte die Nutzung Ende 1992 ein und verließ Prora.

Seit Anfang 1993 ist die Anlage öffentlich zugänglich. Da die unter Denkmalschutz stehenden Bauten zunächst nicht durch die Bundesvermögensverwaltung verkauft werden konnten, wurden an weiten Teilen der Anlage nur die unbedingt erforderlichen Sicherungsmaßnahmen durchgeführt. Ansonsten wurden die leerstehenden Bauten dem Verfall und Vandalismus preisgegeben.

Museumsmeile Prora,
aufgenommen 2004

Eine Ausnahme hiervon bildete zunächst nur der Block 3, Prora Mitte, der von 1995 bis 2005 die Museumsmeile Prora mit einem KdF-Museum (Museum Prora), Museum der NVA, Rügen-Museum und diversen Sonderausstellungen, die Bildergalerie Rügenfreunde und ein Wiener Kaffeehaus beherbergte. Ein von Prof. Joachim Wernicke betriebenes "Museum zum Anfassen" ist 2004 geschlossen worden wie ein dort ebenfalls ansässiges Boxsportmuseum.

Zwischen 1993 und 1999 befand sich hier die größte Jugendherberge Europas, ab 2002 das One World Camp Youth Hostel mit günstigen Übernachtungsmöglichkeiten, dessen Mietvertrag im Hinblick auf mögliche Verkäufe aber nicht verlängert wurde. Vom 22. bis 24. August 2003 fand dort unter dem Motto „Wer, wenn nicht wir! Wo, wenn nicht hier!“ ein vom Land Mecklenburg-Vorpommern organisiertes und finanziertes Wochenend-Sommerfest (Prora03) mit rund 15.000 internationalen Teilnehmern statt. 2006 fand vom 30. Juni bis zum 2. Juli eine Neuauflage dieser Veranstaltung unter dem Titel Prora06 statt.

Neben dem ehemaligen Theater betreibt die Stiftung Neue Kultur seit dem Jahr 2000 das Dokumentationszentrum Prora, das eine Dauerausstellung beherbergt und Wechselausstellungen anbietet.

Treppenhaus im südlichen Gebäudeteil,
aufgenommen 2010

In der südlichen Festplatzrandbebauung befindet sich seit 2000 das Dokumentationszentrum Prora. Hier wird neben Sonderausstellungen unter anderem die Dauerausstellung „MACHTUrlaub – Das KdF-Seebad Rügen und die deutsche Volksgemeinschaft“ gezeigt, in der die Bau- und Nutzungsgeschichte der Anlage dokumentiert wird. Thematisiert werden dabei sowohl die Hintergründe des Projekts als auch seine Vereinnahmung durch die nationalsozialistische Propaganda. Außerdem organisiert das Dokumentationszentrum Prora seit 2001 jährlich eine Begegnungswoche von ehemaligen (vorwiegend polnischen) Zwangsarbeitern mit Schülerinnen und Schülern aus Mecklenburg-Vorpommern und ist in der Bildungsarbeit aktiv.[4] Zum wissenschaftlichen Beirat des Dokumentationszentrums gehört unter anderem der Historiker Wolfgang Benz.

Seit 2004 gelang es zunehmend, die anderen Blöcke der Anlage einzeln zu veräußern, wobei ein Abschluss der Entwicklungen hin zu einer definitiven Nutzung für die gesamte Anlage noch nicht erreicht scheint:

Am 23. September 2004 wurde Block 6 für 625.000 Euro an einen unbekannten Ersteigerer veräußert. Block 3, die ehemalige Museumsmeile, wurde am 23. Februar 2005 an die Inselbogen GmbH verkauft, die in der Folgezeit den Betreibern der dort ansässigen Museen kündigte und eine Nutzung als Hotel- und Kulturbetrieb ankündigte. Im Oktober 2006 wurden die Blöcke 1 und 2 an die Prora Projektentwicklungs GmbH in Binz veräußert. Die Pläne der neuen Eigentümer sehen in den beiden Blöcken südlich der jetzigen Museumsmeile vor allem Wohnungen vor. Für das Erdgeschoss ist eine Mischung aus Kultur, Kunst, Gastronomie, Kleingewerbe und Einkaufsmöglichkeiten geplant.

Flur im vierten Stock des südlichen Gebäudeteils,
aufgenommen 2010

Im November 2006 hat die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben mit dem Landkreis Rügen einen Kaufvertrag über Block 5 abgeschlossen. Der Landkreis Rügen beabsichtigte in Block 5 mit finanzieller Unterstützung von Bund, dem Land Mecklenburg-Vorpommern und der EU die Errichtung einer Jugendherberge mit ca. 400 Betten für das DJH. Ein internationaler Jugendzeltplatz mit 250 Plätzen ist seit September 2007 geöffnet.[5][6]

Seit 2007 befindet sich das PRORA-ZENTRUM Bildung-Dokumentation-Forschung in einem provisorischen Workshop- und Ausstellungsraum im Block 5 beim Jugendzeltplatz. Der gemeinnützige Verein betreibt seit 2001 historisch-politische Bildungsarbeit in Prora, zeigt Ausstellungen und veranstaltet Rundgänge durch das historische Gelände. Bei der Bildungsarbeit kooperiert er unter anderem mit den Schulen der Region und den Einrichtungen des DJH-MV und behandelt Themen der NS- und DDR-Geschichte, insbesondere der Bausoldaten in Prora. Am 22. Juni 2010 trat das Kuratorium der Landeszentrale für politische Bildung MV im Rahmen eines Interessenbekundungsverfahrens zusammen und beschloss, dass das PRORA-ZENTRUM auf Grund seiner Bewerbung die Trägerschaft der geplanten Bildungs- und Begegnungsstätte im Block 5 bei der im Bau befindlichen Jugendherberge Prora übernehmen soll.

Im Jahr 2008 gründete sich um den Berliner Historiker und Buchautor Dr. Stefan Wolter der Verein Denk-MAL-Prora e. V. Der gemeinnützige Verein aus Zeitzeugen (ehemalige Bausoldaten und Grundwehrdienstleistende), Wissenschaftlern und Sympathisanten kämpft um die Transparenz der realen geschichtlichen Rolle Proras, setzt sich für den Erhalt baulicher Strukturen aus der DDR-Zeit ein und hält für die geplante Jugendherberge in Block V Bildungsangebote bereit. Der Verein sammelt Zeitzeugenberichte aus allen Einheiten der Kasernenanlage, deren vielschichtige Rolle in der DDR weithin aus dem Blickfeld geraten ist.

2007 beabsichtigte die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, den verbliebenen Gebäudekomplex 4 sowie den Bereich des Zentrums von Prora auf den Markt zu bringen. Angesichts der positiven Entwicklung, die sich in den verkauften Bereichen abzeichnete, war die zuständige Hauptstelle Rostock optimistisch, auch für diesen Abschnitt einen Käufer mit einem wirtschaftlich tragfähigen Konzept zu finden. Am 15. März 2008 eröffnete auf dem 3,7 Hektar großen Küstenwald-Areal des Komplexes ein Hochseilgarten. Insgesamt wurden 460.000 Euro in den Bau der neuen Sportanlage investiert.

Im September 2010 wurden Planungen bekannt gegeben, nach denen eine deutsch-österreichische Investorengruppe ab 2011 die Blöcke I und II sanieren will. Vorgesehen ist der Bau von 400 teils altersgerechten Wohnungen, eines Hotels mit 300 Betten samt Tennishalle und Schwimmbad sowie eines kleinen Einkaufszentrums. Die Investitionskosten werden auf 100 Mio. € beziffert.[7]

Im nördlichsten Teil des Komplexes (Block V) wurde in fünf aneinandergrenzenden Gebäudeteilen im Juli 2011 die schon lange geplante große Jugendherberge mit 402 Betten in 96 Zimmern eröffnet.[8]

Diverses

  • Die Nationalsozialisten stützten sich auf Ideen aus der Zeit der Weimarer Republik, vergleichbar dem Autobahnbau, der ebenso propagandistisch ausgeschlachtet wurde. Durch die Einführung eines bezahlten Urlaubsanspruchs in den 1920er Jahren wurde ein Tourismus der arbeitenden Bevölkerung überhaupt erst möglich. Die Planungen aus den 1920er Jahren bezogen auch den Rügendamm ein, mit dessen Bau 1931 begonnen wurde und der die logistischen Voraussetzungen schaffte, um 20.000 Urlauber gleichzeitig an- und abreisen zu lassen.
  • Der Name Prora ist entgegen der weitverbreiteten Ansicht kein Akronym wie beispielsweise Napola, sondern der Name der umgebenden Landschaft.
  • Obwohl es sich bei Prora um eines der Vorzeigeprojekte der Organisation KdF handelte, kam Hitler nie auf die Baustelle.
  • Der Grundstein von Prora wurde nie gefunden. Er müsste laut alten Fotos und Berichten in der Gegend der Kaianlagen liegen. Die Originalpläne gingen in den Wirren des Kriegsendes verloren.
  • Am nördlichen Ende der Anlage stehen noch die eingezäunten Ruinen von zwei Blocks. Es kursiert das Gerücht, dass die von der Sowjetarmee dort durchgeführten Sprengungen diese beiden Gebäude beseitigen sollten. Dies ist ein Irrtum, da an den Blocks lediglich Sprengübungen durchgeführt wurden. Einzig der abgetragene südlichste Block, der im Gegensatz zum Rest der Bettenhäuser nie seine geplante Stockwerkszahl erreicht hatte, wurde gezielt gesprengt und abgetragen.
  • Prora wurde im zweiten Vierjahresplan der Nationalsozialisten ausdrücklich erwähnt und hatte damit höchste Priorität bei der Zuteilung der Mittel. Göring persönlich war für den Vierjahresplan verantwortlich. Dies wird verständlich, wenn man berücksichtigt, dass Prora im fest geplanten Krieg als Lazarett dienen sollte. Alle Einrichtungen waren darauf ausgerichtet. In den Restauranttrakten, die sich in Richtung See erstreckten, sollten zum Beispiel die Operationssäle eingerichtet werden. Die Planungen sahen bereits alle notwendigen Installationen vor. Die Betten der Hotelzimmer waren sinnigerweise Krankenhausstandardbetten, die Aufzüge sollten zwei Krankenhausbetten gleichzeitig fassen.
  • Gerüchte über eine im Prorakomplex existierende U-Boot-Durchfahrt unter der Insel hindurch wurden vor 1989 systematisch verbreitet. Es sei geplant worden, U-Boote durch eine Schleuse vor der Küste in die Durchfahrt einlaufen zu lassen. Dieses „politisch nützliche“ Gerücht diente der NVA unter anderem dazu, die militärische Nachkriegsnutzung zu legitimieren, da anderenfalls der FDGB Nutzungsansprüche hätte geltend machen können.[9] Durch das Fehlen der Originalpläne und die Tatsache, dass einige Kelleranlagen durch Überflutung unzugänglich sind, wurden diese und vergleichbare Theorien gefördert. Gegen eine Nutzung durch U-Boote spricht jedoch der sehr große Flachwasserbereich vor dem Strand, der in etwa 500 Metern Entfernung vom Ufer eine Wassertiefe von weniger als 2 Metern aufweist,[9] sowie die starke Versandung der Ostseeküste, die auch anhand von Luftbildaufnahmen nachzuvollziehen ist.
  • Der Bau einer U-Bahn zur Erschließung der weitläufigen Anlage wurde 1936 von Robert Ley erwähnt, jedoch finden sich keine Hinweise auf eine tatsächliche Projektierung. Die Kellergeschosse sind für den Betrieb einer U-Bahn ungeeignet, spätere Planungen gingen von einem Omnibusverkehr innerhalb des Seebades aus.[10]

Literatur

  • Jürgen Rostock: Das KdF-Seebad der Zwanzigtausend Prora/Rügen. Herausgegeben von der Gesellschaft zur Förderung von Qualifizierung und Beschäftigung in Prora mbH 1991/1992.
  • Joachim Wernicke, Uwe Schwartz: Der Koloss von Prora auf Rügen – gestern – heute – morgen. 2., erweiterte u. aktualisierte Auflage Prora u. Königstein i. Ts. 2006, ISBN 978-3-7845-4902-6
  • Jürgen Rostock, Franz Zadniček: Paradiesruinen – Das KdF-Seebad der Zwanzigtausend auf Rügen. Ch. Links Verlag, Berlin 2008, ISBN 978-3-86153-414-3
  • Bernfried Lichtnau: Prora – Das erste KdF-Bad Deutschlands: Prora auf Rügen. Das unvollendete Projekt des 1. KdF-Seebades in Deutschland. Greifswald, (3. akt. Aufl.) 1995, ISBN 3-930066-33-5
  • Hendrik Liersch: Ein freiwilliger Besuch – als Bausoldat in Prora, 2. Auflage, 2003, Verlag amBATion / Randlage, ISBN 3-928357-06-9
  • Hasso Spode: Ein Seebad für zwanzigtausend Volksgenossen. Zur Grammatik und Geschichte des fordistischen Urlaubs. In: Peter J. Brenner (Hrsg.): Reisekultur in Deutschland. Von der Weimarer Republik zum 'Dritten Reich', Max-Niemeier-Verlag, Tübingen, 1997, ISBN 3-484-10764-2
  • Hasso Spode/Albrecht Steinecke: Die NS-Gemeinschaft Kraft durch Freude. In: Zur Sonne, zur Freiheit! Beiträge zur Tourismusgeschichte, Berlin 1991
  • Stefan Wolter: Hinterm Horizont allein – Der ’Prinz’ von Prora. Erfahrungen eines NVA-Bausoldaten. Projekte-Verlag 188, Halle 3. Aufl. 2010, ISBN 3-86634-028-1
  • Stefan Wolter: Der „Prinz von Prora“ im Spiegel der Kritik. Das Trauma NVA und Wir, Projekte-Verlag Halle 2007, ISBN 978-3-86634-370-2
  • Stefan Wolter: Der Prinz und das Proradies. Vom Kampf gegen das kollektive Verdrängen, Projekte-Verlag Halle 2009, ISBN 978-3-86634-808-0
  • Gabi Dolff-Bonekämper: Das KdF-Bad Prora auf Rügen. Ein Versuch über Architektur und Moral. In: Annette Tietenberg (Hrsg.). Das Kunstwerk als Geschichtsdokument. Festschrift für Hans-Ernst Mittig. Klinkhardt & Biermann, München 1999, ISBN 3-7814-0419-6, S. 144–157.
  • Rainer Wilkens: Gebaute Utopie der Macht. Das Beispiel Prora. In: Romana Schneider und Wilfried Wang (Hrsg.). Moderne Architektur in Deutschland 1900 bis 2000. Macht und Monument. (Frankfurt am Main: Deutsches Architekturmuseum 24. Januar - 5. April 1998). Hatje, Ostfildern-Ruit 1998, ISBN 3-7757-0713-1, S. 117ff.
  • Hartmut E. Arras: Entwicklungskonzept Prora für Rügen: [Bedarfs- und Wirtschaftlichkeitsuntersuchung] / [S.T.E.R.N. Gesellschaft der Behutsamen Stadterneuerung. http://www.stern-berlin.com/ Red.: Hartmut E. Arras ...]. Berlin: S.T.E.R.N., 1997.

Weblinks

 Commons: Prora – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Jürgen Rostock, Franz Zadnicek: Paradiesruinen. Ch. Links Verlag, S. 60
  2. Johannes Schweikle: Großer Klotz und kleines Karo (in ZEIT 47/2007)
  3. Martina Rathke: Prora wurde den Nazis zu teuer. Sächsische Zeitung online vom 25. April 2011 (Abruf 25. April 2011
  4. Maik Trettin, "Deutsch-polnische Begegnungen auch ganz privat", in: Ostsee-Zeitung, 24. April 2009.
  5. spiegel.de
  6. rueganer-anzeiger.de
  7. Rügen: Investoren bauen Nazi-Koloss um, Ostsee-Zeitung (Ausgabe Ribnitz-Damgarten) vom 25./26. September 2010
  8. Jugendherberge in Nazi-Bau in Prora eröffnet; NDR, 4. Juli 2011
  9. a b Jürgen Rostock, Franz Zadnicek: Paradiesruinen. Ch. Links Verlag, S. 104
  10. Jürgen Rostock, Franz Zadnicek: Paradiesruinen. Ch. Links Verlag, S. 107 ff.
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