Secessio plebis

Secessio plebis

Die secessio plebis (lat. Ausmarsch des einfachen Volkes) war ein Kampfmittel der Plebejer in den Römischen Ständekämpfen.

Die Plebejer sollen die Stadt verlassen und damit das wirtschaftliche Leben Roms lahmgelegt haben, um ihren politischen und sozialen Forderungen Nachdruck zu verleihen. Die erste secessio plebis fand angeblich 494 v. Chr. statt: Die Plebejer sollen auf den Mons Sacer gezogen sein und setzten so die Einrichtung des Amts der Volkstribunen durch. Einer von Titus Livius (a.u.c., II, Kap. 32-33) überlieferten Sage nach bewog sie der Consul Agrippa Menenius Lanatus zur Rückkehr, indem er ihnen die Fabel vom Magen und den Gliedern erzählte. Die zweite secessio plebis, diesmal auf den Aventin, soll sich im Jahr 450 oder 449 v. Chr. ereignet haben und hatte als Erfolg die Annahme des Zwölftafelgesetzes. Mit der dritten secessio plebis auf das Ianiculum 287 v. Chr. erzwang Quintus Hortensius mit der Lex Hortensia die Anerkennung von Beschlüssen der Volksversammlung als Gesetze und die volle Gleichberechtigung der Plebejer.

Da bei der Plünderung Roms durch die Gallier unter Brennus im Jahr 387 sämtliche Aufzeichnungen verloren gegangen waren, konnte Livius bei seiner Darstellung der ersten beiden secessiones nur auf mündliche Überlieferungen zurückgreifen und hat sie dementsprechend sagenhaft ausgeschmückt. Die historische Forschung nimmt an, dass der Hintergrund jeweils ein Streik der Unterschichten war, die sich bei dieser Gelegenheit erst eigentlich als eine soziale Einheit konstituierten (Plebs von lat. plere - anfüllen, also soviel wie die Menge). Dieser Streik kann sich im Sinne eines Generalstreiks auf jede wirtschaftliche Betätigung bezogen haben - Livius berichtet, dass Folge der ersten secessio eine Hungersnot gewesen sein soll -, oder aber auf den Militärdienst. Andererseits ist auch eine massenhafte Kriegsdienstverweigerung wahrscheinlich. In der römischen Militärtaktik hatte sich nämlich spätestens in der Heeresreform des vorletzten Königs Servius Tullius († 535 v. Chr.) der Übergang vom adligen Einzelkampf zur Classis-Taktik vollzogen, in der eine geschlossene Phalanx schwer bewaffneter Infanteristen den Feind förmlich niederzuwalzen suchte. Mit dieser Aufwertung der aus einfachen Leuten bestehenden Infanterie, die für ihre Ausrüstung selbst zu sorgen hatten, stieg bei den Römern wie auch bei allen anderen Völkern, die diese Kampfesweise einführten, auch deren Selbstbewusstsein: Sie ließen sich die politische Entrechtung durch die Patrizier und die ökonomische Ausbeutung nicht mehr bieten: Livius malt in der Vorgeschichte der ersten secessio exemplarisch einen schauerlichen Fall von Schuldknechtschaft aus. Für eine Deutung der ersten secessio 494 als Widerstand gegen die Rekrutierung spricht auch, dass sie vor dem Hintergrund äußerer militärischer Bedrohung durch die Latiner stattfand.

Heute nimmt man an, dass die konkreten Streikbewegungen der Jahre 494 und 450/449 mit einem symbolischen Zug zu einem Heiligtum, wie dem Tempel der Ceres am Aventin begonnen wurden, woraus sich dann der Mythos entwickelte, die gesamte Plebs hätte geschlossen das Stadtgebiet verlassen.

Literatur

  • Géza Alföldy: Römische Sozialgeschichte. Franz Steiner Verlag, Wiesbaden 1975, ISBN 3-515-02045-4 (Wissenschaftliche Paperbacks Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 8).
  • Jochen Bleicken: Das Volkstribunat der klassischen Republik. Studien zu seiner Entwicklung zwischen 287 und 133 v. Chr. Beck, München 1955 (Zetemata 13, ISSN 1610-4188) (2. durchgesehene Auflage. ebenda 1968).
  • Dietmar Kienast: Die politische Emanzipation der Plebs und die Entwicklung des Heerwesens im frühen Rom. In: Bonner Jahrbücher. 175, 1975, ISSN 0068-0060, S. 83–112.

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