Schwäbischer Gruß

Schwäbischer Gruß

Der Begriff Schwäbischer Gruß ist ein Euphemismus für den in den schwäbischen Dialekten verbreiteten, derb erscheinenden umgangssprachlichen Ausdruck „Legg me am Arsch“ beziehungsweise „Leck mich am Arsch“.

Ein literarisches Denkmal setzte ihm Johann Wolfgang von Goethe im dritten Aufzug seines 1773 erschienen und 1774 uraufgeführten Schauspiels Götz von Berlichingen mit dem sogenannten Götz-Zitat: „Er aber, sag's ihm, er kann mich im Arsche lecken!“.

Auch Wolfgang Amadeus Mozart griff den Schwäbischen Gruß mit dem Kanon Leck mich im Arsch KV 231 (1782) auf. Der Kanon Leck mir den Arsch fein recht schön sauber KV 382d wurde lange Zeit Mozart zugeschrieben, stammt aber von Wenzel Trnka.

Inhaltsverzeichnis

Herkunft

Der Gruß stammt wohl von einem alten Nacktheits- und Abwehrzauber. Zeigt man Dämonen, Hexen oder persönlichen Feinden sein bloßes Gesäß, so können sie einem nichts anhaben. Siehe dazu auch Mooning. Hinzu kommt hier noch der Huldigungskuss als äußeres Zeichen der Unterwürfigkeit.

Darstellungen des Abwehrzaubers, im Schwäbischen sogenannte Lecksfiedle, finden sich an Stadt- und Burgtoren, Stadtmauern, aber auch an Kirchen und Klöstern, beispielsweise an der Schallaburg bei Melk, an der Churburg bei Schluderns, an den Münstern in Ulm, Freiburg im Breisgau und Straßburg, ebenso befand sich eine am Rathaus in Köln, noch heute befindet sich dort gegenüber der ebenbürtige Kallendresser. Sie finden sich aber auch in Brünn, Bologna, Burgos, La Rochelle, Tarragona, oder in Universidad de Salamanca.

Im 14. Kapitel des abenteuerlichen Simplicissimus erniedrigen einige bewaffnete Bauern einen gefangenen Angehörigen einer plündernden Einheit, indem sie ihn zwingen, ihnen "den Hintern sauberzulecken".

Verwendung

Der Schwäbische Gruß ist eine in Schwaben, in anderen, nichtschwäbischen Teilen Baden-Württembergs, in Bayern und in Österreich verbreitete Redewendung.

Nach einer Urteilsbegründung dient er dazu,

  • um an ein Gespräch anzuknüpfen
  • um eine ins Stocken geratene Unterhaltung wieder in Fluss zu bringen
  • um einem Gespräch eine neue Wendung zu geben
  • um ein Gespräch endgültig abzubrechen

Thaddäus Troll nannte als weitere Verwendungszwecke noch:[1]

  • um eine Überraschung zu vermelden
  • um der Freude über ein unvermutetes Wiedersehen zweier Schwaben […] Ausdruck zu geben
  • um eine als Zumutung empfundene Bitte zurückzuweisen

Der Gruß findet desgleichen Anwendung, wie auch im übrigen deutschen Sprachraum üblich, um heftiges Missfallen zu bekunden. Dies geschieht gelegentlich durch Ausbuchstabieren der Abkürzung „LmaA“ bzw. „LmiA“. Eine (steigernde) Modulation seiner Intensität kann durch Hinzufügen der Modaladverbialen „kreuzweise“ oder „kreuzweise und überzwerch“ erzielt werden. Diese stehen manchmal auch – zwar elliptisch bis hin zur Ungrammatizität, aber gleichwohl jedem verständlich – alleine nach dem Modalverb: Du kannst mich kreuzweise, bzw. gesteigert kreuzweise und überzwerch.

Die Kurzform „Leck mich!“ ist ebenfalls gebräuchlich.

Es gibt zahlreiche Umschreibungen für den Gruß, beispielsweise „Du kannst mir auf die Kirbe (Kirchweih) kommen“, „… den Buckel hinunterrutschen“, „… mich im Adler treffen, am hintersten Tisch“, „… mich im Adler in Lustnau treffen“, „… am Abend besuchen“, „… am Buckel küssen“, „… buglfinferln“ (wienerisch), „… den Schritt schamponieren“ .

Wenn beleidigend verwendet, lautet die Replik nicht selten „Du mich auch“. Die feinere Form besteht in der Floskel: „Vor meinem ist auch kein Gitter“, die deftige: „Dafür ist er mir zu dreckig“, „Nein Danke, mir ist schon schlecht“ oder „Geht nicht, das habe ich schon einer anderen Sau versprochen“, oder auch im Jugendslang „... Putz' dein Gesicht selbst!“. Etwas dezenter sind die Repliken: „Ich werde mir wegen Dir nicht das Naschen angewöhnen.“ und: „Davon wirst Du nicht sauber und ich nicht satt.“, „Dann hast du einen sauberen Arsch und ich zwei Wochen Sodbrennen.“ oder „Nicht solange Schokolade noch so billig ist.

Das „Du mich auch!“ wird auch selbständig verwendet, um dem Kontrahenten die gedankliche, aber unausgesprochene Verwendung des Grußes zu unterstellen – und ihr die gebührende Antwort nicht zu versagen.

Der Einheimische erkennt auf Grund des pragmatischen Kontextes, der Prosodie und der syntaktischen Einbettung, insbesondere etwa daran, ob die Interjektion „ja“ dem Gruße vorangestellt wird oder nicht, welche der obigen Bedeutungen wohl gemeint sein möchte, während dies dem Zugereisten öfters verschlossen bleibt. So kommt es gelegentlich sogar zu Strafanzeigen der so Gegrüßten, die vor Gericht aber in mehreren Fällen abgewiesen wurden. Bei Verwendung gegenüber Amtspersonen und Vorgesetzten wird aber regelmäßig die unmildere Aussageabsicht angenommen und dann entsprechend judiziert.

In anderen Regionen wird der Schwäbische Gruß dagegen meist uneingeschränkt als Beleidigung gedeutet.

Im plattdeutschen Sprachraum lautet das Pendant „Klei mi ann Mors“ („Kratz mich am Hintern“) bzw. „Klei/Leck mi anne Fööt“ („Kratz/Leck mich an den Füßen“). Obwohl es sich bei der ersten Variante um einen Euphemismus handelt und bei der zweiten sogar um eine ganz offensichtliche Untertreibung, finden solche Ausdrücke dort nur äußerst selten Verwendung. Denn trotz der abgeschwächten Form wird die in der Floskel enthaltene Aufforderung als äußerst beleidigend empfunden, und zieht in der Regel ein längerfristiges, zuweilen sogar lebenslanges Zerwürfnis der streitenden Parteien nach sich.

Auch die berühmte Hamburger Antwort auf „Hummel Hummel“ lautet „Mors Mors“ – gleichbedeutend für „Leckt mich am Arsch“. Sie geht auf Hans Hummel zurück.

Verwendung im öffentlichen Raum

Schwäbische Gruß-Variante an bayerischer Hauswand, Garmisch-Partenkirchen, 2006

Bis zu seiner Zerstörung im Dezember 1944 befand sich an dem Heilbronner Bürgerhaus, in dem Götz von Berlichingen 1519 bis 1522 gewohnt hat, eine Tafel mit folgenden Versen:

Unser großer Landsmann Götz
sprach: jetzt geht die Sache letz,
aber – eh ich soll verrecken,
könnt ihr mich am Arsche lecken.
Goethe hört dies große Wort,
gibt ihm einen Dichterhort,
und er schafft mit dieser Tat
Deutschlands häufigstes Zitat.

Der Verfasser dieser Verse ist laut Schramm der junge Theodor Heuss.[2]

Der umstrittene Heilbronner Oberbürgermeister Paul Hegelmaier soll sich mit einem mehrfach Götz zitierenden Gedicht aus dem Amt verabschiedet haben. Einer seiner späteren Nachfolger, Paul Meyle, hat einen in Stein gehauenen Schwäbischen Gruß humorvoll ebenfalls in Stein gehauen beantworten lassen.

Vom Ulmer Fischermarsch existieren zwei Textversionen, aus dem letzten Jahrhundert: „Der Schiffer muß steuern ins Leben hinaus …“, und dann: „Leck me henda, leck me vorna, leck me kreizweis am Arsch

Bei der alljährlich zu den Jahrgangsfesten auf dem Schwäbisch Gmünder Marktplatz von den Gmünder Jubilaren gesungenen Hymne, dem „Alois“, lautet die dritte Strophe: „Leck mi am Arsch, Alois

Andere Sprachen

  • Jiddisch: Kish mir in tuchis. oder "Kish meer in Tukhus." Als Kisch mir in toches von dem Übersetzer Herbert Schlüter aus Romain Garys "Kisch mir in tokhès" (im Französischen) im Roman "Der Tanz des Dschinghis Cohn" übertragen. Der jüdische Dibbuk spielt damit auf seine Erschießung durch den SS-Mann Schatz, jetzt deutscher Beamter, an; die obszöne Gebärde, Cohn zeigte ihm mit diesen Worten den nackten Hintern, führt dazu, dass das Opfer sich nach dem Krieg in Schatz' Psyche unentrinnbar einnistet.

Siehe auch

Literatur

  • Sebastian Blau, Schwäbisch, München 1936, Neue Ausgabe von 1946
  • Heinz-Eugen Schramm, L.m.i.A.! Des Ritters Götz von Berlichingen denkwürdige Fensterrede oder die bewußten vier Buchstaben hinterrücks enthüllt, ins rechte Licht gesetzt und mit dankenswerter Unterstützung der Herren Dante, Mozart, Schubart, Goethe, Schiller u.a. in Verbindung mit dem Internationalen Götz-Sprachenführer als Handbuch zur weltweiten Pflege des Götz-Zitats für nachsichtige Zeitgenossen. Bearbeitet und herausgegeben von Heinz-Eugen Schramm. Gerlingen, 1960
  • Heinz-Eugen Schramm, … Er kann mich hinden lecken. Eine ergötzlich-hinterlecktuelle Dokumentation. Reutlingen, 1998. ISBN 3874211509
  • Heinz-Eugen Schramm, Schwäbisch für Reingeschmeckte, Würzburg 2002, Flechsig-Verlag, ISBN 3881894705
    im Text zitierte Ausgabe: München 1979, Goldmann-Taschenbuch, ISBN 3442265207
  • Thaddäus Troll, Preisend mit viel schönen Reden, Reinbek 1975. ISBN 3499118645
  • Schwäbisch. Polyglott Sprachführer. Verschiedene Ausgaben. ISBN 3493611439

Weblinks

(gekürzt: Er aber, sag’s ihm, er kann mich --- / Seite 109)

Einzelnachweise

  1. Troll 1975, S. 202f
  2. Schramm 1979, S. 72f

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно решить контрольную?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Gruß — Jemandem einen Gruß entbieten: ihn grüßen. Seit eh und je beginnt und endet jede menschliche Begegnung mit einem Gruß, und allein aus den Gruß Sitten läßt sich darum eine ganze Kulturgeschichte ablesen. Die frühesten Formen des Grußes sind… …   Das Wörterbuch der Idiome

  • Kreuzweise — Der Begriff Schwäbischer Gruß ist ein Euphemismus für den derben umgangssprachlichen Ausdruck „Leck mich am Arsch“ beziehungsweise „Leck mich im Arsch“. Ein literarisches Denkmal setzte ihm Johann Wolfgang von Goethe im dritten Aufzug seines… …   Deutsch Wikipedia

  • LMIA — Der Begriff Schwäbischer Gruß ist ein Euphemismus für den derben umgangssprachlichen Ausdruck „Leck mich am Arsch“ beziehungsweise „Leck mich im Arsch“. Ein literarisches Denkmal setzte ihm Johann Wolfgang von Goethe im dritten Aufzug seines… …   Deutsch Wikipedia

  • Leck mich am Arsch — Der Begriff Schwäbischer Gruß ist ein Euphemismus für den derben umgangssprachlichen Ausdruck „Leck mich am Arsch“ beziehungsweise „Leck mich im Arsch“. Ein literarisches Denkmal setzte ihm Johann Wolfgang von Goethe im dritten Aufzug seines… …   Deutsch Wikipedia

  • Afterlecken — Illustration einer Frau, die Anilingus mit einer Partnerin vollzieht Der Anilingus (Kunstwort aus lat. anus: After und lingere: lecken; engl. Rimming oder Rim Job; häufig auch als Oroanalkontakt[1], Zungenanal, Afterlecken[2] oder lateinisch… …   Deutsch Wikipedia

  • Algierfranzösisch — Illustration einer Frau, die Anilingus mit einer Partnerin vollzieht Der Anilingus (Kunstwort aus lat. anus: After und lingere: lecken; engl. Rimming oder Rim Job; häufig auch als Oroanalkontakt[1], Zungenanal, Afterlecken[2] oder lateinisch… …   Deutsch Wikipedia

  • Allerwertester — Männliches Gesäß weibliches Gesäß Das Gesäß (anatomisch nates, clunium, gluteus, regio glutealis) ist ein nur bei Menschen und ansatzweise bei Affen ausgep …   Deutsch Wikipedia

  • Arschbacke — Männliches Gesäß weibliches Gesäß Das Gesäß (anatomisch nates, clunium, gluteus, regio glutealis) ist ein nur bei Menschen und ansatzweise bei Affen ausgep …   Deutsch Wikipedia

  • Dyl Ulenspiegel — Abbildung in der ersten erhaltenen Ausgabe des Eulenspiegel (1515) Abbildung in der ersten erhaltenen Ausgabe des Eulenspiegel (1515) Till Eulenspiegel (niederdeutsche Schr …   Deutsch Wikipedia

  • Fuck You — Fuck  (Hörbeispiel)?/i ist ein Vulgärausdruck der modernen englischen Sprache und eines der bekanntesten Schimpfwörter der Welt. Die wörtliche Übersetzung von to fuck ist „ficken“. In der Umgangssprache wird es jedoch meist nicht im wörtlichen… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”