Schwellenland

Schwellenland

Ein Schwellenland (engl. Newly Industrialized Country) ist ein Staat, der traditionell noch zu den Entwicklungsländern gezählt wird, aber nicht mehr deren typische Merkmale aufweist. Deshalb wird ein solches Land begrifflich von den Entwicklungsländern getrennt.

Der englischsprachige Begriff Newly Industrializing Economies entstand in den 1970er Jahren und bezog sich ursprünglich auf die asiatischen Tigerstaaten. Gelegentlich wird ein solches Land auch als „take-off country“ bezeichnet, da es die typischen Strukturmerkmale eines Entwicklungslandes überwunden hat und im Begriff ist, sich von dieser Gruppe abzuheben.

Ein Schwellenland ist am Anfang oder im fortgeschrittenen Prozess der Industrialisierung, gemessen an wirtschaftlichen Entwicklungsindikatoren. In diesem Stadium ist ein Schwellenland durch einen weitgehenden Umbau der Wirtschaftsstrukturen gekennzeichnet, der von der Agrarwirtschaft zur Industrialisierung führt. Schwellenländer sind meist geprägt durch einen starken Gegensatz zwischen Arm und Reich. Unterschiede zwischen konservativen Kräften und Parteien, die eine Modernisierung erreichen wollen, führen oft zu Spannungen.

Obwohl im deutschen Sprachraum häufig die Begriffe „Industriestaat“ und „Schwellenland“ gebräuchlich sind, sind deren ökonomischen Strukturen längst über die Dominanz der Industrieproduktion zu den Dienstleistungssektoren übergegangen. Da dies auch für einige „Schwellenländer“ zutrifft, werden sie korrekterweise als important industrialized and developing economies (bedeutsame industrialisierte und entwickelnde Ökonomien) in der offiziellen englischen Sprache bezeichnet.

Die sozialen Entwicklungsindikatoren (Alphabetisierungsrate, Säuglingssterblichkeit, Lebenserwartung, Entwicklung einer Zivilgesellschaft), sowie der Schutz der Umwelt hinken den wirtschaftlichen Fortschritten oft hinterher.

Inhaltsverzeichnis

Merkmale

Ein Schwellenland kann in der Regel folgende Erfolge aufweisen:

  • Erzielen überdurchschnittlicher Wachstumsraten, die auch die Wachstumsraten der OECD-Länder teilweise deutlich überschreiten.
  • Sie entwickeln die Breiten- und Tiefenstruktur der verarbeitenden Industrie bis zur Herstellung von Investitionsgütern und schaffen durch gezielte Investitionen in die materielle und soziale Infrastruktur, vor allem in Ausbildung von Humankapital, die Voraussetzung für Entwicklungssprünge.
  • Vergleichbare Arbeitsproduktivität mit den OECD-Ländern bei deutlich niedrigerem Lohnniveau.
  • Nutzen Nischen des Weltmarktes und setzen auf den Export von Fertigwaren.
  • Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen beträgt über 699 US-Dollar pro Jahr.

Liste von Ländern

Länder nach Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf, 2006
OECD Staaten, 2010
  • Gründerstaaten
  • Beitrittstaaten

Von verschiedenen Seiten (zum Beispiel Weltbank, OECD, IWF, EG) wurden in den letzten Jahrzehnten Listen mit Schwellenländern erstellt. Eine verbindliche Liste der Schwellenländer gibt es nicht, ihre Zahl schwankt je nach Liste zwischen 10 und 30. Die Festlegung, ob ein Land ein Schwellenland ist, ist eine politische. Eine verbindliche Übersetzung in die englische Sprache gibt es zudem nicht, da unterschiedliche englische Fachbegriffe verwendet werden und diese unterschiedlich als 'Schwellenland' übersetzt werden.

Allgemeingültige, messbare und akzeptierte Normen fehlen. Die Weltbank kategorisiert jeweils 46 Länder als 'Schwellenländer' (Upper-middle-income economies[1]), darunter Südafrika, Mexiko, Brasilien, Malaysia, Ukraine, Russland und die Türkei. Der Internationaler Währungsfonds (IWF) kategorisiert 150 Länder als 'Schwellenländer' (Emerging and developing economies[2]), darunter Südafrika, Mexiko, Brasilien, Pakistan, die Volksrepublik China, Indien, die Philippinen, Thailand, Malaysia, Äthiopien, Ungarn, Polen, Sudan, Litauen, Ukraine , Russland und die Türkei.

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und die Europäische Union unternahmen gemeinsam den Versuch, auch soziale und politische Indikatoren zur Bestimmung von Schwellenländern durchzusetzen. Der Versuch wurde auf internationaler Ebene abgewiesen. Daraufhin zog das BMZ seine 30 Schwellenländer umfassende Liste, die unter anderem auch Ecuador und Nicaragua enthielt, wieder zurück.

Die G-20 hingegen, bezeichnen sich selbst als „important industrialized and developing economies“, d. h. „bedeutsame industrialisierte und entwickelnde Ökonomien“. Mitgliederstaaten sind: die USA, Japan, Deutschland, China, Vereinigtes Königreich, Frankreich, Italien, Kanada, Brasilien, Russland, Indien, Südkorea, Australien, Mexiko, Türkei, Indonesien, Saudi-Arabien, Südafrika, Argentinien und die Europäische Union.

Nach der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung), gelten deren 34 Mitgliedstaaten wiederum als Industriestaaten: Australien, Belgien, Chile, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Island, Israel, Italien, Japan, Kanada, Luxemburg, Mexiko, Neuseeland, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, Schweiz, Slowakei, Slowenien, Spanien, Südkorea, Tschechien, Türkei, Ungarn, Vereinigte Staaten und Vereinigtes Königreich. (Mit Russland wurden Beitrittsverhandlungen aufgenommen).

Einzelnachweise

  1. The World Bank - Country Groups
  2. | International Monetary Fund - Country Groups Information

Siehe auch

Literatur

  • Franz Nuscheler: Lern- und Arbeitsbuch Entwicklungspolitik. Bonn 2004, ISBN 3-8012-0350-6

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