Schweizer Industrialisierung

Schweizer Industrialisierung

Die Wirtschaft der Schweiz gilt als eine der stabilsten Volkswirtschaften der Welt. Berechnet nach dem Bruttoinlandsprodukt liegt die Schweiz weltweit an 19. Stelle, berechnet nach dem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf sogar auf dem 4. Platz. Hauptarbeitgeber ist der Dienstleistungssektor mit seinem Handels- und Finanzplatz. Daneben sind aber auch der Tourismus und die Industrie wichtige Zweige der Schweizer Wirtschaft.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Schweiz lebte bis spät in die Industrialisierungszeit hauptsächlich von der Landwirtschaft, obschon in den grossen Schweizer Städten schon früh Handels- und Finanzplätze entstanden.

Die Schweizer Industrialisierung fand zuerst schwerpunktsmäßig im Kanton Zürich und Umgebung statt. Anfänglich war es hauptsächlich die Textilindustrie, doch die entwickelte - zuerst nur für den Eigenbedarf - rasch eine aktive Maschinenindustrie. Diese produzierte die Textilmaschinen, Dampfmaschinen und für die neue Eisenbahn Lokomotiven. Das waren die ersten Industrieschwerpunkte, bald sollte auch noch die chemische Industrie z.B. am Rheinknie um Basel folgen. Die Uhrenindustrie entwickelte sich vor allem in der Westschweiz und entlang des Jurabogens. Ihr Wissen und ihr Können lag viel mehr im Handwerk und in der Präzisionsarbeit. Mechanische Uhrwerke produzierte man vorerst in vielen kleinen Heimwerkstätten und Kleinstfabriken.

Beispielhaft für den Entwicklungsstand in einem sehr frühen Stadium der Industrialisierung sei die Chemische Fabrik Uetikon (ZH) erwähnt. In ihrem Gründungsjahr 1818 lebte Napoleon noch, und die Schweiz war noch extrem stark landwirtschaftlich und handwerklich geprägt. Erst 15 Jahre früher hatte Dalton seine Atomhypothese formuliert. Im ersten Geschäftsjahr wies die Chemische Fabrik Uetikon folgendes Inventar aus: "lb 5766 Kupferwasser, lb 5511 Vitriolöl, lb 650 Cyprisches Vitriol"; sodann Materialien: "lb 700 Kupfer, lb 6212 Schwefel, lb 350 Salpeter". 1 lb war gleichbedeutend mit Pfund, also entsprechend einem halben Kilogramm. Der Umsatz des Unternehmens betrug 6050 Gulden: Noch zirkulierten in den Kantonen zahlreiche unterschiedliche Währungen, der Franken für die ganze Schweiz wurde erst mit der Bundesverfassung von 1848 eingeführt.

Wirtschaftsdaten

Bruttoinlandsprodukt

Das Bruttoinlandsprodukt der Schweiz betrug 2006 486.2 Milliarden Schweizer Franken, was rund 64'500 Franken beziehungsweise US-$ 53'000 pro Kopf entspricht (pro Kopf auch der nicht-erwerbstätigen Bevölkerung).[1]

Arbeitsmarkt

Die Schweiz hat einen liberalen Arbeitsmarkt. Insbesondere ist der Kündigungsschutz nicht so ausgebaut, wie in anderen europäischen Ländern. Das erlaubt es den Firmen flexibel auf die Konjunktur zu reagieren, wodurch bei anziehender Konjunktur auch schneller neue Stellen geschaffen werden.

Im Zuge der globalen Abschwächung der Wirtschaft stieg die Arbeitslosigkeit in der Schweiz zu Beginn des neuen Jahrtausends vom Tiefpunkt 1.6 % im Jahr 2001 bis auf den Höhepunkt der Arbeitslosenquote von 3.9% im Jahr 2004. In den letzten Jahren zog die Wirtschaft jedoch wieder an und die Arbeitslosenquote begann wieder zu sinken.

Durchschnittlich waren im Jahr 2007 in der Schweiz 109'189 Personen als arbeitslos gemeldet, das entspricht einer Arbeitslosenquote von 2.8 %. In der Deutschschweiz betrug sie 2.2 %, während sie in der Westschweiz und dem Tessin bei 4.2 % lag.

Struktur der Schweizer Wirtschaft

Landwirtschaft und Rohstoffe

Im hochindustrialisierten Dienstleistungsstaat Schweiz arbeiten heute weniger als vier Prozent der Bevölkerung in der Landwirtschaft. Trotzdem wird dieser Wirtschaftszweig vom Bund mit beträchtlichen Mitteln unterstützt (Subventionen). Die landwirtschaftliche Produktion ist regional sehr unterschiedlich. In den Voralpen, Alpen und im Jura dominiert Viehzucht und Milchwirtschaft, im Mittelland Getreide-, Kartoffel- und Rübenanbau, in der Ostschweiz und im Wallis Obst. In verschiedenen Gebieten wird Weinbau betrieben. Exportiert wird in erster Linie Hartkäse (Emmentaler, Greyerzer (Gruyère), und Sbrinz). In der Schweiz dominiert in der Landwirtschaft die integrierte Produktion. Der biologische Anbau beträgt etwa 9% der Produktion und wuchs bis vor kurzem stark. Seit 2005 nimmt allerdings der Anteil der biologisch bewirtschafteten Betriebe wieder ab und zwar sogar stärker, als der allgemeine Strukturwandel.[2] Es gibt keinen Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzensorten, ausser zu Forschungszwecken.

Die Schweiz ist rohstoffarm. Abgebaut werden Kies, Kalkstein (Jura), Ton, Granit (Graubünden, Tessin) und Salz (Rheinfelden, Bex). Kohle, Uran und Erdöl sind bisher nur in Spuren gefunden worden. Mehrere Minen, die in der Vergangenheit Eisenerz (Sargans, Fricktal, Stechelberg), Asphalt (Travers), Kupfer (Zinal) oder Gold (Gondo) lieferten, wurden mittlerweile geschlossen. Ein wichtiger Rohstoff der Schweiz ist die Wasserkraft, die mit Speicherkraftwerken und Laufkraftwerken zwei Drittel des Schweizer Elektrizitätsbedarfs deckt. Siehe auch: Liste der Speicherseen in der Schweiz. Im übertragenen Sinn ein äusserst wichtiger "Rohstoff" ist die Schönheit der Landschaft.

Gewerbe und Industrie

Der grösste Teil des Bruttoinlandsproduktes wird im sekundären und tertiären Sektor erwirtschaftet. Der sekundäre Sektor (Industrie) hat beschäftigungsmässig stark an Bedeutung verloren, dennoch arbeiten rund 24% der Beschäftigten in der Industrie.

Im sekundären Sektor dominieren die Uhrenindustrie (v.a. Swatch Group) und der Maschinenbau (z.B. ABB, Sulzer). Bekannt ist die Schweiz zudem für die Herstellung von Präzisionsinstrumenten, Apparaten sowie für die Pharmaindustrie (Novartis, Roche), die Chemie, die Nahrungsmittel-Herstellung (Nestlé) und die Medizintechnik.

Energie

Die Energie ist der Blutkreislauf jeder Volkswirtschaft. Einer der wenigen Rohstoffe, welche die Schweiz besitzt, ist das Wasser zur Stromerzeugung; das Land gilt als "Wasserschloss Europas". Dennoch trug die Stromproduktion mit Hilfe von Laufkraftwerken (entlang der Flüsse) und Pumpspeicher-Kraftwerken (Nutzung von Gebirgs-Stauseen) 2006 nur ca. 14 % zum End-Energieverbrauch des Landes bei. Der mit Abstand grösste Verbrauchs-Anteil entfällt mit 57 % nach wie vor auf Erdölprodukte (Brenn- und Treibstoffe). Gas trägt zu 12 % bei, Strom aus fünf Kernkraftwerks-Blöcken zu rund 10 %. Die Anstrengungen zur Verringerung der fossilen Energieträger und damit der Kohlendioxid-Belastung der Atmosphäre (gemäss Kyoto-Protokoll) hinken in der Schweiz noch immer deutlich hinter den gesteckten Reduktions-Zielen her (vgl. vor allem auch die Energieeffizienz); Sonnen- und Windenergie tragen zusammen erst mit weniger als 2 Prozent zur Deckung des Energiebedarfs bei.

Dienstleistungen

Der tertiäre Sektor hat eine immer grössere Bedeutung: 73% der Erwerbstätigen arbeiteten 2003 im Dienstleistungssektor (15.1% im Handel, 5.7% in Hotels und Restaurants, 5.1% in Banken und Versicherungen).

Die zu den grössten Banken der Welt gehörenden UBS AG wie auch die Credit Suisse haben ihren Sitz in der Schweiz. Beide Banken zusammen hatten 2003 einen Bruttoertrag von 60 Milliarden Franken.

Seit fast 200 Jahren ist der Fremdenverkehr ein Hauptwirtschaftszweig in der Schweiz, begünstigt durch die Alpen, die Seen und die Schönheit des Landes.

Die grössten Unternehmen

Die folgende Liste zeigt die 12 grössten Unternehmen der Schweiz nach Umsatz im Jahr 2006. Dies ist ein Auszug der Liste der größten Unternehmen in der Schweiz. Banken und Versicherungen folgen in einer eigenen Liste nach Bilanzsumme 2007 bzw. nach Prämieneinnahmen 2006.

Die grössten Unternehmen nach Umsatz 2006

Rang Name Hauptsitz Umsatz
(Mrd. CHF)
EBIT
(Mio. CHF)
Mitarbeiter Branche
1. Glencore Baar 146,000 n/b 1.711 Rohstoffhandel
2. Nestlé Vevey 98,458 13.302 265.000 Nahrungsmittel
3. Novartis Basel 46,382 10.241 100.735 Pharma
4. Roche Holding Basel 42,041 11.730 74.372 Pharma
5. Xstrata Zug 37,897 11.759 n/b Rohstoffe
6. ABB Zürich 34,420 3.646 108.000 Maschinenindustrie
7. Adecco Chéserex 33,075 1.321 37.000 Temporärarbeit
8. Mercuria Energy Trading Genf 28,200 n/b n/b Mineralölhandel
9. Holcim Rapperswil-Jona 23,969 4.385 88.783 Bauzulieferer
10. Cargill International SA Genf 22,333 n/b 500 Rohstoffhandel
11. Migros Zürich 20,644 632 59.345 Detailhandel
12. Kühne + Nagel Feusisberg 18,194 601 46.290 Logistik/Spedition

Die grössten Banken nach Bilanzsumme 2007

Rang Name Hauptsitz Bilanzsumme
in Mrd. CHF
verwaltete Vermögen
in Mrd. CHF
Eigenkapital
in Mrd. CHF
Nettogewinn
in Mio. CHF
Mitarbeiter
1 UBS Zürich und Basel 2.272,6 3.189 35,585 - 4.384 83.560
2 Credit Suisse Zürich 1.361,7 1.555 43,980 8.549 48.100
3 Raiffeisen Schweiz St. Gallen 123,1 118 7,402 701 8.606
4 Zürcher Kantonalbank Zürich 103,2 119 7,334 843 4.446
5 HSBC Private Bank (Suisse) SA Genf 67,3 186 3,327 665 2.469
6 Julius Bär Zürich 46,9 405 6,429 940 4.099

Die grössten Versicherungen nach Bruttoprämieneinnahmen 2006

Rang Name Hauptsitz Bruttoprämien-
einnahmen
(Mrd. CHF)
Kapitalanlagen
(Mrd. CHF)
Reingewinn
(Mio. CHF)
Mitarbeiter
1. Zurich Financial Services Zürich 71.677 225.966 5.673
2. Swiss Re Zürich 29.515 172.507 4.560
3. Swiss Life Zürich 22.064 175.821 954
4. Bâloise Basel 9.538 56.380 707
5. Helvetia Holding St. Gallen 5.255 28.928 423
6. SUVA Luzern 4.288 29.300 289

Staatsausgaben

Im Jahr 2005 lag der Anteil der Staatsausgaben (Ausgaben von Bund, Kantonen und Gemeinden) für

Die Staatsquote (Anteil der Staatsausgaben am Bruttoinlandsprodukt) betrug 2007 rund 37.1%.

(Quelle: Bundesamt für Statistik)

Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich

Gemäss zwei voneinander unabhängigen Ranglisten ist die Schweiz bezüglich Wettbewerbsfähigkeit auf dem 6. und auf dem 1. Rang platziert:

  • World Competitiveness Scoreboard 2007: 1. USA, 2. Singapur, 3. Hongkong, 4. Luxemburg, 5. Dänemark, 6. Schweiz. Österreich ist im 11. Rang, Deutschland im 16. Rang (von 55 Ländern). Quelle: IMD Lausanne, 2007, www.imd.ch.
  • Growth Competitiveness Index 2006: 1. Schweiz, 2. Finnland, 3. Schweden, 4. Dänemark, 5. Singapur, 6. USA, 7. Japan, 8. Deutschland, 17. Österreich (von 123 Ländern). Quelle: World Economic Forum, Genf.[3]

Die englische Economist Intelligence Unit hat eine Rangliste der zehn Länder mit dem besten Business Environment erstellt, welche für die Jahre 2007-2011 gilt: 1. Rang: Dänemark mit 8,8 von 10 möglichen Punkten. 2. Finnland (8,8), 3. Singapur, 4. Schweiz , 5. Kanada, 6. Hong Kong, 7. USA mit je 8,7 Punkten, 8. Niederlande, 9. Australien, 10.Grossbritannien mit je 8,6 Punkten. (Quelle: The Economist, 1. September 2007).

Einzelnachweise

  1. Bundesamt für Statistik
  2. www.schweizerbauer.ch
  3. http://www.weforum.org/en/initiatives/gcp/Global%20Competitiveness%20Report/index.htm

Siehe auch


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