Schwarze Scharen

Schwarze Scharen

Die Schwarzen Scharen waren Widerstandsgruppen von anarchistischen und anarchosyndikalistischen Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu Beginn der Zeit des Nationalsozialismus.

In vielen Städten des Deutschen Reichs gab es in den 1920er und 1930er Jahren kleine Gruppen der Jugendorganisation Syndikalistisch-Anarchistische Jugend Deutschlands (SAJD) der Freien Arbeiter-Union Deutschlands (FAUD). Als Schutztruppe gegen die anwachsende nationalsozialistische Bewegung und kommunistische Störaktivitäten hatten sich ab 1929 zumeist mit wenig Waffen und Sprengstoff ausgerüstete lokale klandestine antifaschistische Organisationen gegründet, die schwarze Schar genannt wurden. Sie kleideten sich einheitlich schwarz und waren damit in der anarchistischen Bewegung umstritten, welche Uniformismus ablehnte. Bei älteren Genossen wurden die antifaschistischen Formationen kritisiert, da schwarze Kleidung eine Militarisierung darstelle und der Straßenkampf einen Rückfall in überwundene Formen des politischen Terrorismus des 19. Jahrhunderts bedeuten könne.[1]

Die Schwarzen Scharen waren über einige Jahre in der Lage, Übergriffe der Nazis auf Versammlungen und in Arbeitervierteln zu verhindern. „Überall ist die S.[chwarze] S.[char] nicht nur stärker als die FAUD, sondern auch stärker als die kommunistische Arbeiterwehr“ berichtete die FAUD 1930 für das oberschlesische Gebiet und wollte dies fördern. Zu ihren Versammlungen konnten die Schwarze Scharen dort durchschnittlich 300-400, höchstens 1.500 Teilnehmer mobilisieren.[2] Weitere Zentren der schwarzen Scharen waren das Rheinland, Mitteldeutschland und der Raum Berlin. Gründer waren unter anderem Theodor Bennek, Paul (Max) Czakon, Alfons Pilarski (Oberschlesien), Walter Kaps (Berlin), Willi Paul (Kassel) und Gustav Doster (Darmstadt).

1933, mit der Machtergreifung lösten sich die anarchistischen und anarchosyndikalistischen Jugendorganisationen wie die SAJD selbst auf, um Verbot und weiteren Verhaftungen der Mitglieder zu entgehen, die teilweise in die Konzentrationslager der Nationalsozialisten eingeliefert worden waren. Die verschont Gebliebenen blieben als Schwarze Scharen vernetzt und formierten zusammen mit älteren Genossen einen Widerstand im Untergrund. Es wurden Mittel für inhaftierte Genossen gesammelt, Treffen mit anderen Städten organisiert, Kurierfahrten erledigt und Fluchthilfe geleistet. Gemeinsam mit linken Jugendgruppen wurden zudem mit einfachen Mitteln Wandparolen gemalt und Flugschriften gedruckt. Im Rheinland deckte die Gestapo um die Jahreswende 1937 den anarchosyndikalistischen Widerstand auf und verhaftete über 100 Personen. Die jungen Erwachsenen wurden in „Schutzhaft“ genommen, gefoltert und die meisten wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ 1937 verurteilt. Einige wurden 1938 wieder freigelassen, um 1939 erneut verhaftet, in Konzentrationslager eingewiesen und misshandelt zu werden, wo der Großteil starb. Einige Überlebende wurden 1944 in SS-Sonderformationen gezwungen. Andere waren schon ab 1936 nach Spanien ins Exil gegangen, um dort im spanischen Bürgerkrieg gegen den Faschismus zu kämpfen.

Einzelnachweise

  1. Wolfram Beyer: Was ist eigentlich Anti-Militarismus
  2. Dieter Nelles: Internationalismus im Dreiländereck Alfons Pilarski und der Anarchosyndikalismus in Oberschlesien in der Zwischenkriegszeit auf anarchismus.at

Literatur

  • Helge Döhring: Schwarze Scharen. Anarcho-Syndikalistische Arbeiterwehr (1929-1933), Verlag Edition AV, Lich 2011, ISBN 978-3-86841-054-9
  • Ulrich Linse, Die anarchistische und anarcho-syndikalistische Jugendbewegung 1919-1933, Frankfurt am Main, 1976
  • Ulrich Linse, Die Schwarzen Scharen – eine antifaschistische Kampforganisation deutscher Anarchisten, in: Archiv für die Geschichte des Widerstandes und der Arbeit Bochum, Nr. 9 (1989), S. 47-66.
  • Ulrich Klan, Dieter Nelles: Es lebt noch eine Flamme – Rheinische Anarcho-Syndikalist/-innen in der Weimarer Republik und im Faschismus, Grafenau-Döffingen 1986.
  • Walter und Wilhelms Theissen, Antiautoritäre Arbeiterbewegung im Faschismus – Anarcho-Syndikalistischer Widerstand an Rhein und Ruhr, Bd. I u. II, Meppen 1980.

Weblinks


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