Schuldverhältnis

Schuldverhältnis

Das Schuldverhältnis ist eine Rechtsbeziehung, durch die zwischen mindestens zwei Parteien eine Verpflichtung begründet wird und durch Vertrag, kraft Gesetz oder durch rechtsgeschäftsähnliche Umstände zustande kommt.

Arten der Schuldverhältnisse

  • Rechtsgeschäftliche Schuldverhältnisse entstehen durch Vertrag (§ 311 Abs. 1 BGB), ausnahmsweise bei der Auslobung (§ 657 BGB) auch durch ein einseitiges Rechtsgeschäft. Das vertragliche Schuldverhältnis ist in § 241 Abs. 1 BGB geregelt. Danach ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen. Jeder Vertragspartei erwachsen aus einem Schuldverhältnis nicht nur diese Leistungspflichten, sondern auch Verhaltenspflichten zur Rücksichtnahme und zum Schutz der Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils (§ 241 Abs. 2 BGB). Wichtige einzelne Vertragstypen, die ein Schuldverhältnis begründen, sind im BGB besonders geregelt (z. B. Kauf, Schenkung, Miete, Pacht, Darlehen), doch können auch andere Vertragstypen im Rechtsverkehr verwendet werden (z. B. Leasing), wenn sie die Leitgedanken des Schuldrechts erfüllen. Aus diesen Vertragstypen resultieren für beide Vertragsparteien bestimmte Verpflichtungen, die zur Bezeichnung rechtsgeschäftliches Schuldverhältnis geführt haben.
  • Gesetzliche Schuldverhältnisse entstehen nach § 311 Abs. 1 BGB als bereicherungsrechtliche, deliktische, sachenrechtliche, familienrechtliche und erbrechtliche Schuldverhältnisse, wenn es um die Durchsetzung von Ansprüchen geht, die Beteiligten durch ihr Verhalten bestimmte gesetzliche Voraussetzungen erfüllen und eine rechtsgeschäftliche Erfüllungsverpflichtung nicht (mehr) besteht. Ist beispielsweise ein Vertrag nichtig und eine der beiden Parteien hat noch im Bewusstsein seiner Wirksamkeit bereits geleistet, so steht ihr aus Rechtsgeschäft keine Rückforderungsmöglichkeit mehr zu. Der Ausgleich findet in diesem Falle im Wege der ungerechtfertigten Bereicherung statt, die ihr eine Forderung für ihren Vermögensnachteil gegen den anderen Vertragspartner einräumt (§ 812 Abs. 1 BGB). Alle deliktischen Fallgestaltungen, insbesondere der unerlaubten Handlung (§ 823 BGB) und der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB), gehören ebenfalls zur Gruppe der gesetzlichen Schuldverhältnisse. Zwischen dem Verlierer (das Gesetz spricht genauer vom Empfangsberechtigten) und dem Finder entsteht ein sachenrechtlich begründetes gesetzliches Schuldverhältnis. Dieses verpflichtet den Finder dazu, den Fund dem Empfangsberechtigten anzuzeigen.
  • Rechtsgeschäftsähnliche Schuldverhältnisse sind Schuldverhältnisse, aus denen keine konkreten Leistungspflichten, sondern lediglich Rücksichtnahmepflichten erwachsen. Dazu zählt insbesondere das vorvertragliche Schuldverhältnis (§ 311 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 280 Abs. 1 in Verbindung mit § 241 Abs. 2 BGB) der so genannten „Culpa in contrahendo“ (c.i.c.). Bereits die Aufnahme von Vertragsverhandlungen oder die Anbahnung von Verträgen lässt ein vertragsähnliches Vertrauensverhältnis entstehen, das durch die Verletzung von Aufklärungs- und Obhutspflichten, den grundlosen Abbruch von Vertragsverhandlungen, den Abschluss unwirksamer Verträge, den Abschluss inhaltlich nachteiliger Verträge und die Eigenhaftung von Vertretern und Verhandlungsgehilfen gestört werden kann. Wird dabei eine Pflichtverletzung, Rechtswidrigkeit oder Verschulden des Betroffenen nachgewiesen, ist ein entstandener Vertrauensschaden zu ersetzen. Eine weitere Fallgruppe (§ 311 Abs. 3 BGB) befasst sich mit der Vertrauenshaftung Dritter. Danach wird die Haftung von Personen - entgegen dem Grundsatz der Relativität der Schuldverhältnisse - auch auf Dritte erweitert. Hierzu gehören insbesondere die Sachwalterhaftung, Hintermannhaftung bei Prospekten oder die Inanspruchnahme besonderen Vertrauens.

Pflichten aus dem Schuldverhältnis

In den meisten Fällen resultieren aus einem vertraglichen Schuldverhältnis gegenseitige Leistungspflichten. Unter Leistung versteht man rechtlich verallgemeinernd die bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. Beim Kaufvertrag bestehen konkret die gegenseitigen Leistungen aus der Verschaffung des Eigentums an den Kaufgegenständen und der Bezahlung des Kaufpreises, beim Mietvertrag aus der Gebrauchsüberlassung des Mietgegenstandes und der Bezahlung des Mietzinses.

Verhaltenspflichten resultieren aus gesetzlichen Schuldverhältnissen, weil bei diesen das Gesetz die Beteiligten zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen auffordert.

Rücksichtnahmepflichten verlangt das Gesetz bei vorvertraglichen Schuldverhältnissen wie der „culpa in contrahendo“, wo gegenüber dem Geschäftspartner eine vorvertragliche Aufklärungspflicht besteht, ohne deren Wahrnehmung eine Schadensersatzpflicht aus Verschulden bei Vertragsabschluss droht. Bei schuldhafter Verletzung dieser Pflichten kann der Geschädigte Schadensersatz verlangen (§ 280 Abs. 1 BGB).

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