Schraubensicherung

Schraubensicherung

Unter Schraubensicherung werden Maßnahmen verstanden, die das ungewollte Lösen oder Lockern einer Schraubenverbindung durch äußere Einflüsse (z. B. Schwingung (Vibration), Korrosion, Setzen der Verbindung) und damit den Verlust der Vorspannkraft, als Wirkprinzip der Schraubverbindung, zu verhindern. Dies wird durch zusätzliche (meist mitverspannte) Bauelemente, spezielle Formelemente oder Klebstoffe realisiert.

Inhaltsverzeichnis

Überblick

Vor allem in der Großserie bedeuten Schraubensicherungen zusätzlichen Aufwand an Material, Logistik, Montage als auch das Risiko des Nichteinbaus oder Mangelhaftigkeit der Schraubensicherung selbst oder des Montageergebnisses. Daher ist das Ziel einer jeden Schraubenverbindung, auf zusätzliche Sicherungsmaßnahmen möglichst zu verzichten. Kritische Schraubverbindungen, die hohen Sicherheitsstandards genügen müssen, schlecht bis gar nicht einsehbar oder ungünstigen Belastungen ausgesetzt sind, werden unter Berücksichtigung der Umgebungsbedingungen konstruktiv dimensioniert.

Einsatz

Durch Verdrahten gesicherte Schraubenverbindung einer Flugzeugturbine

Bei Unsicherheiten oder Nichteinhaltung der notwendigen Mindestklemmlängen von Schraubenverbindungen oder unklaren Umgebungsbedingungen sind Schraubensicherungen trotzdem üblich bzw. angebracht. Ein Beispiel für eine nicht fach- und sachgerecht ausgeführte Schraubenverbindung ist die Befestigung von (Aluminium-) Schutzblechen am (Stahl-) Rahmen von Fahrrädern. Hier wird die Schrauben-Klemmkraft mit der Zeit durch das Fließen des Aluminiums und durch korrosive elektrochemische Einflüsse aufgehoben. Die Schraubverbindung lockert sich und die Bohrung im Aluschutzblech wird durch die Vibrationen während der Fahrt ausgeschlagen.

Bei dynamischen Belastungen, insbesondere senkrecht zur Schraubenachse (Querlast), neigen Schraubenverbindungen dazu, sich selbst zu lösen. Eine Abhilfe gegen dieses Bauteilversagen bietet in erster Linie die korrekte Auslegung und Konstruktion der Schraubenverbindung. Als Grundsatz im Maschinenbau gilt:

  • Die zu verbindenden Bauteile sollen möglichst wenig nachgeben (große Querschnitte, kein Kriechen, hoher Elastizitätsmodul- falls konstruktiv realisierbar), also steif sein
  • Die zugehörige Schraubenverbindung muss dagegen möglichst nachgiebig sein (z. B. durch Verwendung von Dehnschrauben)
  • Schraubenverbindungen mit hochfesten Schrauben und Muttern. Diese sind nur dann sinnvoll, wenn sie entsprechend fest angezogen werden können (weitgehende Ausnutzung der Schraubenfestigkeit) und an den verspannten Teilen keine plastischen Verformungen auftreten (Grenzflächenpressung).

An Stellen, wo solche Maßnahmen nicht möglich sind, können niedrigfeste Schraubenverbindungen mit Klebstoff, durch speziell geformten Muttern mit Kunststoffeinsatz (selbsthemmende Muttern), durch Kronenmuttern mit Splint oder durch das Verdrahten (Drahtsicherung) gesichert werden. Das sichern von Schrauben in Aluminiumteilen kann z. B. durch selbstsichernde Gewindeeinsätze oder spezielle Gewinde realisiert werden. Beim Einsatz von Edelstahlschrauben in diesen Einsätzen kann es zum Fressen kommen. Eine aufwändige Ausnahme ist dabei die Methode, das Gewinde der Befestigungsmutter als Rechtsgewinde auszuführen, das zugehörige Gewinde der Kontermutter auf der Schraube dagegen als Linksgewinde. Diese Methode ist im Bergbau verbreitet, ebenso an alten Fahrrädern mit geschraubten Ritzeln auf der Hinterradnabe. Bei Anwendung von Kronenmutter und Splint sind Bolzen und Mutter zueinander gesichert. Für hochfeste Schraubenverbindungen bieten sich nur wenige Möglichkeiten einer zusätzlichen Sicherung an, wenn die Ausnutzung der Schraubenfestigkeit und die damit einhergehende große Vorspannkraft nicht zum Erfolg führt:

  • Sperrzahnschrauben und -muttern
  • Sperrkantscheiben (einfach oder doppelt)
  • Kleben (Flüssig- oder mikroverkapselter Kleber)

Berechnung von Schraubverbindungen

Bei der Auslegung, Berechnung als auch der Nachweis von Schraubverbindungen wird prinzipiell wie folgt bei der Ermittlung der Vorspannkraft vorgegangen:

  • Ermittlung der maximalen und minimalen axialen Betriebslast
  • Ermittlung und Auswahl der sogenannten Teil- oder Trennfugenbeschaffenheit und Werkstoffkennwerte anhand der konstruktiv vorgegeben Einbausituation
  • Ermittlung oder Abschätzung der auftretenden Reibwerte durch Schmierung der Schraubverbindung vor dem Anziehen zur Ermittlung des sogenannten Anzugsmometes der Schraubverbindung.
  • Ermittlung und Festlegung der Art und Weise, wie bzw. womit die Schraubverbindung angezogen wird
  • Berücksichtigung der Werkstoffeigenschaften der Schraubverbindungen über den geplanten Temperaturbereich
  • Nachweis der Dauerfestigkeit bei dynamischen bzw. wechselnden Krafteinleitungen

Bei der ersten sogenannten Entwurfsrechnung kann überschläglich die Größe bzw. der Querschnitt der Schraubverbindung über die Vorspannkraft und den Reibwert anhand der axialen Betriebslast sowie das erforderliche Drehmoment beim Festziehen der Schraubverbindung ermittelt werden.

Im Weiteren wird das sogenannte Setz- oder Kriechverhalten berücksichtigt. Unter dem Setzen versteht man das „Verdrücken“ oder Abplatten von „Bergspitzen“ der vorhandenen Oberflächenrauigkeit oder Nachgiebigkeit der verspannten Werkstoffe durch die beim Anziehen der Schraubverbindung eingeleitete Vorspannkraft. Dieser Effekt kann besonders bei weichen Werkstoffen, z. B. Dichtungen, zur Aufhebung der Vorspannung und damit der Wirksamkeit der Schraubverbindung schon nach kurzer Betriebsdauer führen. Dabei wird auch das sogenannte Lösemoment und die Kraft, die zum Lösen (Aufdrehen) der Schraubverbindung erforderlich ist, berücksichtigt. Anschließend wird das Verhalten der Schraubverbindung im geplanten Temperaturbereich bei den eingesetzten Werkstoffen anhand der Einbausituation geprüft. Dabei wird das unterschiedliche Verhalten der eingesetzten Werkstoffe, z. B. die Wärmedehnung berücksichtigt.

Abschließend ist in der Regel der Nachweis der Dauerfestigkeit der Schraubverbindung, einschließlich der zu befestigenden Bauelemente, zu führen. Hier wird die Festigkeit der eingesetzten Bauteile anhand der verwendeten Werkstoffe, der Verbausituation, geometrischen Gestaltung der Bauteile, sowie mit Hilfe der Anzahl und Art der Lastwechsel bei der dynamischen (schwingenden) Belastung nachgewiesen. Es ist in einigen Branchen zulässig, dass dieser Nachweis mit Hilfe einer FEM-Berechnung unter Berücksichtigung des Temperaturverhaltens der Bauteile erfolgen kann.

'Bei der rechnerischen Auslegung gelten in der Regel folgende Randbedingungen:

  • Schraubverbindungen werden nur auf Vorspannung belastet, auftretende Querkräfte (Kräfte, die ein Verschieben bzw. Abscheren der Schraubverbindung verursachen) sind zusätzlich über den Reibwert als Betriebslast zu berücksichtigen.
  • Das mehrfache Anziehen und Lösen einer Schraubverbindung muss in der Regel durch eine weitere Nachweisrechnung berücksichtigt werden. Hierzu wird bei hochbelasteten Schraubverbindungen in der Regel davon ausgegangen, dass alle Schrauben und Sicherungselemente durch neue unbenutzte Bauteile zu ersetzen sind.
  • Das eingeleitete Anzugsmoment der Schraubverbindung ist nach der Montage konstant.
  • Es erfolgt kein Überziehen bzw. eine bewusste Überschreitung des festgelegten Anzugsmoments bei der Montage.
  • Die Montage erfolgt mittels genormter Werkzeuge. Der Einsatz von Verlängerungen oder Kreuzgelenken ist in der Regel nicht zulässig.
  • Das eingeleitete Anzugsmoment kann während der Montage ermittelt werden.

Als typisches Beispiele zur Berechnung von Schraubverbindungen werden häufig verschraubte Flanschverbindungen mit einem Klöpperboden verwendet.

Einteilung

Schraubensicherungen sind in der Regel kraftschlüssig (z. B. Federringe, Federscheiben), formschlüssig (z. B. Sicherungsbleche mit Lappen, Rippscheiben) oder stoffschlüssig (z. B. flüssige Schraubensicherungen, Klebstoff).

Zu den kraftschlüssigen Sicherungen zählen auch selbstsichernde Muttern, z. B. Sechskantmuttern mit Klemmteil.

Schraubensicherungen sollen Vorspannkraft-Verluste infolge Setzen und Kriechen (Lockern) und dynamischer Belastung (Gefahr des partiellen oder vollständigen Losdrehens) verhindern oder zumindest klein halten.

Schraubensicherungen können in die folgenden Klassen eingestuft werden:

  • Losdrehsicherung: Verhindert, dass die Vorspannkraft absinkt (z. B. Klebstoff, Ripp-Schrauben).
  • Verliersicherung: Verhindert, dass sich Elemente der Schraubverbindung lösen und die Verbindung auseinander fällt. Die Vorspannkraft der Schraubverbindung als wirksame Kraft kann unter Umständen nicht aufrechterhalten werden.

In der Praxis werden bei Schraubensicherungen auch nach folgenden Kategorien unterschieden:

  • selbst- oder fremdhemmende Schraubensicherungen zur Aufrechterhaltung der Vorspannung:
    • Zahnscheibe außen gezahnt (Mitte)
    • Zahnscheibe innen gezahnt
    • Tellerfeder
    • Wellenscheibe
    • Schnorrscheibe

Unwirksame Schraubensicherungen nach DIN

Mutter mit untergelegtem Federring

Folgende Maschinenelemente gelten als unwirksame Schraubensicherungen, weil sie sich unter bestimmten Umständen zur Aufrechterhaltung der Vorspannung einer Schraubverbindung als wirkungslos erwiesen haben (sämtliche angegebenen Normen sind inzwischen zurückgezogen):

  • Federringe (DIN 127, DIN 128 und DIN 6905)
  • Federscheiben (DIN 137 und DIN 6904)
  • Zahnscheiben (DIN 6797)
  • Fächerscheiben (DIN 6798 und DIN 6908)
  • Sicherungsbleche (DIN 93, DIN 432 und DIN 463)
  • Sicherungsnäpfe (DIN 526)
  • Sicherungsmuttern (DIN 7967)
  • Kronenmutter (DIN 937) mit Splint (DIN 935)


Diese Bauteile können jedoch häufig noch als sogenannte "Verliersicherung" eingesetzt werden.

Ein Grund dafür ist, dass eine sachgerecht ausgeführte Schraubenverbindung wesentlich höhere Vorspannkräfte aufweist, als die oben genannten Elemente an Federkraft aufbauen können. So liegt ein Federring nach DIN 127 schon bei 5 % der Nennvorspannkraft von Schrauben der Festigkeitsklasse 8.8 auf Block und wirkt nur noch wie eine Unterlegscheibe.[1]

Das Kontern mit einer weiteren Mutter ist nur dann sinnvoll, wenn die Kraft zwischen den Muttern deutlich größer als die Vorspannkraft in der zu schaffenden Verbindung ist. Außerdem ist diese Verbindung nicht in der Lage ständige Vibrationen ohne ein Verlust der Vorspannkraft sowie Lösen der Verbindung zu ertagen.

Sicherungselemente und Normen

Schraubensicherungen
Kraftschlüssig: Fig. 2 (Konter oder Doppelmutter)
Formschlüssig: Fig. 4 (Splintsicherung), Fig. 5 (Splint- oder Kerbstiftsicherung)
  • Klemmmuttern mit Kunststoffeinsatz EN ISO 7040, 7043, 10511, 10512. (Alt: DIN 982, 985, 6924)
  • Sechskantmuttern mit metallischem Klemmteil EN ISO 7042, 7044, 10513. (Alt: DIN 980, 6925)

Nicht genormte Sicherungselemente (unterschiedliche Wirksamkeit)

Es existieren eine Reihe unterschiedlicher, teils patentrechtlich geschützter Elemente:

  • Schrauben und Muttern mit Formelementen an der Auflageseite (Ripp-, Zahn- oder Sperrkantprofil)
  • Keilsicherungsscheibenpaar
  • Sperrkantscheibe
  • Flüssigkleber
  • mikroverkapselter Kleber (siehe auch DIN 267-27)
  • spezielle Gewindeprofile (z. B. trilobular)
  • selbstsichernde Gewindeeinsätze
  • Nylon-Fleckbeschichtung (siehe auch DIN 267-28)
  • Limesring

siehe auch: Normteile

Schraubensicherungen bei elektrischen Verbindungen

Bei elektischen Verbindungen können konvetionelle Schraubensicherungen aus dem Maschinenbau nicht eingesetzt werden. Die Aufgabe eine elektrisch sichere Kontaktstelle zu schaffen ist nicht mit einer konventionellen Schraubverbindung und einer Schraubensicherung möglich. Häufig sind Schutzerde-Schraubverbindungen immer zu kurz ausgeführt. Daher wird üblicherweise ein federndes Element vorgesehen. Es gibt sogenannte glatte und selbstsperrende Federringe für elektrische Verbindungen. Letztere besitzen hakenförmige Enden und beschädigen beim Lösen die Oberflächen. Bei elektrischen Verbindungen verkleinern sie durch Verletzung der Oxidschicht den elektrischen Kontaktwiderstand, wobei bei nicht gasdicht ausgeführten Kontaktstellen die Langzeitstabilität des Kontaktwiderstandes fraglich bleibt.

Bei elektrischen Verbindungen (z. B. Masseanschlüssen) ist der Einsatz von Klebstoff zur Sicherung der Befestigungsschraube nicht sinnvoll, weil sich der Kleber in die Trennfugen ziehen kann und dort isolierend wirkt.

Einzelnachweise

  1. Hubert Hinzen, Maschinenelemente 1, Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 2007, ISBN 3-486-58081-7, S. 370

Weblinks

Allgemeine Übersichten über die Arten von Schraubensicherungen, ohne Berücksichtigung der Wirksamkeit


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